Einleitung
(G. A. Ulmer)
Tibetische Mönche, die als Eremiten in den Bergen Tibets lebten und von jeglicher ärztlichen Versorgung abgeschnitten waren, entwickelten aus ihrem uralten medizinischen Wissen heraus spezifische Körperübungen, mit deren Hilfe sie versuchten, Leib und Seele gesund zu erhalten und auch Krankheiten zu heilen. Diese Übungen nannten sie Lu Jong. „Lu” bedeutet Körper und „Jong” bedeutet Übung. Lu–Jong bedeutet also „Körperbewegungen”.
Lu Jong hat eine ganz eigene Tradition und unterscheidet sich vom Yoga, das in Indien praktiziert wird, und auch von dem in China entstandenen Qi Gong, aus dem später Tai Chi und andere Übungen hervorgegangen sind. Lu Jong ist das älteste Bewegungssystem Asiens, älter als Yoga und Qi Gong.
Es gibt drei Arten des Lu Jong:
Das Innere Lu Jong – normale Körperbewegung,
das Äußere Lu Jong – Tänze der Mönche und
das Geheime Lu Jong – besondere Lehren.
Lu Jong-Übungen wurden vom Meister zum Schüler weiter gegeben.
Der Arzt Tulku Lama Lobsang ist augenblicklich der Linienhalter dieser noch heute in Tibet praktizierten Schule. Indem die richtigen Bewegungen gemacht werden, ist es möglich, das Gleichgewicht der verschiedenen Lebenssäfte und Elemente im Körper schnell wieder herzustellen, die dazu passenden Kanäle zu öffnen und zu schließen und als Resultat Gesundheit zu erlangen. Eine ganze Reihe von Körperbewegungen entstand, jede mit ihrer eigenen Wirkung auf die zahlreichen Meridiane, Reflexzonen und spezifischen Organe oder Körperteile.
Im Lu Jong flossen die tiefen Kenntnisse der Meister über Natur, Geist und Körper in die Übungen ein. Sie hatten erkannt, welchen Einfluss die Natur und die Fünf Elemente (Wasser, Erde, Feuer, Wind, Raum) auf uns haben. Außerdem wussten sie, welche natürliche Kraft in unserer Geisteshaltung liegt und wie sie mit den Kräften der Natur in Verbindung steht. Ihnen war bekannt, in welcher Beziehung der Geist zum Atem steht und zu lung (tib.), dem inneren Wind als feinstoffliche Lebensenergie. Denn dieser Wind wirkt auf eine besondere Weise auf die Meridiane und letztendlich auf unsere Gesundheit.
Durch die Beobachtung der Tiere und ihres Verhaltens in bestimmten Situationen, erlebten sie die heilenden Kräfte der Natur. Deshalb sind viele Lu Jong Übungen den Bewegungen der Tiere nachempfunden.
Lu Jong, eine alles umfassende Bewegungslehre, schenkt nicht nur unserem Körper Gesundheit, sondern auch unserem Geist. Mit den Übungen können wir Krankheiten wirksam bekämpfen, uns von negativen Gefühlen wie Hass und Gier befreien und ein emotionales Gleichgewicht erreichen. Die meisten Probleme, die wir selbst erzeugen, entstehen durch ein Übermaß an Gier und Egoismus. Durch die Lu Jong-Übungen können wir den Geist so beeinflussen, dass er frei und mitfühlend wird.
Die fünf Elemente
(Originaltext von Tulku Lama Lobsang)
Unser Körper besteht aus den Fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Wind (Luft) und Raum. Grundlage dieser Fünf Elemente ist der Wind. Wenn wir ihn harmonisieren, fließen auch die anderen Elemente in unserem Körper ausgeglichen.
Aus den Fünf Elementen bilden sich die „Baustoffe” unseres Körpers:
- Knochen und Fleisch entstehen aus dem Erd-Element, das für die „Festigkeit” zuständig ist.
- Das Wasser-Element, das in Form von Blut und anderen Flüssigkeiten in uns fließt, ist für den „Zusammenhalt” des Körpers zuständig. Ohne dieses Element würde unser Körper wie Staub zerfallen.
- Die Körperwärme wird dem Feuer-Element zugeordnet, das für die Umwandlung und den Reifeprozess zuständig ist.
