Die antike Vier – Elementen – Lehre und ihre Bedeutung in der Kräuterheilkunde
Luft
Luft ist der Vermittler zwischen Feuer und Wasser. Sie ist das Fluidum oder die Aura um die Dinge. Junius beschreibt sie als „Trägerin des Samens“. Die Luft ist die astrale Welt der Träume, der Prophetie, der Psychometrie. Für den Menschen ist es seine Fähigkeit zum Gefühlsausdruck oder die Erkenntnis durch Überwindung der Polarität von Sympathie und Antipathie. Die Fähigkeit zur Kompensation und Flexibilität je nach Lebensumständen. Rhythmische Funktionen wie Atmung- und Herzschlag, Schlaf-Wachrhythmus, Monatsblutung, Hormonsystem.
Bild 6: Hermes, der Götterbote, entspricht dem Element Luft. Tiepolo Giambattista, 18 Jhd.
Charakter: warm – feucht, gasförmig, aktiv.
Alchimie: Aktiver Merkur, Gärung, Destillation, Potenzierung.
Bewusstseinsform: Inspiration.
Temperament: Sanguinisch.
Organ: Niere, Blase, Nebennieren, venöser Kreislauf, Hormondrüsen, Nerven.
Säfte: Blut.
Geschmack: Scharf (auch Feuer), sauer, aromatisch, schweißig, schwefelig, senfig.
Geruch: Flüchtig, hell, fein, krautig, Kampfer- und Zitrusnote; Kopfnote in Parfüms.
Pflanzensignatur: Zarte Blüten (Sauerklee). Ausprägung von Blatt und Stengel (Merkur);Formung des Blattprinzips in das Fächrige und Gefiederte, Umformung zur Blüte mit Staubgefäßen. Windsamer (Ulme); rankende Pflanzen (Waldrebe), schnellwüchsig; feingliedriger schlanker Aufbau (Honigklee); Ausbildung eines hohlen Stengels (Schierling). Pflanzen mit bizarrer Blütenform (Akelei). Ausbildung von Alkaloiden, Cumarinen, Saponinen, ätherischen Ölen, Herzglykosiden, Senfölglykosiden (da sehr warm, auch etwas Feuer). Farbausbildung: Pastelltöne, Blautöne, Violett, Komplementärfarben, vielfarbig.
Wirkung: Erwärmend und anfeuchtend, Anregung geistiger Funktionen, aktivieren Stoffwechsel bei chronischen Leiden, keimtötend, resolvierend, häufig spasmolytisch.
Konstitution: Neurasthenisch, allergisch (Hyperergie), hypochondrisch; Tuberkulinismus.
Übermaß an Luft = Mangel an Erde: Überwiegen von Blut = Sanguinisches, extrovertiertes, nervöses Temperament; Hysterie, hektisch; neurotische Charakterstruktur, nervöse Tics. Hyperthyreose; klimakterische Schweiße (warm). Nervöse Symptomatik wie Herzrhythmusstörungen, Cor nervosum, Infarkttyp. Akute Schübe allergischer Erkrankungen wie Urticaria, Heuschnupfen, Asthma (auch etwas Wasser). Entzündliche Leiden mit Tendenz zur Schwellung wie Gicht (auch Feuer) oder Arthritis. Entzündungen mit Sekretaustritt (Wundeiterungen). Krampfleiden, besonders periodische (Epilepsie, Migräne, Dysmenorrhoe). Venenentzündung (Thrombose zeigt auch Erde). Entzündliche Nieren-Blasenleiden.
Erde
Die Erde ist aus dem Zusammenwirken von Feuer, Wasser und Luft entstanden. Sie ist der Behälter aller himmlischen Strahlen und Einflüsse.
