Gesundheit und Krankheit – wie wir das eine erhalten und das andere vermeiden, ist ein Thema, welches in den verschiedensten Konzepten diskutiert wird. Ursachen für Krankheit gibt es viele und wir kommen nicht darum, wenn wir wirklich heilen wollen, den Menschen in seiner Ganzheit zu betrachten. Entsprechend finden wir die verschiedensten Therapie-Ansätze, welche auf Körper, Psyche und Geist wirken. Viele der eingesetzten Heilmittel arbeiten biochemisch oder informativ und sind in der Lage, ohne unser bewusstes Zutun Funktionskreise zu regulieren. Um bestimmte Krankheiten wirklich zu heilen, braucht es aber noch eine weitere Komponente: Die Bewusstwerdung und Klärung von verborgenen Verletzungen, Konditionierungen, Glaubensätze, Werte und Verhaltensweisen.
Dies bedeutet in der Umsetzung, dass wir ein Gebiet betreten, das oft Unbehagen hervorruft, denn nicht gerne bewegen wir uns ausserhalb unserer Komfortzone. Aber wieso ist das so? Wieso warten wir oft, bis es nicht mehr anders geht, um unsere Gewohnheiten zu ändern? Wieso braucht es meist die gefühlte, schmerzliche Aussichtslosigkeit um uns zu bewegen und uns für neue Ansichten und Verhaltensweise zu öffnen?
Es gibt ganz offensichtliche verborgene Gründe, die uns davon abhalten, neue Wege einzuschlagen. Um etwas Licht in die Thematik zu bringen, habe ich folgende Argumente und Betrachtungen herauskristallisiert:
- Prägungen, Konditionierungen und Kopplungen wirken wie autonome Programme im Unterbewusstsein.
- Werte, Glaubenssätze und Überzeugungen schränken unsere Kreativität und unser Denkvermögen ein.
- Wir haben Angst vor Schmerz. Schmerz aus alten emotionalen Verletzungen und emotionalen Traumata will nicht nochmals gefühlt werden.
- Die Verbindung zu unserer Essenz ist uns abhandengekommen, es fehlt uns das Urvertrauen.
Wir können oder wollen die Komfortzone nicht verlassen
Bequemlichkeit ist häufig der Grund, weshalb wir uns den tieferen Problemen nicht wirklich stellen. Bequemlichkeit und Faulheit sind aber nicht einfach schlechte Charakterzüge, welche wir uns vorwerfen sollten. Vielmehr sind sie Ausdruck unserer evolutionsbiologischen Anlage, die darauf ausgerichtet ist, Energie sinnvoll und sparsam einzuteilen. Dieses Energiesparprogramm ist mit einem Antriebs- und Bremssystem versehen, das über das autonome Nervensystem gesteuert wird und demnach nicht willentlich beeinflussbar ist. Dieses System wägt immer ab, ob ein Aufwand lohnend ist oder nicht. So neigen wir dazu, alles, was neu und unbekannt ist, eher sein zu lassen, denn die Aneignung des Neuen oder die Auseinandersetzung damit, verbraucht, verglichen mit den bestehenden, eingespielten Prozessen, die praktisch vollautomatisch ablaufen, zu viel Energie. Zudem ist nicht absehbar, ob ein neuer Weg nicht doch auch neue Gefahren mit sich bringt und ob er wirklich ein Gewinn bringen wird.
Haben wir beispielsweise einen Job, mit welchem wir zwar gutes Geld verdienen, der uns aber nicht wirklich erfüllt und glücklich macht, werden wir ihn in der Regel trotzdem behalten. Denn das kostet weit weniger Energie und Mut, als sich aus der Komfortzone zu wagen. Es sei denn, dieser Zustand mache uns so unglücklich, depressiv oder krank, dass wir uns doch in Bewegung setzen.
Wir brauchen demzufolge ein starkes Motiv, für welches es sich lohnt, Energie aufzuwenden und welchem wir einen Sinn beimessen. Denn wir alle wünschen uns ein sinnerfülltes Leben.
Nicht selten stillen wir jedoch diesen Hunger, indem wir zum Beispiel Dinge kaufen und konsumieren – Ersatzbefriedigungen für unerfüllte Grundbedürfnisse. Oder wir meinen, den Sinn gefunden zu haben in der wiederholten Bestätigung unserer Glaubenssätze und Meinungen.
Dieses Bestreben widerspiegelt aber leider bloß das oben geschilderte Funktionieren des Energiesparprogramms unseres Gehirns.
