Die 5 Elemente und der Weg des Vervollkommnens
Nach Zhi Chang Li
Zhi Chang Li wuchs in der Tradition der chinesischen Medizin und des Qi Gong auf, die ihm bereits von seinen Großeltern und Eltern vermittelt wurde.
Er arbeitete viele Jahre lang als Akupunktur-Arzt in Peking. Seit 1989 lebt er in Europa, wo er das Institut für das Stille Qi Gong in München gründete.
Die gesamte chinesische Medizin ist mit der Weisheit der Natur verbunden und gründet auf ihr, so dass alle Gesetze des Makrokosmos sich auch im Mikrokosmos wieder finden:
So sind der Wechsel und das Zusammenspiel von Yin und Yang im natürlichen Rhythmus des Jahres und des Tages zu erkennen. Sie finden sich in den Polaritäten von Nord und Süd, Ost und West, Winter und Sommer, Mond und Sonne, und sie begegnen uns als weiblich – männlich, kalt – heiß, unten – oben, innen – außen, passiv – aktiv. Die Zahl 5 finden wir bei den Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, doch ebenso bei den Organen, den Sinnesorganen, den Geschmacksrichtungen, den Jahreszeiten (die 5. Jahreszeit ist der Spätsommer), um einige Beispiele zu nennen. Bei den Chinesen gibt es auch 5 Himmelsrichtungen, wobei die Mitte die 5. Himmelsrichtung ist. Die 24 Stunden von Tag und Nacht wurden in 12 Zeitabschnitte unterteilt, die in Zusammenhang mit den 5 Organpaaren und den 2 großen Funktionen des Stoffwechsels und des Kreislaufs stehen. Entsprechend wird der Körper von 12 Meridianen durchzogen, die die Lebenskraft der 5 Organpaare und der zwei großen Funktionen des Stoffwechsels („Dreifacher Erwärmer“) und des Kreislaufs („Meister des Herzens“) durch den Körper leiten. Im zweistündigen Wechsel von Yin und Yang fließt die Lebenskraft, das Qi, durch alle Organe, so dass der Körper reguliert werden kann. Ebenso bietet das Jahr mit seinen 12 Monaten die Gelegenheit, die 12 „Organe“ zu regulieren und zu kräftigen.
Das Organuhr–System
Zu jedem Element gehören also ein Yin Organ (Speicherorgan) und ein Yang Organ (Hohlorgan). In jedem Organ verweilt das Qi 2 Stunden lang und kann in dieser Zeit das Organ und den zugehörigen Meridian aktivieren und kräftigen. Da zu jedem Element 2 Organe gehören, wandert das Qi nach 4 Stunden zum nächsten Element weiter. Von der größten Aktivität wandert es langsam zur geringsten, die sich auf der Organuhr gegenüber befindet.
Beispiel:
Zwischen 23 Uhr und 3 Uhr ist die Zeit des Elementes Holz. In dieser Zeit ist zunächst die Gallenblase (Yang Organ) am aktivsten, dann folgt die Leber (Yin Organ). Danach nimmt die Aktivität des Holzelementes wieder langsam ab und erreicht den niedrigsten Stand zwischen 11 und 15 Uhr, also beim Element Feuer.
Zur Behandlung der Leber wäre es am günstigsten, etwa um 2 Uhr mit Akupunktur zu behandeln. Da dies kaum praktikabel ist, kann aber in dieser Zeit Qi Gong geübt werden, um die Aufnahme von Qi zu optimieren. Eine andere Möglichkeit besteht in der gegenüberliegenden Zeit von 11 Uhr bis 15 Uhr, der Zeit des Feuerelementes, indem man nach dem Essen ruht und so der Leber ermöglicht, Blut für die Verdauung zu speichern.