Junius beschreibt sie als „Schatzhalterin aller Dinge“. Sie ist die sichtbare Manifestation der Idee/Feuer. Hier entsteht Raum, Maß, Gewicht und Zeit. Es ist das Prinzip der Erstarrung, des Verharrens, des Ruhens. Das Wesen der Erde ist weiblich und passiv. Für den Menschen ist es seine Existenz in einer körperlichen Form, der physische Leib der Anthroposophen. In der Gnosis ist es der luziferische Fall in die Materie (Feuer in Erde).
Bild 7: Fruchtbarkeitsgöttinnen wie Persephone verkörpern das weibliche Element Erde. Dante Gabriel Rossetti, 1877.
Charakter: Trocken – kalt, fest, passiv.
Alchimie: Sal, Aschezusatz in spagirischen Präparaten.
Bewusstseinsform: Intellekt.
Temperament: Melancholie.
Organ: Lunge, Knochen, Gelenke, Haut und Hautanhangsorgane.
Säfte: Schwarze Galle.
Geschmack: Süß, salzig, erdig, modrig, teils relativ geschmacklos oder penetranter Nachgeschmack.
Geruch: Terpentinhaft, balsamisch, harzig, Fixative in der Parfümerie.
Pflanzensignatur: Wurzelbildung. Die Speicherwurzelpflanzen sind mehr dem Wässrigen verwandt, bittere gelbe Wurzeln dem Feuer und aromatische Wurzeln der Luft. Trockene, wasserflüchtende Pflanzen (auch oft Feuer), Rinden (auch Feuer), kriechende Pflanzen; ausdauernde Pflanzen; Immergrüne (oft auch Feuer);erdgeschichtlich weit zurückreichend (z. B. Farne); Pflanzen, die ein hohes Alter erreichen. Flechten. Wenig Blütenbildung. Ausbildung von Gerbstoffen; Betonung der Kieselsäure und anderer Mineralien. Farbausbildung häufig unscheinbar, dunkle Farbtöne, Moosgrün, Grau, Dunkelviolett (auch Luft). Kohle- und Aschepräparate aus Pflanzen.
Wirkung: Kühlend und austrocknend, adstringierend, sedierend, wundheilend, blutstillend, teils antiallergisch und antibiotisch wirkend.
Konstitution: Psora, carbo-nitrogen, biliär, dyskratisch.
Übermaß an Erde = Mangel an Luft: Überwiegen der schwarzen Galle = melancholischer, introvertierter Typ; Neurasthenie.
Ausgemergelter, trockener Typ; verträgt keinerlei Reize; Vergreisung; senile Demenz. Sklerose (etwas Feuer), Multiple Sklerose; Neuralgien(auch etwas Wasser). Allgemein chronische, schleichende und progressive Leiden. Status nach Vergiftung durch Schwermetalle, Impfungen oder Chemotherapie. Allgemein trockene Hautleiden wie Psoriasis. Arthrose. Zirrhose. Immunschwächesyndrom. Status nach Entzündungen(Narben = Erde!). Jede Krankheit hat die Tendenz, im chronischen Verlauf in ein Übermaß an Erde überzugehen. Der Tod ist kalt und trocken.
Die Zuordnung von Pflanzen zu den Elementen
Die Zuordnung einer Pflanze zu einem Element soll zeigen, dass sich die Qualitäten dieses Elements besonders deutlich in der Pflanze verkörpern. Die Zuordnung erfolgt durch die Signaturen einer Pflanze (signum = Zeichen), meist nach ihrem Geschmack, aber auch nach anderen Kriterien wie Geruch, Farbe oder Form. Hierin liegt einerseits die Stärke des Systems, da sie den individuellen Charakter einer Pflanze betont und sie nicht verdinglicht, andererseits ist die Auswertung der Signaturen ausgesprochen subjektiv und von den Fähigkeiten des Anwenders abhängig. Es erfordert viel Erfahrung im Umgang mit Pflanzen – und zwar mit allen Sinnen -, damit die Zuordnung keiner bloßen Willkür unterliegt.
