Alte Tradition neu entdeckt
Wer hätte das gedacht: Noch vor wenigen Jahren galten Vitalpilze als Exoten, und wer sie einnahm oder als Fachexperte seinen Patienten verordnete, erntete nicht selten ein Stirnrunzeln und Skepsis. Dabei gehören Pilze zu den ältesten Naturarzneien der Menschheit. Schon die berühmte Gletschermumie „Ötzi“ hatte vor 5300 Jahren an seinem Gürtel ein Ledersäckchen mit einem getrockneten, walnußgroßen Stück eines Birkenporlings (Piptoporus betulinus), den er zur Bekämpfung seiner lästigen Darmparasiten als Laxans und Antiwurmmittel benutzte, sowie ein Stück eines anderen getrockneten Pilzes, den Zunderschwamm (Fomes fomentarius) zur Blutstillung bei Verletzungen und als Hilfsmittel zum Feuermachen.
In Asien schätzt und nutzt man Pilze als Nahrungs- und Heilmittel seit jeher. Die chinesische Medizin pflegt seit mehr als 2500 Jahren das Detailwissen über den therapeutischen Einsatz der Pilzinhaltsstoffe und beschreibt über 300 überwiegend in Asien beheimatete Vitalpilze in ihrer Wirkung genau. Viele werden noch heute in der fernöstlichen Medizin zur Heilung von verschiedenen Krankheiten, zur Stärkung des Immunsystems und zur Regulierung und Entgiftung des Körpers eingesetzt. Einer der bekanntesten unter ihnen ist der Ling Zhi, der in Japan Reishi und bei uns Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum) genannt wird. Er gilt in China als „göttlicher Pilz der Unsterblichkeit“ und wird ausführlich im Klassiker der Materia Medica Shen Nong Ben Cao Jing (206 vor Chr. – 220 nach Chr.) beschrieben. Bis heute gilt der Ling Zhi als bedeutendstes Naturheilmittel und wird in ganz Asien wegen seiner zahlreichen Wirkungen hoch verehrt.
Erinnern wir uns; in der Geschichte der chinesischen Medizin ist es kaum zu entscheidenden Übertragungsverlusten von Erkenntnissen und Wissen gekommen. Diese einzigartige Pflege der medizinischen Kultur erklärt, warum bis heute in der östlichen Welt, insbesondere in China, Japan und Korea, die therapeutische Anwendung der Vitalpilze fester Bestandteil der ärztlichen Kunst ist. Deshalb stammt der größte Anteil an Fachliteratur und Quellen aus diesem Teil der Welt. Mit Recht dürfen wir bei dem angesammelten Wissen von der längsten klinischen Studie sprechen, die jemals stattgefunden hat. Jahrtausendalte Erfahrungen die gemacht wurden und zu Schlüssen über die Wirkungen der Pilzinhaltsstoffe und Energetik führten, können heute, dank modernen, pharmakologischen Analysen, verstanden und bestätigt werden.
Es scheint, dass dieses Wissen nun langsam den Weg zu uns gefunden hat. Hierzulande war das Interesse über die bemerkenswerten Vitalpilze bis vor kurzem noch wenig verbreitet. Um die Anwendung und Therapie der Vitalpilze zu fördern und als eigenständigen Bereich in der Naturheilkunde sachgerecht zu beschreiben, wurde vor einigen Jahren der Begriff „Mykotherapie“ geprägt. Seither finden vor allem in der Schweiz und in Deutschland Informationsveranstaltungen und Ausbildungsseminare mit dem Ziel statt, die Mykotherapie weiter bekannt zu machen. Vitalpilze finden mit ihren spezifisch energetischen und biochemischen Wirkungen bei Ärzten und Therapeuten ein breites Interesse, da sie teilweise neue und interessante Behandlungsmöglichkeiten eröffnen.
Die unter dem Titel „Mykotherapie in der TCM“ durchgeführten Seminare beschreiben Vitalpilze nicht nur aus Sicht der TCM- Energetik und Signatur, sondern auch schulmedizinisch und biochemisch. Der Seminarteilnehmer erfährt dadurch ein tiefes Verständnis über grundlegende Zusammenhänge in der Mykotherapie und deren Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis. Für die Ausbildung zum TCM Mykotherapeuten sind neben Grundlagenkenntnisse in TCM keine speziellen Voraussetzungen erforderlich.
