Eine Geschichte aus dem Bhagavatam
Der Weisheitslehrer Dr. K. Parvathi Kumar hat in Indien einige Monate lang Vorträge über das „Srimad Bhagavatam“ gehalten und seine Schüler in die Weisheit der Bhagavata-Schrift eingeführt. Da in den heiligen Schriften Weisheit in Form von Mythen, Legenden oder Geschichten erzählt wird, benötigt es Erfahrung mit speziellen Schlüsseln, um die Weisheit Schülern zugänglich zu machen.
Es gibt im Bhagavatam eine Geschichte über Priyavrata. Ihm wurde die Verantwortung übertragen, die Menschen zu unterrichten, wie sie die Schöpfung angenehm erfahren und erleben können. Priyavrata veranschaulichte mit seinem eigenen Leben seine Lehre. Lehren durch Beispiel ist immer die beste Methode. Priyavrata hatte das entsprechende Wissen und konnte es praktisch weitergeben.
Priyavrata heiratete Barhishmati, die Tochter von Vishwakarma. Sie hatten zuerst zehn Söhne und bekamen später noch eine Tochter. Alle Söhne waren sehr tugendhaft und hatten gute Eigenschaften und Fähigkeiten. Drei seiner zehn Söhne hatten kein Interesse an der Fortpflanzung. Sie wurden Agnishvaktas genannt. Agnishvakta bedeutet „der Eine, in dem das Fortpflanzungsfeuer ausgelöscht ist“. Sie hatten eine andere Aufgabe in der Schöpfung.
Vishwakarma ist das Prinzip, das über das all-durchdringende Prana in dieser Schöpfung herrscht. Von Vishwakarma wird gesagt, dass er der große Architekt des Universums ist, weil Prana die Grundlage für die ganze Schöpfung ist. Prana wird für das innewohnende Leben benötigt, um sich mit der äußeren Form zu verbinden. Die Geschichte, dass Priyavrata die Tochter von Vishwakarma heiratet, symbolisiert den Herabstieg des Wesens in eine menschliche Form, wobei eine Verbindung mit der Hilfe von Prana hergestellt wird. Prana ist für die Menschen erforderlich, um auf diesem Planeten Erde auf der physischen Ebene mit einem physischen Körper zu leben. Auf anderen Planeten und Ebenen ist Prana ebenso verfügbar, aber es ist ein anderes Prana. Wenn wir Zugang zu feinstofflichem Prana höherer Ebenen erreichen, dann können wir uns auch mit jenen Ebenen verbinden und diese erfahren. Ansonsten sind wir nicht in der Lage, ihre Existenz überhaupt wahrzunehmen. Genauso können wir einen anderen Planeten nicht ohne entsprechende Raumanzüge betreten, weil jenes Prana nur für die Formen und Wesen geeignet ist, die auf dem anderen Planeten existieren.
Das Prana innerhalb der Form erfüllt eine große Aufgabe. Es hält z. B. die Hitze im Körper aufrecht und stellt eine gute Gesundheit sicher. Aus diesem Grund sind tägliche Atemübungen wichtig, um eine gute Gesundheit zu erhalten. Prana hilft uns auch, bei unseren täglichen Tätigkeiten aktiv zu bleiben. Mit der Hilfe von Prana können wir uns auf andere Ebene begeben und für die Fortpflanzung ist ein starkes Prana wichtig. (Ein schwaches Prana ist einer der Gründe für Unfruchtbarkeit).
Die Tochter von Vishwakarma und Ehefrau von Priyavrata erhielt den Namen Barhishmati. Barhish bezieht sich sowohl auf die Sonnenstrahlen als auch auf trockenes Gras (Darbha). Die Sonnenstrahlen verbreiten Prana und Bewusstsein, und das Feuer, das in uns durch die Einatmung entfacht wird, wird Barhishmati genannt.
Ihre zehn Söhne repräsentieren die zehn Feuer. Neben unserer Nahrung nehmen wir über die zehn Sinne und Sinnesorgane viele unterschiedliche Dinge auf. Alles was wir sehen, hören, riechen, schmecken und berühren, nehmen wir in uns auf. Die zehn Söhne von Priyavrata und Barhishmati herrschen über die Transformation von allem, was wir über die zehn Sinne aufnehmen. Sie wandeln es in Energie für die Intelligenzen um, die in uns wirken. Nicht nur das Essen, sondern alles, was wir mit unseren Sinnen aufnehmen, nährt uns. Um alles zu verdauen, sind die Atmung und das Feuer, das durch die Atmung geschürt wird, sehr wichtig. Eine schwache Atmung kann den Körper schlecht mit Nährstoffen versorgen, selbst wenn das Essen gesund ist. Alles, was wir aufnehmen, wandeln die zehn Söhne in eine passende Energieform für die Intelligenzen in uns um.