- Dank des Wind-Elementes können wir atmen und denken, es ist für die Bewegungen des Körpers, das Wachstum und für die Entwicklung verantwortlich.
- Alle Hohlräume in unserem Körper entsprechen dem Raum-Element, das Raum für alle anderen Elemente schafft. Raum bedeutet Existenzraum – Planeten und Gestirne bewegen sich im Raum, Wasser könnte nirgendwo fließen, wenn es den Raum nicht gäbe.
Die Fünf Elemente wirken sowohl im Kosmos als auch in unserem Körper. Nach tibetischem Verständnis ist das Universum der Makrokosmos und unser Körper ein Mikrokosmos, in dem sich der Makrokosmos widerspiegelt. Demzufolge geschieht alles, was sich außen ereignet – also jede Veränderung in unserer Umwelt –, im übertragenen Sinn auch in unserem Körper. Weil alles zusammengehört, nichts voneinander getrennt ist, fließen die Elemente außerhalb von uns und in uns.
In der tibetischen Medizin gilt die harmonische Wirkung der Elemente als sehr wichtig für die Gesundheit; wenn das Gleichgewicht der Elemente gestört ist, erkranken wir. Dem Wind-Element kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Es setzt alle Elemente in Bewegung und kann sie durch harmonisches Fließen in Einklang miteinander bringen.
Auch die fünf Sinneswahrnehmungen funktionieren dank der Fünf Elemente:
- Dank des Raum-Elementes können wir hören.
- Dank des Wind-Elementes können wir riechen.
- Dank des Feuer-Elementes können wir sehen.
- Dank des Wasser-Elementes können wir schmecken.
- Dank des Erd-Elementes können wir tasten und spüren.
Wenn die Elemente in unserem Körper nicht miteinander im Gleichgewicht sind, dann sind auch die Kanäle nicht ausgeglichen. Wenn die Kanäle nicht ausgeglichen sind, ist auch der Wind nicht ausgeglichen. Wenn der Wind nicht ausgeglichen ist, dann befindet sich auch unser Geist nicht im Gleichgewicht.
Durch das Zusammenziehen, Ausdehnen und Entspannen beeinflussen wir bei den Lu Jong-Übungen den Fluss der Säfte und Energien in den Kanälen. Auf diese Weise können sich Blockaden auflösen, und der Wind, für den harmonischen Durchfluss dieser Energien verantwortlich, kann ungehindert und frei strömen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir Krankheiten überwinden.
Die vier Gruppen der Krankheiten
In der tibetischen Medizin unterscheidet man vier Gruppen von Krankheiten:
- Manche Krankheiten kommen und gehen zu verschiedenen Zeiten des Jahres. Sie bedürfen nicht unbedingt einer medizinischen Behandlung. Sie entstehen und vergehen von allein. Doch der Gebrauch von Medizin heilt sie schneller.
- Sichtbar manifestierte Krankheiten entstehen durch äußeren Einfluss und unser Verhalten. Sie müssen medizinisch behandelt werden, sonst können wir sterben.
- Die so genannten psychischen Krankheiten werden vorwiegend von unserem Denken erzeugt. Viele Menschen bilden sich etwas ein, das nicht existiert, und werden davon krank. Krankheiten dieser Gruppe können mit schamanistischen Ritualen und auch durch Medizin geheilt werden.
- Zur vierten Gruppe gehören Krankheiten, deren Ursachen im Karma (geistige oder körperliche Handlungen und deren Auswirkungen) früherer Leben liegen. Sie können aus diesem Grund nicht geheilt werden. In Tibet geschieht es häufig, dass Menschen bestimmte Krankheiten als Auswirkung des Karmas annehmen (und deshalb eine medizinische Behandlung ablehnen). Unsere gängige medizinische Welt versteht dies nicht, aber ein möglicher Weg des Heilens bedeutet, das Karma zu reinigen oder ein gutes Karma zu schaffen. Dies kann durch Praktizieren von Dharma erreicht werden.