Grundsätzlich erfolgt eine Einteilung nach den vier Grundqualitäten der Elemente. Es versteht sich von selbst, dass eine Pflanze keine gegensätzlichen Eigenschaften haben kann; eine Pflanze kann nicht gleichzeitig trocken und feucht oder kalt und warm sein; dies gilt ebenso für Krankheiten.
Bild 8: Gelbe Farbe und bitterer Geschmack zeigen das feurige Wesen des gelben Enzians. Foto: Olaf Rippe.
Die graduelle Einteilung von Pflanzen
Um die Unterschiede bei gleicher Zuordnung verschiedener Pflanzen zu einem Element besser darzustellen, ist es seit den Zeiten Galens üblich, die Qualitäten in verschiedene Grade einzuteilen; in der Regel werden dazu drei Grade verwendet.
Beispiel: trocken im ersten Grad ist leicht zusammenziehend (z. B. Frauenmantel), im zweiten Grad ist dies stärker (z. B. Weißdorn) und im dritten Grad ist es besonders intensiv (z.B. Tormentill); die Wirkung beruht auf einem unterschiedlichen Gehalt an Gerbstoffen. Eine ausgewogene Verkörperung eines Elements finden wir bei ausgeglichener Zuordnung von zwei Qualitäten.
Beispiel: Galgant (Alpinia officinarum) ist im dritten Grad trocken und warm. In der Gewürzpflanze ist das Feuer also besonders ausgeprägt; die Wirkung ist stark erhitzend, tonisierend und austrocknend und eignet sich beispielsweise zur Behandlung von Hypotonie und chronischen Verdauungsleiden wie Mykosen (Überwiegen von Wasser).
Bild 9: Feuchter Standort, weiße und weiche Rinde, milder Geschmack und hoher Wassergehalt machen die Birke zu einer Pflanze des Elements Wasser.
Foto: Olaf Rippe.
Meist liegt aber eine unterschiedliche Gewichtung vor, ein Stoff ist zum Beispiel wärmer als trocken oder feuchter als warm. Dadurch ergeben sich Übergänge zum verwandten Element. Ein Beispiel ist das Immergrün (Vinca minor), das warm im ersten und trocken im zweiten Grad ist. Immergrün ist also wie Galgant feurig, allerdings wesentlich geringer. Die Betonung des Trockenen gegenüber der Wärme zeigt, dass Immergrün auch die Tendenz zum Erdhaften hat (Hauptzuordnung:Trocken). Da mit der Erde beispielsweise Altersleiden und Sklerose korrespondieren, erklärt sich die anregende Wirkung (Feuer) auf die Hirndurchblutung von Immergrün bei Cerebralsklerose (Erde).Weitere Signaturen für diese Indikationen sind: Dauerhaftes Grün (daher der Name) = chronische Prozesse, Altersleiden oder die blaue Frühjahrsblüte = Geist anregend. Tatsächlich hat man einen Wirkstoff (Vincamin) gefunden, der die Indikation bestätigt, allerdings kennt die Volksmedizin diese schon seit Jahrhunderten.
Die Elementenlehre hilft aber nicht nur bei der Klassifizierung einzelner Pflanzen und zeigt deren Wesensverwandtschaft zu anderen, sie ist auch hilfreich bei der Auswahl von Kräutern für Mischrezepte. Es ist zum Beispiel unsinnig, ein Rezept aus einem kalt-feuchten Mittel wie der Taubnessel und einem warm-trockenen Mittel wie der Berberitze zu bilden, da deren Wirkungen konträr sind. Ein weiteres Beispiel einer unsinnigen Rezeptur wäre die Kombination des schweißtreibenden Holunders (etwas warm und sehr feucht = Luft und etwas Wasser) mit dem schweißhemmenden Salbei (etwas warm und sehr trocken = Feuer und etwas Erde).