Das Leben hat uns geformt, alles, was im Verlauf unserer Entwicklung auf uns eingewirkt hat, hat Spuren hinterlassen und macht uns zur Person, die wir sind. Erfahrungen, Prägungen und Verletzungen setzen uns einen Filter, eine Art Brille auf und bestimmen, wie wir die Welt verstehen.
Prägungen, Konditionierungen und Kopplungen
Emotionale Prägungen, Konditionierungen und Kopplungen sind uns ohne Bewusstseinsarbeit nicht bewusst.
Emotionale Prägungen werden in sensiblen Phasen der Entwicklung, die zwischen Schwangerschaft und Erwachsenenalter stattfinden, verankert. Vorgeburtliche Prägungen haben einen direkten Einfluss auf die jeweils gerade stattfindende Organentwicklung und demzufolge auf die spätere Funktion dieses Organs. Werden die emotionalen Prägungen für das System als belastend erlebt, kann die Organentwicklung und -funktion darunter leiden. Auch spätere belastende emotionale Prägungen können einen Organbezug haben. Diese können sich ebenfalls in Funktionsstörungen zeigen. Emotionale Prägungen, ob positiv oder negativ erlebt, beeinflussen stets auch unsere mentale Verfassung und unser Verhalten.
Die 3. – 4. Schwangerschaftswoche ist beispielsweise die Zeit, in der die Lymph-Funktion besonders geprägt werden kann. Die Lymphe übernimmt schon zu diesem Zeitpunkt im Rahmen des Immunsystems eine Abwehrfunktion, welche zum Überleben wichtig ist. Eine negative oder zumindest problematische Prägung ist beispielsweise möglich durch einen Infekt der Mutter zu dieser Zeit oder durch eine starke Ablehnung des Kindes durch den Vater oder die Grosseltern. Beides erzeugt eine heftige Abwehr und Verteidigungshaltung der Mutter. Diesen spezifischen Stress während dieser Zeit der Schwangerschaft hat eine geschwächte Abwehrfunktion des Ungeborenen im somatischen und auch im psychischen Bereich zur Folge. Es wird sich im Leben schlecht oder gar nicht wehren können oder aber, als Kompensation, zu einer erhöhten Abwehrbereitschaft neigen, was sich somatisch zum Beispiel in Allergien oder häufigen Infektionen manifestieren kann oder psychisch in der Abwehr als Grundhaltung.
Konditionierungen sind auch eine Art Programmierung. Sie werden durch Wiederholung verankert. Das Autofahren ist zum Beispiel eine Konditionierung. Alles, was wir genügend lang wiederholen, können wir mit der Zeit automatisch abrufen. Dies gilt nicht nur für erwünschte Fähigkeiten, die wir uns aneignen, sondern auch für Verhaltensweisen und Strategien, die sich beispielsweise dafür eignen, etwas zu bekommen. Eine recht weitverbreitete unbewusste Strategie ist zum Beispiel, in solchen Situationen beleidigt oder wütend zu sein. Wir können mit großer Sicherheit damit rechnen, dass die andern uns wahrnehmen, auf uns eingehen und unsere unausgesprochenen Wünsche erfüllen. Führt dieses Verhalten oft zum erwünschten Ziel, werden wir es unbewusst weiter anwenden. Damit schaffen wir Konditionierungen – bei uns selbst wie bei andern.
Kopplungen hingegen sind Informationen, die miteinander verknüpft sind, weil sie gleichzeitig verarbeitet wurden. Sie brauchen nicht zwingend eine emotionale Wertung zu haben. Ein Erlebnis wird beispielsweise mit einem Geruch, einem Bild, einer Stimmung, einem Geräusch oder eben auch mit einem anderen Geschehen verknüpft, obwohl beides nicht zwingend etwas miteinander zu tun hat. So erleben wir, dass ein bestimmter Reiz (zum Beispiel ein Duft, eine Jahreszeit usw.) automatisch eine alte Erinnerung hervorholen kann. Auch Kopplungen wirken unbewusst und erzeugen ein bestimmtes Verhalten ohne unser bewusstes Zutun. Es gibt Kopplungen, die sehr problematisch werden können. Zum Beispiel, wenn Liebe an das Gefühl der Verlustangst gekoppelt ist. Diese Menschen können keine Liebesbeziehung haben, ohne die Verlustangst zu fühlen, selbst nicht bei einem Partner oder einer Partnerin, die oder der ihnen Sicherheit gibt, da Liebe automatisch die Verlustangst aktiviert. Sie suchen in der Regel gar einen Partner oder eine Partnerin mit dem oder der sie diese Verlustangst erfahren.
