Wie funktioniert Forschung?
Wie kommt die Wissenschaft, vor allem die Naturwissenschaft, zu ihren Ergebnissen? Die Antwort, die normalerweise aus der Philosophie kommend darauf gegeben wird, stammt aus einem Standardwerk des Philosophen Karl Popper aus dem Jahre 1934 mit dem Titel: „Logik der Forschung“.
Popper sagt, dass die Wissenschaft mit einer Hypothese anfängt. Zum Beispiel haben Sie die Vermutung, dass Stoffe sich ausdehnen, wenn diese erwärmt werden. Im Anschluss wird diese Vermutung in einem Experiment geprüft. Karl Popper sagt nun:
„Eine Hypothese ist nur dann eine wissenschaftliche Hypothese, wenn sie sich in einem Experiment überprüfen lässt.“
Wenn Sie also eine allgemeine Aussage über den Menschen machen, ohne in einem Experiment Beweise liefern zu können, dann ist diese Aussage nach heutiger wissenschaftlicher Auffassung völlig irrelevant. Nehmen Sie dagegen ein Stück Metall und erhitzen es, dann können Sie die Ausdehnung des Metalls messen und Ihre Hypothese verifizieren. Was ist aber, wenn ich statt des Metalls Kunststoff nehme und diesen erhitze? Dann kommt es zum Schrumpfen des Kunststoffs.
Und das ist der entscheidende Schritt bei Popper. Er behauptet, Forschung kommt dann voran, wenn Sie ein Experiment oder eine Beobachtung machen, welches Ihrer Hypothese widerspricht. In diesem Fall spricht er von Falsifizierung dieser Beobachtung. Genau dieser Vorgang führt zwangsläufig zur Veränderung der Hypothese. Somit sind Sie nun gezwungen, aber auch berechtigt, eine neue Hypothese aufzustellen.
An dieser Stelle fangen Sie wiederum von vorne an, denn jetzt haben Sie eine neue Hypothese, die im Experiment verifiziert oder falsifiziert werden muss. Wenn Sie sie dann verifiziert haben, dann ist das zwar ganz nett, Popper meint aber, erst wenn Sie sie erneut falsifiziert haben, dann können Sie sagen: „Aha, jetzt kann ich weiter fortschreiten.“
Und genau das nennt dann Popper die Logik der Forschung. Tatsächlich ist es so, wenn ein durchschnittlicher Professor an einer durchschnittlichen Universität dazu befragt wird, wie Wissenschaft funktioniert, dann wird er eine ähnliche Aussage machen, wie von Karl Popper geschehen.
Karl Popper wollte auf zwei Dinge verweisen, zunächst einmal auf die Aussage, dass die Wissenschaft Experimente benötigt, ohne die nicht von einer wissenschaftlichen Arbeit gesprochen werden kann. Zum anderen, dass eine Hypothese nur dann zur wissenschaftlichen Sphäre gehört, wenn sich diese im Experiment prüfen lässt.
Ebenso fordert er von einem Wissenschaftler Bescheidenheit, da dieser niemals endgültig etwas wissen kann, sondern sein Wissen immer hypothetisch bleibt, da er nie weiß, ob es noch eine Beobachtung gibt, die eventuell seine Hypothese falsifiziert und damit widerlegt.
Zum Beispiel können Sie behaupten, dass es nur rote Füchse gibt, aber nur so lange, bis im Polargebiet weiße Füchse gesichtet werden.
Die Grundidee von Popper ist also, dass die Wissenschaft nur durch Falsifizierung vorankommt, dabei aber immer im hypothetischen Wissen gefangen bleibt, was eher zu einer Bescheidenheit unter den Wissenschaftlern beitragen sollte, im Gegensatz zur allgegenwärtigen Arroganz mancher Universitätsangestellten. Wenn man sich ein paar einfache Fragen stellt, wird deutlich, auf welchem Irrweg sich diese wissenschaftliche Logik derzeit befindet. Die erste Frage ist, ob es überhaupt eine nichttriviale Hypothese gibt, die Sie in einem Experiment prüfen können. Natürlich können Sie die Hypothese prüfen, ob Füchse rot sind, aber ich bin mir nicht so sicher, ob das eine wissenschaftliche Hypothese ist.