Sehr wohl lassen sich dagegen Rezepte aus Stoffen bilden, die Gemeinsamkeiten aufweisen. So lässt sich ein wenig warmes und mäßig trockenes Mittel wie die Bartflechte, mit relativ kalten und etwas trockenen Mitteln wie dem Schachtelhalm oder dem Lungenkraut zur Lungentherapie (Erde) kombinieren. Die Betonung des Rezepts liegt auf der Trockenheit und eignet sich gleichermaßen zur Behandlung feuchtkalter(z. B. Erkältung/Wasser) oder feucht-warmer Erkrankungen (z. B. Heuschnupfen/Luft).
Tabelle 1: Pflanzen mit Feuercharakter
Name | Qualität | Kommentar |
---|---|---|
Berberitze Berberis vulgaris | warm 3 trocken 3 | Wurzel; bitter, gelb, stachelig; Leber-Galle; Niere, Haut; chronisch und kalte Leiden; bei Entzündungen und Gallensteinen in Potenzen |
Brechnuss Strychnos nux vomica | warm 3 trocken 1 | Früchte; extrem bitter und tonisierend; rezeptfrei ab D4; als Homöopathikum bei Übermaß an Feuer (Umkehreffekt) |
Engelwurz, Erz- Angelica archangelica | warm 2 trocken 2 | Wurzel; etwas süß, scharf, bitter, Tonikum, chron. Verdauungsprobleme |
Enzian, Gelber, Gentiana lutea | warm 2 trocken 3 | Wurzel; bitter, austrocknend, zusammenziehend; Amarum |
Kamille, Echte Matricaria chamomilla | warm 1 trocken 3 | Blüten; bitter, zusammenziehend, krampflösend; entzündungswidrig (neigt zur Erde) |
Lebensbaum Thuja occidentalis | warm 2 trocken 2 | Triebspitzen; Immunstimulans |
Mahonie, Berberis aquifolium | warm 2 trocken 2 | Wurzel; bitter, zusammenziehend und trocknend; chronische Hautleiden |
Rosmarin Rosmarinus officinalis | warm 2 trocken 1 | Kraut; bitter, leicht scharf und würzig; Kreislaufstimulans |
Sonnenhut, Echinacea angustifolia, E. purpurea | warm 2 trocken 2 | Wurzel, leicht brennend; Immunstimulans |
Wermut Artemisia absinthium | warm 3 trocken 2 | Kraut, extrem bitter und anregend; gallentreibend, emmenagog |
Tabelle 2: Pflanzen mit Wassercharakter
Name | Qualität | Kommentar |
---|---|---|
Betonie Betonica officinalis | kalt 1 feucht 2 | Kraut; mild aromatisch; kühlend |
Birke, Hänge- Betula pendula | kalt 2 feucht 1 | Blätter, Rinde, milder, fader Geschmack; entzündungswidrig |
Blasentang, Fucus vesiculosus | kalt 2 feucht 3 | Tang; salzig, kühl, regt Luft an, stimuliert Schilddrüse (Luft) |
Dachwurz, Sempervivum tectorum | kalt 1 feucht 2 | Blätter, allg. entzündungswidrig; auch bei Altershaut (=Erde) |
Eibisch, Althaea officinalis | kalt 2 feucht 1 | Wurzel; süß; entzündungswidrig |
Klbkraut, Galium aparine | kalt 3 feucht 2 | Kraut; leicht salzig, guter Reiniger, proteolytische Enzyme |
Passionsblume Passiflora incamata | kalt 1 feucht 1 | Kraut; stark beruhigend |
Rose; R. centifolia R. damascena | kalt 1 feucht 1 | Blüten, Blätter; süß, leicht kühlend; Blätter stärker adstringierend (Erde) |
Stiefmütterchen, Viola tricolor | kalt 1 feucht 2 | Kraut; Kindermittel; entzündliche Hautleiden |
Weide, Silber-, Salix alba | kalt 2 feucht 1 | Blätter, Rinde, sehr entzündungswidrig |
… wird fortgesetzt
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