Um die Energie im Körper jedoch richtig zu verteilen, ist die Tochter von Priyavrata und Barhishmati zuständig. Ihr Name ist Urjaswati. Urjaswati bedeutet die Stärke, um das Essen zu empfangen und zu verdauen. Sie ist besonders stark aktiv in der Altersgruppe der 10 bis 50-Jährigen, weil man in diesen Jahren am meisten isst. Danach lässt die Stärke allmählich nach und man isst und verdaut weniger. Wenn das Essen gereicht wird und das Wasser läuft einem im Mund zusammen, dann ist das ein Zeichen, dass Urjaswati sehr aktiv ist. Einige Menschen können gewaltige Mengen an Nahrung zu sich nehmen und verdauen, weil Urjaswati in ihnen gute Arbeit leistet. Aber das bezieht sich nicht nur auf das Essen, sondern auch auf andere Dinge, die wir über unsere Sinne und unseren Verstand aufnehmen. Ist man fortwährend an vielen Dingen interessiert, dann arbeitet man gut mit Urjaswati zusammen.
Wir sollten daran denken, dass wir nicht für uns selbst essen. Wir essen für all die Kräfte und Intelligenzen, die in uns wirken. Auf diese Weise sollten wir die in uns wirkenden Prinzipien verstehen. Es wird uns geraten, uns selbst als Priyavrata zu sehen und das Wirken seiner Kinder als Intelligenzen in uns zu verstehen.
Wenn man das Bhagavatam studiert und versteht, dass sich alles auf den Menschen bezieht, dann enthüllt sich uns die Weisheit aller Intelligenzen, die in uns tätig sind.
Obwohl die Geschichte als Beginn der Schöpfung erzählt wird, geschieht sie täglich in uns. Wir sollten das Bhagavatam studieren, indem wir das Gesetz der Entsprechungen anwenden und die ganze Schöpfung in uns selbst visualisieren. Auf diese Weise hilft sie uns, aus unseren alltäglichen Gedanken und Emotionen herauszukommen. Wenn wir in der Lage sind, die Großartigkeit unserer menschlichen Form zu begreifen, ihre Ebenen, den Innewohnenden dieser physischen Form werden wir erkennen, dass wir nicht wirklich die Person sind, die wir sehen.
Wir Menschen lesen Geschichten, als handelten sie von äußerem Geschehen. Sie auf uns selbst zu beziehen, ist ein Prozess unserer Bewusstseinserweiterung. Der Sinn der Geschichte erschließt sich durch das Studium der Entsprechungen, das „Nyasa Vidya“ heißt. Es bezeichnet die Wissenschaft der Beziehungen zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos. Es gibt so vieles in der menschlichen Form zu erfahren, das den meisten Menschen verborgen bleibt. Wenn ein neues Restaurant in der Stadt eröffnet wird, möchten viele dorthin gehen und es kennenlernen. Was hindert uns daran, alle Ebenen dieser Schöpfung, die uns in dieser menschlichen Form zugänglich sind, zu besuchen und zu erfahren? Genau das möchte uns die Geschichte von Priyavrata lehren. Wir sollten lernen, glücklich unser Leben zu leben und alle Ebenen der Schöpfung erfahren.
Die Bedeutung der zehn Söhne von Priyavrata
Es heißt, dass die zehn feurigen Söhne von Priyavrata ihrem Vater ebenbürtig sind an Stärke, Tugend und Wissen. Symbolisch bedeutet es, dass sie keine getrennten Formen haben. Nur Priyavrata hat eine Form, während die Söhne in der gleichen Form existieren. Diese zehn Söhne herrschen über verschiedene Aspekte in uns.
Agnidhrudu, der erste Sohn
Der erste Sohn wird Agnidhrudu genannt. Das bedeutet, dass er sehr feurig ist und über die Sprache herrscht. Wird die Sprache richtig genutzt, dann entwickeln wir ein leuchtendes Feuer in uns.
Sprache kann auf sehr wirkungsvolle Weise genutzt werden. Meist wird die Sprache missbraucht. Die negativen Auswirkungen einer Sprache, die manipuliert, kritisiert und verurteilt, sind den Menschen kaum bewusst. Nur wahrhaftiges Sprechen, Worte der Weisheit und Liebe, mitfühlende, heilende und freundliche Worte wirken sich positiv auf uns selbst und andere aus.