Die drei Säfte
Die drei schon erwähnten Säfte nennt man in der tibetischen Medizin lung (Wind), tripa (Galle) und bekken (Schleim). Sie werden als die drei Prinzipien, die drei verschiedenen Anteile von „Lebensenergien” verstanden. Diese Energien, die sich als Säfte formieren, beinhalten die Fünf Elemente, die in allen Lebewesen angelegt sind und das Leben erst möglich machen. Sie bilden ein sensibles System, das die grobstoffliche (körperliche) Ebene mit der feinstofflichen (geistigen) verbindet. Jedes Prinzip (Wind, Galle, Schleim) besitzt seine ureigenen Eigenschaften, die in Kombination mit den Fünf Elementen auch noch die kleinste lebendige Zelle strukturieren.
- Lung (Wind) verkörpert die Luft, die für die Gedanken und die Vernunft zuständig ist, außerdem für die Atmung, die Bewegung, alle Ausscheidungen und die Körperöffnungen.
- Tripa (Galle) verkörpert das Feuer, das für die Körperwärme, die Verdauung und den ganzen Stoffwechsel zuständig ist, außerdem für den Mut und den Willen.
- Bekken (Schleim) verkörpert die Erde und das Wasser, das für die Körperstruktur, die Flüssigkeiten, die Biegsamkeit des Körpers und der Gelenke sowie für die Geduld und den Schlaf zuständig ist.
Die drei Säfte repräsentieren somit die Fünf Elemente und sind bereits bei der Zeugung im Samen des Vaters und in den Eizellen der Mutter vorhanden. Auch unser Geist trägt – im Zustand der Seelenwanderung – die Grundlagen der Fünf Elemente in sich.
Wenn bei der Zeugung Samen und Eizellen in Bezug auf einen der drei Säfte erkrankt sind, dann eignen sie sich nicht für die Befruchtung. Sollte es doch dazu kommen, ist das Risiko, dass das Kind mit einer Behinderung geboren wird, sehr groß. Entsprechend dem Verhältnis der drei Säfte bei der Befruchtung zueinander, werden die Veranlagungen und Fähigkeiten eines Menschen angelegt.
Auch nach der Geburt sind die Balance der Elemente und die Ausgewogenheit der drei Säfte für die Gesundheit maßgebend.
Eigenschaften der drei Grundtypen
Wind
- dünne, gebeugte Menschen
- leichter Körperbau
- empfindlich gegen Wind und Kälte
- trockene, bläuliche Haut
- dünnes, brüchiges Haar
- essen süße, saure und salzige Nahrung
- reden sehr gern
- haben einen einfachen Charakter
- leiden unter Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, Störungen der Atemwege, Gelenkschmerzen, Problemen an der Wirbelsäule und dem Bewegungskörrat
Galle
- agile, wendige Menschen
- leicht erregbar
- gelbliche Haut
- ständig hungrig und durstig
- essen gern süße und bittere Nahrung
- sehr intelligent und stolz
- leiden unter Verdauungsstörungen, Magenbeschwerden, Hautreizungen mit Rötung, Sonnenempfindlichkeit, Hautentzündungen
Schleim
- eher dicke Menschen
- kräftiger Körperbau
- helle Hautfarbe
- essen gern scharfe und saure Nahrung, können aber lange ohne Nahrung auskommen
- schlafen gern lange
- sind geduldig und haben einen gemütlichen, ausgeglichenen Charakter
- leiden unter Gewichts- und Verdauungsproblemen, Verschleimungen der Atemwege.
Jeder Mensch behält seinen Grundtyp ein Leben lang bei.
Das Wind-Prinzip
Eigenschaften: leicht, fein, kalt, beweglich, rauh, hart
Hauptzentren: Herz, Gehirn, Knochen
Der ganze Kreislauf funktioniert aufgrund des Wind-Flusses, ebenso Atmung, Bewegungen und Ausscheidungen. Dank des Wind-Prinzips können wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. In Tibet unterscheidet man fünf Arten von Wind:
- Der lebenserhaltende Wind befindet sich im Herzzentrum und steht mit dem Gehirn in enger Verbindung. Er ermöglicht Denken und Bewusstsein, die Wahrnehmung durch die Sinne und die Atmung.
- Der aufsteigende Wind befindet sich hauptsächlich im Oberkörper. Er ermöglicht das Sprechen, verleiht den Sinnen ihre Klarheit, (gibt der Haut Glanz) und schult das Gedächtnis.
- Der alles durchdringende Wind ist, wie der Name schon sagt, überall im Körper und für den Blutkreislauf sowie die Körperbeweglichkeit zuständig.