Die Sache ist viel schwieriger, wenn Sie tatsächlich kompliziertere Aussagen treffen, selbst wenn sie noch so einfach klingen – zum Beispiel die Aussage: „Bakterien haben Gene.“ Wie wollen Sie das in einem Versuch widerlegen, in einem Versuch? Oder, wie wollen Sie den Satz „Gene sorgen für Aggression im Menschen“ widerlegen? Wie wollen Sie diese Aussage in einem Experiment wirklich überprüfen? Ich glaube, dass hinter diesen Prozessen kompliziertere Mechanismen stecken als nur das Überleben des Stärkeren und die daraus resultierende Selektion nach Darwin. Ich glaube auch nicht, dass allein die Genetik und die Prägung eines Menschen im Laufe seines Lebens ihn zu dem machen, was er ist.
Eine andere Tatsache ist aus der Wissenschaftsgeschichte bekannt, bei der, wenn Hypothese und Experimentalergebnis voneinander abweichen, nicht etwa die Hypothese, sondern das Experiment so lange geändert wird, bis die Hypothese zum Experiment passt.
Es besteht ja immer eine Möglichkeit, durch falsche Messergebnisse eine Falsifizierung zu erreichen.
Es gibt dafür zahlreiche Beispiele: Albert Einstein arbeitete im Jahre 1905 Hypothesen aus, wie eine bestimmte Bewegung, die man unter einem Mikroskop beobachten kann, hergeleitet werden kann. Diese Bewegung nennt man heute Brownsche Bewegung. Einstein erklärt diese Brownsche Molekularbewegung durch Stoßen von kleinen Teilchen auf große Teilchen. Das Ganze ergibt dann einen komplizierten Diffusionsprozess, der im Experiment geprüft werden kann.
Ein französisches Laboratorium unter der Leitung des späteren Nobelpreisträgers Jean Péron überprüfte Einsteins Hypothese und stellte dessen Unrichtigkeit fest. Péron schreibt daraufhin an Einstein:
„Lieber Herr Einstein. Wir haben Ihre Theorie überprüft. Sie kann nicht zutreffen. Bitte ändern Sie Ihre Hypothese.“
Einstein ist zu diesem Zeitpunkt ein junger unbekannter Angestellter eines Patentamtes und noch keineswegs berühmt, als er antwortete:
„Lieber Herr Péron. Ich habe mir Ihr Experiment genau angeschaut und meine Theorie auch noch mal. Ich bin ganz sicher, dass meine Theorie richtig ist. Ich bin einfach so zufrieden mit dieser Theorie. Sie macht mich so glücklich, dass sie stimmen muss. Könnte es nicht sein, dass Ihr Messapparat versagt hat?“
Tatsächlich gibt Péron eine Woche später zu, die Messapparatur war nicht richtig kalibriert und er nimmt alles zurück. Einsteins These war also richtig. Im Popperschen Sinne hätte man die Theorie aufgeben und neu formulieren müssen.
Ein anderes Beispiel ist der berühmte amerikanische Nobelpreisträger und Physiker Milligan. Er möchte den Nachweis erbringen, dass es so etwas wie eine Elementarladung gibt. Darum misst er Öl-Tröpfchen, die eine Ladung haben, zwischen zwei Kondensatorplatten, indem er sie in die Schwebe bringt.
Seine Idee ist folgende: Wenn es eine Elementarladung gibt, dann muss diese Stück für Stück an einem Öl-Tröpfchen ankommen. Dieser Prozess darf nicht kontinuierlich stattfinden, sondern sprunghaft, so wie eine Übertragung durch Quanten postuliert wird.