Idvajihva, der zweite Sohn
Der zweite Sohn heißt Idvajihva. Er hat seinen Sitz auf unserer Zunge und herrscht über den Geschmack. Diese Intelligenz bestimmt, wie gut unser Geschmack ist. Es ist nicht nur wichtig, gesund zu essen, sondern auch geschmackvolles Essen zuzubereiten, damit wir diese Intelligenz in uns erfreuen. Es gibt sechs verschiedene Geschmacksrichtungen, die mit den sechs Chakras in uns korrespondieren. Deshalb wird uns geraten, diese sechs Geschmacksrichtungen sehr ausgewogen zu uns zu nehmen. Wenn das Essen zu salzig, zu süß oder zu bitter ist, dann mögen wir es nicht essen. Bitteres Essen vermeiden wir eigentlich, und doch sollten wir es von Zeit zu Zeit zu uns nehmen. Für das Gleichgewicht im Körper ist es wichtig. Jeder Mensch kann durch einen guten Geschmack zufrieden gestellt werden. Wird bei einem Ereignis geschmackvolles Essen gereicht, so hat diese Intelligenz Freude daran.
Das Thema Geschmack sollten wir ernsthaft beachten. Gegenüber allen Aspekten des Lebens sollten wir einen guten Geschmack entwickeln. Man sollte für alles, sei es Essen, Kleidung, Haus, Wohnung usw. einen guten Geschmack haben. Keinen guten Geschmack zu haben in all diesen Dingen bedeutet, dass viele Lebensaspekte vernachlässigt werden.
Yagnabahu, der dritte Sohn
Yagnabahu, der dritte Sohn, wirkt durch unsere Hände. Die Hände sollten nur für Tätigkeiten guten Willens benutzt werden. Wer dies tut, kann durch Berührung und Dienst heilen. Wichtig ist auch, was man mit seinen Händen empfängt. Unrechtmäßiges und Verbotenes sollte man nicht annehmen. Man sollte auch nicht alles gedankenlos berühren. Die Hände sollte man immer sauber halten und nur für etwas benutzen, das entweder für andere nützlich ist oder wenigstens für einen selbst. Dinge zu tun, die niemandem Nutzen bringen oder andere verletzen, sollte man unterlassen. Die Hände sollten mehr benutzt werden, um zu geben als zu empfangen.
Mahavira, der vierte Sohn
Mahavira bedeutet, dass er über das Denkvermögen herrscht und damit alles gewinnen kann. Mit dem Verstand kann man viele Hürden erfolgreich meistern. Der Verstand sollte zur Rechtschaffenheit und Wahrhaftigkeit ausgebildet werden.
Hiranyaretas, der fünfte Sohn
Hiranyaretas herrscht über unsere Fortpflanzungstätigkeit. Unsere Stärke, Klarheit, Lebenskraft und unser innerer Glanz hängen davon ab. Die Kraft zur Fortpflanzung ist sowohl für Frauen als auch für Männer wichtig. Hiranyaretas hat außerdem die Eignung, Intelligenz und geistiges Wachstum zu fördern. Mit nahrhaftem Essen und einer gesunden Lebensführung können wir Hiranyaretas erfreuen. Wird dies alles vernachlässigt, kann es zur Unfruchtbarkeit führen.
Ghrutapushta, der sechste Sohn
Ghrutapushta herrscht über den Erhalt der erforderlichen Fettmenge im Körper durch das Essen. Ghee (geklärte Butter) und Öle in der richtigen Menge sind wichtig, um das Fett im Körper zu erhalten. Unzureichende Fettzufuhr kann Krankheiten hervorrufen. Wird dem Körper gutes Fett angemessen zugeführt, dient dies der Form und Schönheit des Körpers. Öl in ungekochter Form erhöht nicht den Cholesterinspiegel, sondern gekochtes und frittiertes Öl. Ersteres ist notwendig, während letzteres vermieden werden sollte. Auch sollte Fett sich an den richtigen Stellen unseres Körpers ansammeln. Bewegung und gymnastische Übungen, z.B. Yoga-Asanas sind daher wichtig, damit sich das Fett an den richtigen Stellen anreichern kann,
Savana, der siebte Sohn
Der 7. Sohn heißt Savana. Er arbeitet durch unsere Kehle. Nicht alle Menschen haben ihre Kehle für die Sprache gut ausgebildet. Die Kehle sollte so entwickelt werden, dass unser Sprechen wohltuend und anziehend auf andere wirkt. Zum Beispiel reinigen Mantren und spirituelle Gesänge unser Kehlzentrum. Manche Menschen können bestimmte Laute nicht richtig aussprechen, weil ihre Stimme in der Kindheit nicht entsprechend ausgebildet wurde. Es zeigt, dass das Feuer von Savana nicht aktiv in ihnen wirkt. Eine richtige Anordnung der Zähne im Kiefer ist auch für das Singen von Mantren und spirituellen Gesängen wichtig. Alle Silben müssen richtig ausgesprochen oder intoniert werden. Wenn wir den Text zwar lesen, aber nicht korrekt aussprechen können, geht der Zweck des Gesangs verloren.