- Der das Feuer begleitende Wind befindet sich im Magen und ist für die Verdauung zuständig. Er erzeugt das Gefühl von Hunger und Durst.
- Der unten bleibende Wind befindet sich im unteren Körperbereich und ist für die Ausscheidungen, Substanzen und für den Unterkörper zuständig. Ist der Wind im Verhältnis zu den anderen Säften zu stark ausgeprägt, kann er folgende Störungen bewirken:
- Konzentrationsmangel, geistige Zerstreutheit (Konzentrationsstörungen sind im Westen sehr häufig. Wir sehen jetzt, wie leicht wir durch die richtige Ernährung und das richtige Verhalten solche Auswirkungen verhindern können.)
- Schlafstörungen
- Atemwegserkrankungen
- Gelenkschmerzen
- Probleme mit der Wirbelsäule
Das Galle-Prinzip
Eigenschaften: heiß, ölig, scharf, übelriechend, flüssig und läuternd
Hauptzentren: Magen, Leber, Galle, Blut.
Das Galle-Prinzip ist für die Verdauung, die Körpertemperatur, den Glanz der Haut und die Kraft von Körper und Geist zuständig. In Tibet unterscheidet man auch fünf Arten von Galle:
- Die verdauende Galle befindet sich in der Magengegend und ist für die Verdauung, die Körperwärme und die Kraft zuständig.
- Die Nahrung umwandelnde Galle befindet sich in der Galle und in der Leber. Sie ist für die Blut-Erzeugung und die rote Farbe des Bluts zuständig.
- Die vollbringende Galle befindet sich in der Herzgegend und ist für Stolz, Mut und die Vollendung einer Absicht zuständig.
- Die sehende Galle befindet sich in den Augen und ist für das Sehen zuständig.
- Die den Teint klärende Galle befindet sich in der Haut und ist für deren Glanz und Farbe zuständig.
Das Schleim-Prinzip
Eigenschaften: kühl, schwer, ölig,stumpf, stabil, sanft, klebrig feucht
Hauptzentren: Mund, Kehle.
Das Schleim-Prinzip ist für die Körperflüssigkeiten, die Ruhe des Geistes und den Schlaf zuständig. Folgende fünf Arten von Schleim unterscheidet man:
- Der unterstützende Schleim befindet sich im Brustkorbbereich und sorgt für die aufrechte Haltung.
- Der abbauende Schleim befindet sich im Magen und löst die Nahrung auf.
- Der empfindende Schleim befindet sich auf der Zunge und ist für das Schmecken verantwortlich.
- Der sättigende Schleim befindet sich im Gehirn und ist für die Wahrnehmung der Sinne zuständig.
- Der verbindende Schleim befindet sich in den Gelenken und ermöglicht das Beugen und Strecken der Gelenke.
Die drei Säfte als Ursachen
Wenn sich die drei Säfte oder Prinzipien in unserem Körper im Gleichgewicht befinden, bedeutet dies Gesundheit. Gerät auch nur eines aus dem Gleichgewicht, erkrankt man. Die Säfte versuchen, sich gegenseitig im Gleichgewicht zu halten. Wenn ein Prinzip zu stark oder zu schwach wird, dann versucht eines der beiden anderen, das auszugleichen.
Wird beispielsweise der Schleim, der die Elemente Erde und Wasser beinhaltet, zu stark, dann versucht die Galle (Element Feuer), dies auszugleichen. Wenn allerdings das Schleim-Prinzip so stark wird, dass die Galle nicht mehr in der Lage ist, das Ungleichgewicht auszubalancieren, kann sich eine Schleim- oder Kälte-Krankheit entwickeln. Deshalb müssen wir den Schleim mit entsprechend warmer Nahrung, durch Kräuter, Massagen und bestimmte Körperübungen (beispielsweise die 5. Grundübung:„Lingshi Tadril – Wie sich ein neuer Berg erhebt”) wieder ins Gleichgewicht bringen, da sonst die Funktion des Galle- Prinzips geschwächt würde.