Werte, Überzeugungen und Glaubenssätze sind mentale Strukturen und schränken unsere Kreativität und unsere Gedanken ein.
Nicht selten sind es bestimmte mentale Strukturen, welche uns blockieren. Stark verankerte Werte können verhindern, dass wir Lösungen finden. Wenn wir beispielsweise glauben, dass „Probleme zu haben“ oder „krank zu sein“ etwas Schlechtes sei, so stuft das Unterbewusstsein es automatisch als eine Bedrohung ein und beginnt es zu bekämpfen oder will davor flüchten. Wir denken dann, „ich muss das Problem, die Krankheit aus der Welt schaffen, ich muss es weghaben, damit alles wieder seine Ordnung hat, damit ich so weitermachen kann wie bisher“.
Oder glaubt beispielsweise jemand, dass allein das Medikament alles in Ordnung bringt, wird er oder sie kaum die Einsicht haben, selbst noch etwas für die Genesung zu tun.
Glauben wir hingegen, dass ein Problem für uns eine Chance sein könnte, Neues zu lernen und uns zu entfalten, dass Krankheit uns zum Beispiel auf etwas aufmerksam machen könnte, so aktivieren wir unsere Neugierde, setzen Energie frei und sind bereit, uns mit der Situation auseinanderzusetzen. Wir richten unseren Fokus dann auf Lösungen und finden Wege, wie wir das Problem wirklich lösen können. Diese Haltung setzt aber wiederum voraus, dass wir bereit sind, die Verantwortung für unser Leben zu übernehmen und unsere Opferrolle aufzugeben.
Ich begegne manchmal Menschen, die denken, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen bedeute, schuldig zu sein für das, was einem geschieht. Andere denken wiederum, „wenn ich die Verantwortung für mein Leben übernehme und etwas nicht klappt, habe ich versagt!“. Beide Ansichten lösen aber das unangenehme Gefühl der Scham aus, was dazu führt, dass man lieber die Opferrolle wählt. Das ist eine Falle, in die wir gerne tappen. Verantwortung hat mit Kausalität, das heißt, mit Ursache und Wirkung und nichts mit Schuld zu tun. Schuld und Scham sind frühkindliche Erfahrungen. Sie hängen mit Glaubenssätzen zusammen wie: „Siehst du! Selbst schuld!“ oder „Versager!“. Diese haben sich in der Kindheit im Unterbewusstsein als mentales Abbild einer Prägung oder Konditionierung verankert. Erst wenn solche Glaubenssätze unwirksam gemacht werden, ist es möglich, einen guten Selbstwert zu bekommen und Selbstverantwortung zu übernehmen.
Niederlagen, Probleme und Schicksalsschläge als Chancen zu betrachten, heißt, Verantwortung übernehmen für das, was wir tun, was wir lassen, was wir denken und fühlen. Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse besagen, dass die aktuell erlebte Wirklichkeit die Folge dessen ist, was wir in den letzten acht Monaten gefühlt, gedacht und getan haben. Das sollte uns anspornen, bewusster zu denken, zu fühlen und zu handeln.
Die Opferhaltung ist nur ein Beispiel, welches uns hindert, eigenverantwortlich Probleme zu lösen.
Wir halten eine Menge andere Glaubenssätze, Meinungen und Werte für wahr und sind darin gefangen. Wir haben diese zu einem bestimmten Zeitpunkt, meist als Folge einer Konditionierung, unbewusst übernommen und haben sie später nicht aufgedeckt und überprüft. Diese mentalen Strukturen wirken wie Programme, welche vollautomatisch abgespielt werden und sind in der Lage, den Weg zur Lösung solange zu versperren, bis wir sie aufdecken.
Emotionale Verletzungen und emotionale Traumata
„Ein erlittenes Trauma, das nicht geheilt wurde, lebt im Körper weiter und äußert sich durch Schmerzen, Entzündungen oder Krankheiten. In jedem Körpersymptom steckt also ein Stück Lebensgeschichte.“ (Franz Ruppert)
Unser limbisches System vermeidet systematisch Wege, welche uns mit dem Schmerz alter emotionaler Verletzungen in Kontakt kommen lassen. Solche Erfahrungen haben wir in der Psyche abgespalten und irgendwohin weggedrängt, weil die damit verbundenen Gefühle kaum aushaltbar und sehr schmerzlich sind.