Dieser Versuch ist auch heute noch Bestandteil eines Praktikums bei Physikstudenten. Das Ergebnis dieses Experiments steht immer im Gegensatz zur Hypothese, da die gemessenen Werte abweichen. Die Experimentatoren bekommen immer halbe oder dreiviertel Werte, nie aber die komplette Elementarladung heraus.
Jetzt weiß man auch warum, da die Labortagebücher von Milligan öffentlich zugänglich geworden sind. Es stellte sich heraus, dass Milligan nur die Ergebnisse publizierte, die seiner Hypothese entsprachen. Abweichende Ergebnisse wurden von ihm einfach gestrichen.
Diese Experimente sind in ihrer Durchführung äußerst schwierig und vor allem empfindlich. Ein kleiner Stromabfall, ein Husten im Nachbarraum oder eine kleine Temperaturdifferenz reichen schon, um ein derartiges Experiment zum Scheitern zu bringen. Milligan war felsenfest von seiner Hypothese überzeugt.
Im Grunde genommen brauchte er eigentlich diese Experimente nicht. Seine Hypothese kam nicht aus Logik oder Erfahrung, sie kam aus der Tiefe seines Unterbewusstseins. Aus dem Grund hat er sich gesagt, ich ändere so lange die experimentelle Situation, bis die Hypothese durch die Versuche bestätigt wird. Mit Logikerforschung hat das Beschriebene nichts zu tun.
Die nächste spannende Frage ist, wie komme ich bei einer falsifizierten Hypothese zu einer neuen Hypothese? Wer sagt mir, wo die neue Hypothese herkommt? Ist diese neue Hypothese aus dem Labortagebuch oder aus dem Experiment abzuleiten?
Man kann das verneinen, denn ich brauche ja eine neue Hypothese. Ich brauche sozusagen einen neuen Einfall. Wenn es aber um einen Einfall geht, dann hat man das Gefühl, als steht jemand über einem, der mir etwas eintrichtert, was mir dann einfällt. Selbst wenn ich eine praktische Messung habe – wie komme ich von den erarbeiteten Zahlenwerten zu einer neuen Theorie, die in Begriffen und anschaulichen Bildern entwickelt werden muss? Das bleibt an dieser Stelle offen.
Einen Hinweis gibt kein Geringerer als Albert Einstein. Er schrieb, dass physikalische Theorien, also auch Hypothesen, freie Erfindungen des menschlichen Geistes sind.
Daraus leitet sich die Frage ab, woher diese freien Erfindungen kommen und ob es die vielleicht schon immer irgendwo abgespeichert gegeben hat und sie nur abgerufen werden brauchen.
Im 18. Jahrhundert haben viele Forscher behauptet, dass sie Experimente nicht benötigen, um zu wissen, dass eine Theorie richtig ist. Es hat immer Wissenschaftler gegeben, die sich bei einer bestimmten Idee sicher gefühlt haben, die wussten, dass sie stimmt. Natürlich haben dann die meisten experimentiert, um eine Bestätigung zu finden, aber im Grunde genommen haben sie das eigentlich nicht benötigt, um Gewissheit zu erlangen.
In der Bibel steht dagegen in den Sprüchen des Predigers Salomo: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“ Und gemeint ist damit, es ist alles an Wissen bereits vorhanden und muss nur abgerufen werden.
Die meisten heutigen Wissenschaftler haben das nicht erkannt, denn diese Gedanken entsprechen nicht dem wissenschaftlichen Kodex. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es eine Entwicklung in Europa, die gern als „die Geburt der modernen Wissenschaft“ bezeichnet wird. Zwischen 1600 und 1620, also vor 400 Jahren, entsteht diese Idee der neuen Wissenschaft.