Medhatidhi, der achte Sohn
Medhatidhi herrscht über die Intelligenz, die wir uns aufgrund der Erfahrungen unserer vergangenen Leben erworben haben. Jeder Mensch wird mit einem anderen Level an Bewusstsein, Erfahrung und Intelligenz geboren. Nicht alle Neugeborenen haben den gleichen Stand an Bewusstsein und Intelligenz. Daher macht es keinen Sinn, sich mit anderen zu vergleichen. Wenn jemand viele Leben erfahren hat, hat er auch mehr Intelligenz erworben als wir. Deshalb sollten wir daran denken, dass alles Bewusstsein und alle Intelligenz, die wir erworben haben, dazu da ist, anderen Menschen zu helfen. Je mehr wir uns dessen bewusst sind, desto besser können wir diese Eigenschaften für unsere Mitmenschen einsetzen. Die Arbeit, die durch uns geschehen soll, wird uns durch das Leben vermittelt, Wir brauchen nur darauf zu antworten. Wir sollten weiterhin wissbegierig und aufmerksam bleiben, weil uns Führung durch innere Erkenntnis, äußere Ereignisse oder auch in Gestalt von Lehrern begegnen kann. Auf allen Ebenen gibt es Belehrung, sofern wir darauf vorbereitet sind.
Unsere Intelligenz sollte keine Last für uns sein, wenn sie nicht gebraucht wird. Wenn das Feuer von Medhatidhi aktiv ist, wird unsere Intelligenz nur dann von Nutzen sein, wenn sie gebraucht wird.
Vitihotra, der neunte Sohn
Vitihotra schenkt uns seine Gegenwart in Form von Hunger. Wenn sein Feuer in uns nicht aktiv ist, haben wir kein Hungergefühl. Hat jemand kein Interesse am Essen und widmet ihm keine Aufmerksamkeit, ist dies ein Zeichen, dass in dieser Person vielleicht das Feuer ausgelöscht ist. Das Essen sollte in guter Absicht, mit Hingabe und Interesse gekocht werden, es sollte sauber sein, und es sollte in einer reinen Umgebung eingenommen werden. Bevor man isst, sollte man dem Göttlichen in allem danken.
Wenn grundlegende Essensregeln beachtet werden, wird das Feuer von Vitihotra aktiv sein, und man sollte ihm Respekt zollen, wann immer man hungrig ist.
Kavi, der zehnte Sohn
Kavi ist das Feuer, durch das die Nachkommen in den Samen des Vaters und dann in den Mutterleib herabkommen. In den meisten Fällen ist es einer unserer Vorfahren, die aus gewohnten, familiären Gründen in der gleichen Familie geboren werden. Durch die Zeugung von Nachkommen begleichen wir eine Schuld an unsre Vorfahren, die uns die Verkörperung ermöglicht haben. Kavi ist das Feuer, das sicherstellt, dass Lebewesen immer wieder Formen erhalten.
Kavi ist auch das Feuer, das darüber herrscht, dass Wissen an die nächsten Generationen weitergegeben wird. Nützliches Wissen sollte weitervermittelt werden, so dass es auch nützlich für andere ist.
Wir sollten erkennen, dass diese Feuer in uns für unterschiedliche Zwecke gegenwärtig sind. Wir sollten sie nutzbar machen und dafür sorgen, dass sie uns nicht verlassen. Selbst wenn ihre Arbeit in uns nachlässt, können wir sie erneut in uns einladen und aktivieren.
Der Name und die Symbolik dieser Intelligenzen werden zu unserem Verständnis grundlegender Gesundheitsfunktionen und zum Wachhalten der Erinnerung beitragen.
Zusammengestellt von Doris Zwirner
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