Das heißt, jeder Reiz, der einen Bezug zur damaligen Verletzung aufweist, wird automatisch verdrängt, bekämpft oder vermieden.
Primär haben emotionale Verletzungs- und Schmerzmuster mit unerfüllten Grundbedürfnissen zu tun, auf deren Erfüllung wir für ein ungehindertes körperliches, seelisches und geistiges Wachstum angewiesen gewesen wären. Bei diesen Grundbedürfnissen geht es nicht nur um Nahrung, Luft, Wärme und Schutz, sondern auch um die emotionalen Grundbedürfnisse wie das Gefühl, angenommen, gesehen und geliebt zu werden oder eine Bedeutung zu haben und etwas zu können, auch um die Gewissheit, dass das Leben etwas Gutes mit uns vorhat. Werden Kinder emotional verletzt, wird diese Verletzung als existenzielle Bedrohung empfunden und im System abgespeichert. Im Moment der Verletzung kann ein Kind nicht so reagieren, wie es das später als erwachsene Person tun könnte. Das Schwierige ist: selbst wenn diese oder eine ähnliche Situation als Erwachsene oder Erwachsener gemeistert werden könnte, reagiert das vegetative Nervensystem dennoch aus der Sicht der oder des damals Verletzten und meldet Alarm.
Wenn ich von Verletzungen spreche, dann impliziere ich nicht, dass es einen bösen Täter oder eine böse Täterin gibt. Meist geschieht diese Art von Verletzungen durch Unwissen. Und niemand ist je davor gefeit, aufgrund von eigenem Unwissen andere zu verletzen.
Werden Verletzungen später verarbeitet, entpuppen sie sich nicht selten als Geschenk. Das mag erstmal zynisch klingen, aber dennoch: Verletzungen sind Erfahrungen, die uns zu der Person machen, die wir sind – mit all den ganz besonderen, individuellen Eigenschaften. Im geglückten Fall machen uns Verletzungen nicht seelisch hart, sondern weich.
Die Verbindung zu unserer Essenz ist uns abhanden gekommen
Der fünfte Grund, weshalb wir wichtige Entwicklungsschritte nicht machen, hat mit unserer Identität zu tun: Wer bin ich wirklich? Wer glaube ich zu sein?
Ist die Person, die wir zu sein glauben, unser wahres Ich? Oder gibt es noch etwas, das dahintersteht? Was ich mit dem Begriff „Essenz“ meine, ist der Lebensfunke, den wir alle in uns tragen und der jenseits von allen Identifikationen existiert. Das Ich, womit wir uns identifizieren, ist im Grunde genommen ein bedingtes Ich, die Frucht unserer Entwicklung und Erfahrungen durch die Materie. Wir identifizieren uns mit dem Ergebnis unserer bisherigen Entwicklung. Dazu gehören auch die in der DNA abgespeicherten kollektiven Erfahrungen der menschlichen Entwicklung, die persönlichen Erfahrungen und Muster unserer Vorfahren und alles, was wir selbst bisher erlebt haben. Genau mit diesem Ich identifizieren wir uns. Was aber belebt dieses Ich? Was ist diese Kraft jenseits dieser Identifikation? Hierzu gibt es ganz viele Konzepte und Modelle. Man kann sich sehr intensiv damit auseinandersetzen und sich darüber streiten, welche die richtigen sind. Die Frage, die sich mir stellt, befasst sich nicht mit der Ansicht, welches Konzept das richtige ist, sondern sie lautet vielmehr: Welches Konzept dient dem glücklichen Leben, welches erlaubt eine Entwicklung und hilft uns weiter?
Mit der Wahl unserer Annahme darüber, was denn diese Kraft jenseits dieser Identifikation ist, bestimmen wir unsere Wirklichkeit. Gelangen wir zur Annahme, dass wir nicht ausschließlich dieses bedingte Ich sind, sondern dass es in uns eine Kraft gibt, welche diese menschliche Struktur, dieses menschliche Ich belebt, welche jedem Lebewesen und überhaupt aller Materie innewohnt, so haben wir sicher die besseren Karten in der Hand, als wenn wir uns ausschließlich mit dem bedingten Ich identifizieren. Wenn wir uns für unsere Essenz und für die Intelligenz des Lebens interessieren, öffnen sich neue Welten. Meist finden wir zum Urvertrauen zurück, und damit eröffnen sich Lösungsansätze für Probleme.
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