Geteilte Verantwortung
Patienten leiden, wenn sie in Absonderung, Isolation und Einsamkeit geraten. Für die Patienten ist es wichtig zu wissen, dass viele Menschen an ähnlichen Krankheiten leiden wie sie und dass sie nicht allein sind. Seltsamerweise macht es die menschliche Psyche zufrieden, wenn sie weiß, dass sie Mitleidende hat. In harten Zeiten sucht die menschliche Psyche nach Weggefährten, mehr noch als in Erfolgsmomenten. Wenn jemand genauso erfolgreich oder noch erfolgreicher ist als wir selbst, ist unsere Psyche nicht begeistert. Doch wenn wir hören, dass noch viele andere an einer ähnlichen Krankheit leiden wie wir, fühlen wir uns getröstet. Ein Arzt sollte Mittel und Wege finden, die Kranken zu trösten, indem er ihre Psyche in einem Normalzustand stabilisiert. Teilen und ein Empfinden für allgemeine Anteilnahme erhalten die Psyche im Gleichgewicht und darum sollte sich der Heiler bemühen.
Den Patienten sollte nahegelegt werden, dass sie in der Zeit ihrer Erkrankung die Qualität und den Rhythmus ihres Tagesablaufs überdenken sollten. Denn Krankheit bedeutet, dass die Natur eine Ruhepause verordnet, damit die Gesundheit wiederhergestellt wird. In diesen Ruhezeiten sollten die Patienten durch Rückschau erforschen, wie ihr Lebensrhythmus sowie ihre Gedanken, Worte und Handlungen beschaffen sind. Durch Nachdenken darüber können sie einen Entschluss für den richtigen Umgang mit der Krankheit fassen und einen guten Rhythmus aufbauen, indem sie bestimmte Tätigkeiten abstellen und eine höhere Qualität und einen besseren Rhythmus einführen. Sie können Hinweise für die Entwicklung einer Lebensweise finden, durch die sie die Krankheit lindern und sogar aus dem Körper entfernen können. Krankheit ist eine Zeit der ausgleichenden Wiedergutmachung und sollte in angemessener Weise zur Innenschau und Selbstbeobachtung genutzt werden. Aus der rückblickenden Betrachtung können sich neue positive Ansätze für das zukünftige Leben entwickeln. Oft führt dies zu einer raschen Ausrichtung auf Rechtschaffenheit und guten Willen.
Geht man forschend in sein Inneres, um die Seele zu suchen, dann fördert dies nicht nur die Entwicklung einer gesünderen Lebensweise, sondern ermöglicht auch die Bildung eines Kanals, um mit der Seele Verbindung aufzunehmen. Die tägliche Verbindung und das Gespräch mit der Seele bewirken, dass man lernt, sich selbst zu führen und zu organisieren. Der Begriff ‚Seele‘ mag vielleicht sehr philosophisch wirken, doch er kann zuerst als das eigene Gewissen erfahren werden. Die Menschen haben ein Selbst-Bewusstsein, das Bewusstsein des Selbst. Durch regelmäßige Innenschau können sie Selbst-Bewusstsein entwickeln. Wenn das Gewissen im Menschen geboren wird, kann er mit ihm Zwiesprache halten und Führung bekommen. Auf diese Weise entsteht wahre eigene Lenkung.
Den Patienten sollte mitgeteilt werden, dass Krankheiten nicht auf wundersame Weise und plötzlich verschwinden, sondern erst, wenn man Abhilfemaßnahmen anwendet. Ihnen sollte auch vermittelt werden, dass die Einnahme von Medikamenten keine Lösung für die Krankheit ist. Von der Krankheit zur Gesundheit gibt es einen speziellen festgelegten Weg, dem die Patienten folgen können, wenn sie bereit sind, die nötigen Veränderungen vorzunehmen. Den Willen, sich zum Besseren zu verändern, sollten die Patienten unbedingt entwickeln.
In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Apotheken und Arztpraxen sollte ein Beratungsraum eingerichtet werden, in dem die erforderlichen Anregungen für eine Selbstbetrachtung mit Selbstanalyse, Kontemplation und Meditation behutsam und ohne die Färbung oder den Anflug irgendeiner Glaubenslehre gegeben werden. Es sollte die Wissenschaft des Menschen vermittelt werden, die das Verstehen seiner inneren Konstitution und die Wissenschaft der inneren Ausrichtung umfasst. Dann setzt die Heilungstätigkeit zusätzliche Impulse für die Gesundung, bei der die Verantwortung für die Heilung zwischen dem Arzt und dem Patienten gleichermaßen aufgeteilt wird.
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