Der entscheidende Schritt in die falsche Richtung:
Der Engländer Francis Bacon schreibt sein Buch „Novum Organum“ – das neue Werk. Darin formuliert er 1596 den bekannten Spruch: „Wissen ist Macht.“ Bacon formuliert, dass wir uns die Natur aneignen, dass wir die Natur kennen lernen und sie für den Menschen ausnutzen müssen. Um das zu tun, muss die Natur etwas sein, zu dem ich nicht mehr selbst gehöre: Ich trete als Mensch sozusagen aus der Natur heraus und bin Beobachter oder auch Experimentator. Ich trete der Natur somit gegenüber. Die Natur wird wörtlich zu meinem Gegenstand, lateinisch ausgedrückt: zu meinem Objekt.
Die Natur wird also zum Objekt und aus dieser Idee ist die Kenntnis, ist die Vorstellung einer objektiven Kenntnis entstanden. Eine objektive Kenntnis liegt dann vor, wenn bei der Beschreibung dieser Kenntnis das Subjekt selbst keine Rolle spielt. Also ist die objektive Kenntnis das höchste Ziel der Wissenschaft.
Wenn ich dann objektive Erkenntnisse über die Natur erlangt habe, dann kann der Beobachter diese Kenntnisse ausnutzen, um die Natur zu lenken. Zwar lerne ich bei diesem Erkenntnisprozess die Naturgesetze kennen und nutze diese teilweise auch aus, dennoch muss ich mich letzten Endes diesen Naturgesetzen unterwerfen.
Denn ich bin ja auch aus der Natur entstanden und kann nicht gegen meine eigenen Naturgesetze handeln.
Ich kann lediglich mit Hilfe der Naturgesetze zu meinem Wohlsein operieren. In Endkonsequenz muss ich die Naturgesetze kennen lernen, um mich ihnen zu unterwerfen. Genau das wollen philosophisch viele Wissenschaftler nicht akzeptieren und kämpfen gegen Naturgesetze an.
Als Beispiel sollen hier nur die Flussbegradigungen genannt werden, die viele Naturkatastrophen beschleunigen, statt durch ein natürliches Flussbett mit seinen meander-förmigen Kurven diese zu entschärfen. Derjenige, der sich Naturgesetzen unterwirft, wird zum Subjekt. Bacon unterscheidet also die Welt als Gegenstand, also als Objekt und den Wissenschaftler, der ihr als Subjekt gegenübertritt.
Das ist eine ganz entscheidende Trennung, die damals vollzogen wurde und bis heute durchgehalten wird. Wir sind heute stolz darauf, vom objektiven Wissen zu sprechen. Der aus Württemberg stammende Johannes Kepler schreibt in dieser Zeit sein Buch „Astronomia Nova“ – Die neue Astronomie.
Zur gleichen Zeit arbeitet auch Galileo Galilei an seinem neuen wissenschaftlichen System. Galilei ist der Meinung, dass er weiß, in welcher Sprache das Buch der Natur geschrieben ist. Es ist die Sprache der Mathematik. Wer also die Mathematik kennt, sollte also auch in der Lage sein, im Buch der Natur zu lesen. Aus diesem Grund schlägt er vor, dass man diese Naturgesetze ergründet. Kepler gelingt dieses Vorhaben tatsächlich. Galilei gelingt es dagegen leider nicht. Galilei ist aber ein anderer Fortschritt zu verdanken, er schreibt zum ersten Mal von Gedankenexperimenten.
… wird fortgesetzt
Entnommen aus Heft VIII/12, Paracelsus Health & Healing, Oktober 2011
Kontakt
Prof. E.H. Iwailo Schmidt BGU
Healing Practitioner and Lecturer for Naturopathy
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01217 Dresden
Tel.+49(0)3514-71 75 68
info@naturheilpraxis-i-schmidt.de
www.naturheilpraxis-i-schmidt.de
Literatur
Iwailo Schmidt, The Subtle Naturopathy (Die feinstoffliche Naturheilkunde), Private Publishing House, Dresden 2007
Iwailo Schmidt, Textbook of Bio-Energetics (Lehrbuch der Bioenergetik), Private Publishing House, Dresden 2006
Iwailo Schmidt, Textbook of Ideational Realization (Lehrbuch der Bewusstwerdung), Private Publishing House, Dresden 2007
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