Autoren: Christian Raimann, Chrischta Ganz, Rosmarie Fehr-Streule, Friedemann Garvelmann, Heide-Dore Bertschi-Stahl
4. Methodik der TEN
4.1.4 Pulsdiagnostik
Die Messung der peripher tastbaren Herzfrequenz ist nur eines der Kriterien der traditionellen Pulsdiagnostik. Für die TEN ist sie eine der wichtigsten Methoden zur Beurteilung der aktuellen Krankheitssituation und sollte bei jeder Konsultation durchgeführt werden. Bei der Palpation der Radialis-Arterie werden die folgenden Kriterien analysiert:
- Stärke bzw. Schwäche der Pulswelle
- ihre Länge und Breite
- ihre Fülle bzw. Leere
- ihr Rhythmus
- die Unterdrückbarkeit des Pulses
Aus der Verknüpfung dieser Bedingungen ergeben sich ca. 30 Pulsbilder, aus denen der zum Zeitpunkt der Untersuchung dominate humoralmedizinische Zustand erkennbar wird.
4.1.5 Harnschau
Aus der Beurteilung des Harns lassen sich Rückschlüsse auf die Mischung und Qualität der Kardinalsäfte im menschlichen Körper ziehen. Von der Antike bis ins späte Mittelalter spielt die Harndiagnostik eine bedeutende Rolle, um die krankhaften Veränderungen der Kochungen und weiterer Säfteprozesse zu beurteilen. Dabei wird der Morgenurin nach einer Ruhezeit von 2-6 Stunden auf Aspekte wie Menge, Farbe, Geruch, Konsistenz, Festbestandteile u.a. begutachtet.
Ein dickflüssiger, weißlicher Harn wird beispielsweise mit einem Übermaß an Phlegma in Verbindung gebracht.
Als Weiterentwicklung der Harnschau wird von einigen TEN-Therapeuten die sogenannte Kochprobe verwendet, bei der dem Urin verschiedene Reagenzien zugesetzt werden.
4.1.6 Iris- / Augendiagnostik
Die Irisdiagnostik liefert Informationen über die konstitutionelle Situation und damit über die genotypisch angelegten und phänotypisch individuell ausgeprägten, humoralmedizinischen Reaktionsmuster eines Menschen. In der TEN ist sie damit die wichtigste diagnostische Basis für eine langfristige Konstitutionstherapie.
Zirkuläre Topografie – die Aufteilung der Iris in konzentrische Kreise
4.1.7 Zungendiagnostik
Auch die Zunge – gerne als „Spiegel des Magens“ bezeichnet – erlaubt diagnostische Rückschlüsse auf die Funktionalität der Assimilationsorgane, auf die Qualität und Quantität der Säfteprinzipien und den Charakter von Krankheitsprozessen. Interpretiert werden Veränderungen der Form, Farbe oder des Belages.
Folgende Aspekte werden in ihren individuellen Kombinationen beurteilt (beispielhaft):
Beispiel-Phänomen | Interpretation | ||
---|---|---|---|
Zungenkörper | Farbe | Rötung | Gesteigertes Hitzeprinzip |
Form | Verbreiterte Zunge | Vermehrtes Feuchtigkeitsprinzip | |
Feuchtigkeit | Trockene Zungenoberfläche | Mangelnde physiologische Feuchtigkeit | |
Tonus | Schlaffe Zunge | Tonusmangel aufgrund eines Defizits an physiologischer Wärme | |
Zungenbelag | Farbe | Weißer Belag | Kalte Feuchtigkeit |
Eigenschaft | Dicker Belag | Kalte Feuchtigkeit | |
Ausdehnung | Großflächiger Belag | Schärfenbelastung (Qualität entsprechend der Farbe) | |
Feuchtigkeit | Feuchter, glänzender Belag | Übermäßige Feuchtigkeit |
In der Reinform, die in der Realität selten vorkommt, ist z. B. eine sanguinische Zunge rosarot, breit und gut mit Blut angefüllt, die Oberfläche ist eher glatt und feucht – eine cholerische Zunge dagegen stark rot, trocken, als Zeichen von Hitze und Feuchtigkeitsmangel. Häufig zeigen sich gelbliche Beläge oder rote Punkte auf der Oberfläche.
4.1.8 Diagnostik und Therapie über Reflexzonen und Somatotopien
In diesem Bereich werden die modernen neurologischen Erkenntnisse der reflektorischen Verbindung zwischen inneren Geweben und der Körperoberfläche verknüpft mit der traditionellen Lehre der konsensuellen Organbeziehungen. Basis für die anzuwendenden therapeutischen Verfahren sind aber vor allem die definierten Zuordnungen von pathofunktionellen und symptomatischen Zuständen zu den humoralen Qualitäten. Dazu drei Beispiele:
- Ein erhöhter Muskeltonus, der als Hartspann oder Verkrampfung tastbar ist, wird als Symptom des überschießenden Wärmeprinzips interpretiert und muss mit ausleitenden, kühlenden Maßnahmen behandelt werden.
- Umgekehrt ist ein Tonusmangel (Muskelschwäche) Zeichen eines Wärmedefizites, was stimulierend behandelt werden muss.
- Eine Gewebsschwellung ist prinzipiell Symptom für übermäßige Feuchtigkeit, deren Fluss stagniert – als Zeichen eines Wärmemangels. Darin werden die kalt-feuchten Qualitäten des Phlegmas erkennbar. Die Behandlung muss daher einerseits erwärmend und andererseits Feuchtigkeit ausleitend sein.
Entscheidend für die Auswahl der Therapieverfahren ist deren humorale Zielrichtung, entsprechend der aktuellen Situation des Patienten. Grundsätzlich ist das mit unterschiedlichen Verfahren erreichbar, z. B. Aus- und Ableitungsverfahren, manuellen und physikalischen Therapien, aber auch mit physiotherapeutischen Anwendungen, die den humoralen Kriterien entsprechend ausgewählt bzw. modifiziert werden.
4.1.9 Antlitzdiagnostik
In der Antlitzdiagnostik wird das Gesicht betrachtet, um innere Erkrankungen durch äußere Phänomene zu erkennen. Durch direkte Beziehung zu den entsprechenden Organen können äußerlich sichtbare Zeichen gedeutet werden, womit die Entstehung chronischer Erkrankungen oft in einem frühen Stadium erkannt und deren Manifestation verhindert wird. Einzelne Zeichen werden jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern die Gesamtheit der Eindrücke mit weiteren diagnostischen Erkenntnissen aus der Gesamtschau der TEN verknüpft.
„wird fortgesetzt“
Quellenangaben folgen am Ende des Artikels
Veröffentlichung sämtlicher Bilder und Grafiken mit freundlicher Genehmigung des Bacopa-Verlages
Kontaktadresse:
Friedemann Garvelmann
Hauptstr. 8
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