In diesem Zusammenhang sagte Zhi Chang Li:
„Von wem haben wir die Organe bekommen? Das Universum hat sie uns zur Verfügung gestellt, Gott hat sie uns geschenkt. Auch die Lebenskraft wurde uns geschenkt. Da wir jeden Tag einen Verschleiß haben durch Gefühlsschwankungen und Witterungsverhältnisse werden unsere Körperfunktionen beeinträchtigt. Wenn das entsprechende Organ im entsprechenden Zeitabschnitt nicht reguliert wird, kann der Körper krank werden. Wir können mit unseren Fähigkeiten jedoch versuchen, in den 12 Zeitabschnitten den Körper zu regulieren. Jedes Organ kann im entsprechenden Zeitabschnitt mit Qi gefüllt und dadurch reguliert werden. Das Ziel von TCM ist es, die Regulierungskraft der Meridiane zu stärken. Das kann durch Kräutertees, Akupunktur, Akupressur, Massage oder Qi Gong geschehen. Wenn wir diesen Weg verfolgen, werden wir mit Sicherheit eine beträchtliche Entwicklung erfahren. Das ist nicht ein Reichtum der Chinesen, diesen Reichtum benötigt die ganze Weltbevölkerung. Wenn wir diese Regulierungskraft stärken können, haben wir TCM praktiziert. Für jede Krankheit gibt es ein Gegenmittel. Qi ist überall vorhanden, die Methode können wir mittels der 5 Elemente bekommen. Meine Methoden stehen im Einklang mit den 5 Elementen.“
Bei der folgenden Übung, die Zhi Chang Li unterrichtet, wird ein Mantram verwendet. Dabei wandert die Aufmerksamkeit und damit das Qi durch die Organe. Diese repräsentieren die 5 Elemente und die 5 Himmelsrichtungen. Die Mitte ist in China die 5. Himmelsrichtung.
ÜBUNG:
1. Den Qi Gong Zustand anstreben
- Die Körperhaltung
Der Zustand tiefer Ruhe wird Qi Gong Zustand genannt. Ruhe beherrscht Unruhe, Stille tritt an die Stelle der sich ständig bewegenden Gedanken. Die Körperhaltung, sitzend oder stehend, ist aufgerichtet. Die Wirbelsäule wird dabei wie von zwei Magneten nach unten und oben gedehnt, doch ohne Kraftanstrengung, gleichsam von innen heraus. Die Füße haben Kontakt zum Boden, das Kinn wird zum Brustbein hin leicht abgesenkt und nach hinten gezogen. Die Bewegung des Körpers, die durch das Atmen entsteht, beobachten, ohne den Atem zu verändern. Wenn der Bauch beim Einatmen weit wird, dehnt er sich nach allen Richtungen hin aus, nach unten, nach vorn, nach oben und vor allem nach hinten. Dadurch wird das natürliche Hohlkreuz in der Lendenwirbelsäule ausgeglichen, die Wirbelsäule wird noch mehr begradigt. Die innere Wahrnehmung kann sich darauf richten, über die Wirbelsäule mit Himmel und Erde verbunden zu sein, indem sie sich ausdehnt vom Mittelpunkt der Erde bis in die „Wurzeln“ des Himmels hinein.
- Zwischen den Augenbrauen entspannen.
Den Bereich zwischen den Augenbrauen wahrnehmen, entspannen, weiten. Danach die Aufmerksamkeit 2 bis 3 Finger breit hinter die Stirn schicken. Von dort mit dem geistigen Auge, es wird auch Himmelsauge genannt, weit hinaus in den Raum schauen, wieder zurückkehren, wieder weit hinausschauen. Dabei entspannt und „weitet“ sich die Stirn, und es entsteht ein angenehmes Empfinden im Bereich der Stirn. Dann wendet sich der innere Blick nach hinten und betrachtet das Innere des Kopfes. Keine Erwartungen haben, nichts erzwingen! Langsam werden sich Weite, Ruhe, Helligkeit im Innern einstellen.
- In den Kosmos hinaus lauschen
Die innere Wahrnehmung wendet sich dem unendlichen Raum zu. Der Mensch ist Teil dieses Raumes, nimmt die Geräusche in der Nähe wahr und lauscht dann in die Ferne. Es stellt sich Ruhe ein, die Gedanken, manchmal verglichen mit einer Horde wilder Affen, beruhigen sich. Dann kehrt man mit der Aufmerksamkeit wieder zurück und lauscht ganz in Ruhe nach innen.
Dabei wird der Atem immer gleichmäßiger, immer weicher, bis man ihn schließlich ganz vergisst.