Wird die Galle, das Feuer-Element, durch falsche Ernährung zu stark, dann produziert sie im Körper zu viel Hitze und lässt dadurch Fieber und Hitze-Krankheiten entstehen. In diesem Fall sollten wir mit dem Element Erde „kühlen”, und zwar durch kalte Nahrungsmittel, kalte Anwendungen und entsprechende Körperübungen (beispielsweise die 2. Grundübung: „Dongmo Surdung – Yak, der seinen Kopf schwingt”), weil sonst unser Stoffwechsel Schaden nehmen würde.
Wenn dagegen der Wind, das Luft-Element, durch falsche Ernährung zu stark wird, bringt er Schleim (Erd- und Wasser- Element) und Galle (Feuer-Element) gegen sich auf. Wir können das gestörte Gleichgewicht durch das Raum-Element wieder in Harmonie bringen. Dafür brauchen wir schwere, fetthaltige Nahrung und entsprechende Körperübungen (beispielsweise die 1. Grundübung: „Ngangmo Chutung – Wildgans, die Wasser trinkt”), die das Raum-Element in uns öffnen.
Tschagpori, einer der beiden Zwillingsberge von Lhasa mit dem medizinischen Institut auf seinem Gipfel. Darunter befindet sich der heilige Pfad Lingkor. Das Bild wurde 1945 von Brooke Dolan aufgenommen.
Tschagpori, einer der beiden Zwillingsberge von Lhasa mit dem medizinischen Institut auf seinem Gipfel. Darunter befindet sich der heilige Pfad Lingkor. Das Bild wurde 1945 von Brooke Dolan aufgenommen.
Tschagpori, einer der beiden Zwillingsberge von Lhasa mit dem medizinischen Institut auf seinem Gipfel. Darunter befindet sich der heilige Pfad Lingkor. Das Bild wurde 1945 von Brooke Dolan aufgenommen.
Die drei Säfte im Verhalten und in der Nahrung
Wind-Krankheiten entstehen zum Beispiel, wenn wir
- zu viel bittere Nahrung zu uns nehmen
- zu viel nachdenken
- uns zu häufig Sorgen machen
- intensiv trauern
- ängstlich sind
- zu häufig Geschlechtsverkehr haben
Durch folgende Maßnahmen können wir einer Wind-Krankheit begegnen:
- schwere, fetthaltige Nahrung, Fleisch und einige Pilze essen
- mit Menschen zusammen sein, die wir mögen
Galle-Krankheiten entstehen zum Beispiel, wenn wir
- zu viel saure und scharfe Nahrung zu uns nehmen
- zu fetthaltig essen
- zu viel Alkohol trinken
- lange Zeit körperlich anstrengende Arbeiten verrichten
- uns zu lange am Feuer und in der Sonne aufhalten
- zu stolz sind
Durch folgende Maßnahmen können wir einer Galle-Krankheit begegnen:
- kalte Nahrung und kaltes Wasser zu uns nehmen
- Gemüse und Obst essen
- uns viel Ruhe gönnen
Schleim-Krankheiten entstehen zum Beispiel, wenn wir
- zu viel süße, rohe und bittere Nahrung zu uns nehmen
- zu kalte Getränke trinken
- uns nach dem Essen nicht bewegen
- uns gern der Faulheit und Trägheit hingeben
Durch folgende Maßnahmen können wir einer Schleim-Krankheit begegnen:
- warme Nahrung zu uns nehmen
- heißes Wasser trinken
- uns warm halten
- uns viel bewegen
Die drei Säfte und Farben
Die Farbe Rot stärkt die Galle, das Feuer- Prinzip. Tibeter binden Wachhunden rote Tücher um den Hals, um ihre Aggressivität zu fördern. Weil es in Tibet sehr kalt sein kann, haben die buddhistischen Mönche dort rote Gewänder an, da Rot wärmt.
Die Farbe Weiß weckt die Gier, das Wind-Prinzip. Der Buddha erlaubte den Mönchen deshalb nicht, weiße Gewänder zu tragen.
Die Farbe Gelb wiederum kühlt und dämpft das Verlangen und entspricht damit dem Erde-Prinzip. Aus diesem Grund empfahl der Buddha den Mönchen, gelbe Gewänder zu tragen.
Welche dieser Farben zu einem Menschen passt, hängt davon ab, welches Prinzip in ihm dominiert, ob er also ein Schleim-, ein Wind- oder ein Galle- Grundtyp ist.