- Ein Lächeln breitet sich aus
Je mehr die Stille an die Stelle der Unruhe tritt, je mehr also die Gedanken zur Ruhe kommen, desto mehr breitet sich Leichtigkeit, ja Heiterkeit im Menschen aus. Es kann ein Lächeln entstehen, das, vom Herzen ausgehend, den ganzen Körper erfasst. In der Qi Gong Sprache bedeutet „Lächeln“, dass das Qi fließt. Es ist ein Lächeln, das man sieht und doch nicht sieht, das absichtsvoll und zugleich ganz ohne Absicht geschieht. So kann der Scheitel „lächeln“, das Gesicht trägt ein leichtes Lächeln, der Hals „lächelt“, die Brust, der Rücken, der Bauch, das Gesäß, die Gelenke „lächeln“, bis das innere Lächeln den ganzen Menschen erfasst. Zhi Chang Li spricht von der „Klarheit des Herzens“, die durch diese Übung entsteht. „Ohne die Klarheit des Herzens ist der Weg nicht zu erreichen.“ (Zhi Chang Li, zitiert nach Ulli Olvedi, in: „Das Stille Qi Gong nach Meister Zhi Chang Li“, München, 1994, S. 152)
2. Der Weg der Übung im Körper
Die Aufmerksamkeit wendet sich in den Bereich des Nabels, 3–4 Finger breit hinter der Bauchdecke, gleitet weiter zur linken Seite, zu Milz und Bauchspeicheldrüse, von dort nach oben hinter die Stirn, nach rechts unten zur Leber, weiter nach unten zum Beckenboden (etwa 2 Finger breit darüber), durch die Körpermitte nach oben bis unter den Scheitel und wieder durch die Körpermitte zurück nach unten in den Unteren Dantien. (Der Untere Dantien ist das Energiezentrum im Unterbauch, 3 bis 4 Finger breit unterhalb des Nabels im Bauchraum gelegen.) Dort endet der Weg der Übung.
Die Übung verläuft also von der Körpermitte aus über die linke Körperseite nach oben, über die rechte Seite nach unten, danach durch einen mittleren Kanal hinauf und wieder hinunter.
Diese Bewegungsrichtung orientiert sich am Lauf der Sonne. Da nach der traditionellen chinesischen Medizin die Orientierung nach den Himmelsrichtungen nicht vom Norden, sondern vom Süden ausgeht, befindet sich der Osten auf der linken Körperseite, der Süden oben, der Westen rechts und der Norden unten.
3. Das Mantram: Om Mani Padme Hum
Dieses bekannte Mantram aus dem buddhistischen Kulturkreis kann bei der Übung hinzugenommen werden. Mantren sind heilige Klänge von universeller Bedeutung. Der Klang ist „die Stimme der Stille“, so K. Parvathi Kumar in „Wege zum Heilen“ (Visakhapatnam, 1995). Zunächst leise gesprochen, schließlich lautlos, breiten die Klänge ihre Schwingung im Körper aus. Die Stille wird mit jedem Durchgang der Übung tiefer.
Nun der gesamte Verlauf der Übung:
In den „Qi Gong Zustand“ gehen, die Aufmerksamkeit gleitet ganz sachte hinter den Nabel, Om erklingt dreimal. Nach links zu Milz und Bauchspeicheldrüse mit dem Klang Ma, hinauf in den Kopf mit dem Klang Ni, zur Leber mit dem Klang Pa, zum Beckenboden mit dem Klang Me, durch die Körpermitte nach oben bis unter den Scheitel und wieder zurück bis zum Unteren Dantien mit dem Klang Hum. Der Beckenbodens steht hier für den Urogenitalbereich, also auch für die Nieren.
108 Durchgänge pro Tag werden empfohlen oder auch dreimal 108 Durchgänge täglich.
Die Wirkung der Übung
Zhi Chang Li fasste die Wirkung dieser Übung mit folgenden Worten zusammen, die hier sinngemäß wiedergegeben werden:
Die Übung zeigt einen Weg auf, den Weg des Vervollkommnens. Dabei ist es das Ziel, Leere, Klarheit und Weite zu erreichen. Mit der Klarheit des Herzens wird es möglich, eigene Probleme genauer zu erkennen, zu durchleuchten und die Toleranz zu steigern. Mit Hilfe des Mantrams kommen wir an die Lebenskraft des Universums heran. Das Universum hat uns unser Schicksal gegeben, irgendwann geben wir es wieder an das Universum zurück. Aber zuvor wollen wir den Weg des Vervollkommnens gehen.
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