Die drei Säfte in der Zeit
Das Wind-Prinzip dominiert
- im Frühling und im Frühsommer
- bei Tagesbeginn
- am Ende der Nacht
Das Schleim-Prinzip dominiert
- im Sommer und im Herbst
- am Ende des Tages
- am Beginn der Nacht
Das Galle-Prinzip dominiert
- im Spätherbst und im Winter
- in der Mitte des Tages
- in der Mitte der Nacht
Die drei Säfte und der Geist
Die tibetische Medizin sieht bei Wind‑, Galle- und Schleim-Störungen die Hauptverursacher auf der geistigen Ebene. Es sind die Begierde (Anhaften an der Welt der Dinge), der Hass und die Verblendung. Im Buddhismus werden diese drei Grundübel auch „Die drei Wurzeln des Unheilsamen” genannt. Begierde steht allgemein für Lust und Verlangen, ganz gleich, was begehrt wird. Hass steht für alle Formen der Aggressivität wie Zorn, Wut, Ärger. Verblendung steht für die Ignoranz und Voreingenommenheit.
- Wind-Krankheiten werden von der Begierde gefördert.
- Galle-Krankheiten werden vom Hass gefördert.
- Schleim-Krankheiten werden von der Verblendung gefördert.
Der Ursprung aller dieser „Geistesgifte” ist die Unwissenheit um die wirkliche Beschaffenheit der Dinge – sie sind leer, bloße Erscheinungen. Sie haben keine materielle Existenz, da man sie in ihrer Substanz letztlich nicht nachweisen kann. Die Unwissenheit endet mit dem Erkennen dieser Wirklichkeit. Wenn unser Geist zu sehr von Begierde, Hass und Verblendung beeinflusst wird, fällt es uns schwer, die richtige Wahrnehmung zu entwickeln. Sie ist jedoch notwendig, damit wir uns der störenden Emotionen bewusst werden können. Wenn wir unseren Geist klären, werden wir die Unwissenheit überwinden.
Das Funktionieren des Geistes wird erst durch das Wind-Prinzip ermöglicht. Ohne den Wind könnten wir nicht denken. Deshalb ist der richtige Windfluss maßgebend dafür, dass wir die Unwissenheit erkennen und überwinden. Eine Störung des Windflusses ist auch der häufigste Grund für psychische Erkrankungen. Die Depression beispielsweise hat hier ihren Ursprung. Sie wird durch den Wind stärkende Verhaltensweisen – wie bittere und kalte Nahrung zu sich nehmen, negative Emotionen (Angst, Pessimismus, Sorgen) erleben – gefördert.
Bei mentalen Störungen, die von der Galle beeinflusst sind, bekommen wir Halluzinationen: Wir sehen Geister, begegnen Göttern, nehmen Lichter, die in den Körper eindringen, wahr.
Bei mentalen Störungen, die vom Schleim beeinflusst sind, werden wir zu „Einsiedlern”, weil uns das Sprechen schwer fällt und wir träge und schläfrig werden. Körper und Geist werden unbeweglich, wir können nicht mehr klar denken und auch nicht mehr meditieren.
Die drei Säfte und Sonne, Mond und Sterne
Während die Sonne am Himmel steht, herrscht das Galle-Prinzip. Menschen mit Galle-Krankheiten sollten deshalb das Sonnenlicht meiden. Scheint der Mond, herrscht das Schleim-Prinzip. Menschen mit Schleim-Krankheiten sollten deshalb das Mondlicht meiden.
Die verschiedenen Sterne stehen jeweils in eigenen Zusammenhängen mit den drei Prinzipien. In Tibet baden die Menschen zum Beispiel in den Seen und Flüssen, während der Stern „Ragscha” für eine Woche am Herbsthimmel zu sehen ist. Seinem Licht wird, wenn es mit Wasser in Berührung kommt, eine heilende Wirkung bei allen Wind-, Galle und Schleim-Krankheiten nachgesagt.
Wenn dagegen der Stern „Paschak” für eine Woche am Nachthimmel steht, vermeiden die Menschen Berührungen mit dem Wasser. Das Licht dieses Sterns hat eine störende Wirkung auf Wasser, der Kontakt damit kann dann Krankheiten verursachen. Sonnen- und Mondfinsternisse gleichen den Wind aus.
… wird fortgesetzt
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