Historischer Überblick
Vitalpilze in der chinesischen Medizin
Der Gebrauch von Pilzen als Heil- und Nahrungsmittel geht vermutlich bis in prähistorische Zeiten zurück. In China lassen sich erste Beschreibungen von Vitalpilzen in der chinesischen Medizin in die Zeit vom 2. und 3. Jahrhundert vor Christi Geburt zurückdatieren. Es handelt sich dabei um das Werk Wu Shi Er Bing Fang „52 Rezepturen bei Krankheiten“ das bereits Pilze zur Behandlung von Krankheiten erwähnte. In der Nähe der Stadt Chang Sha wurde bei der Öffnung eines der Hügelgräber von Ma Wang Dui im Jahre 1993 das auf Seidenrollen niedergeschriebene Arzneibuch entdeckt. Die Liste der 52 Krankheiten enthält 283 Rezepturen, die aus insgesamt 247 Kräutern und Pilzen zusammengestellt wurden. Die meisten Substanzen konnten identifiziert und zugeordnet werden und finden sich später in der Han Dynastie (206 vor Chr. – 220 nach Chr.), in dem schon erwähnten Klassiker der Materia Medica Shen Nong Ben Cao Jing wieder. Beschrieben wird der Zhu Ling (Polyporus umbellatus, Eichhase) aber auch spezielle Abhandlungen über Pilze wie Mu Er (Auricularia polytricha, Judasohr) und Ling Zhi (Ganoderma lucidum, glänzender Lackporling).
Historisch belegt ist, dass der Ling Zhi (Ganoderma lucidum, glänzender Lackporling) am Kaiserhof und bei taoistischen Mönchen äußerst beliebt war und als „Kraut Gottes“ hoch verehrt wurde. Wer ihn als Talisman bei sich trug, dem war großes Glück beschieden. Des Weiteren wird berichtet, dass etwa im 3. Jahrhundert vor Christi Geburt Ling Zhi als Bestandteil eines Elixiers für „Unsterblichkeit“, beziehungsweise für die Verlängerung und Pflege des Lebens, eingenommen und gerühmt wurde. Es zeigt sich also, dass dieser Vitalpilz bereits in den frühesten Aufzeichnungen der chinesischen Alchemie vorkommt und dort eine wichtige Rolle in der Pflege und Unterstützung der Gesundheit (Yangsheng) und zur Verbesserung der geistigen Stärke und Klarheit einnimmt.
Bis zum heutigen Tag sind zahlreiche Berichte über die Anwendung von Vitalpilzen verfasst worden. So schreibt zum Beispiel der berühmte Arzt Tao Hong Jing in der Materia Medica Ming Yi Bie Lu über den Mao Tou Gui San (Coprinus Comatus, Schopftintling) bei Verdauungsproblemen und Diabetes. Im Werk Ben Cao Bei Yao von Wang An wird über den Gebrauch von Dong Chong Xia Cao (Cordyceps sinensis, chinesischer Raupenpilz) bei Impotenz und Altersschwäche berichtet, und Hou Tou Jun (Hericium erinaceus, Igelstachelbart) wird im chinesischen Werk Zhong Guo De Zhen Jun von Liu Po bei Krebs im Verdauungstrakt empfohlen. Dieser Pilz wird allerdings als Nahrungsmittel schon sehr viel früher, vor allem im Südwesten und Norden von Chinas, hoch verehrt.
Das moderne China hat in den letzten 40 Jahren intensiv an der pharmakologischen Wirkung der Pilze geforscht und viele interessante klinische Studien veröffentlicht. Es sind in dieser Zeit auch einige interessante Pilzmonographien geschrieben worden. So zum Beispiel die im Jahre 1999 veröffentlichte große Sammlung von Vitalpilz-Rezepturen Xun Jun Yi Fang Ji Cheng von den Forschern Chen Shi Yu und Chen Hai Ying, in welchem bis 300 Pilze ausführlich beschrieben werden.
Vitalpilze in der Klostermedizin
Nicht nur der Osten ist mit der Heilkraft von Pilzen vertraut, auch die traditionelle europäische Medizin (TEM) kennt und verwendet Vitalpilze in der Therapie. Seit jeher sind es die Klöster des Heiligen Benedikt, in denen die Sorge um das ganzheitliche Wohl des Menschen im Mittelpunkt steht. So ist es nicht verwunderlich, dass die heilende Behandlung mit Pilzen schon vor Jahrhunderten auch in der europäischen Klostermedizin gekannt und geschätzt war. Überliefert ist zum Beispiel eine Empfehlung der bis heute bekannten Äbtissin und Medizinerin Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert, die in ihrem Werk Physika die vitalisierende Kraft des Lackporling (Ling Zhi, Ganoderma lucidum) beschreibt. Außer den Informationen zu den spezifischen Wirkungen verschiedener Vitalpilze existieren hier Anleitungen über Extraktionsverfahren, Dosierungen und interessanterweise auch Einnahmezeiten, um antibiotische Effekte und die spezifischen Wirkungen auf das Immunsystem zu optimieren. Die Mönche in den europäischen Klöstern wussten, dass durch Extraktion hergestellte zelluläre und molekulare Inhaltsstoffe der Pilze definitiv in der Lage sind, die Lebensqualität und Gesundheit der Menschen in vielen Situationen tiefgreifend zu verbessern.
Leider sind die Überlieferungen im Volk zu den pilzspezifischen- und gesundheitlichen Wirkungen der Vitalpilze in Europa im Laufe der Industrialisierung einfach „verebbt“. Danach wurden Pilze lange aufgrund ihres hohen Ballaststoffgehalts und geringen kalorischen Nährwerts nur als diätetische Nahrungsergänzung gesehen – oder eben als fakultativ giftig gemieden. Einzig in den Klöstern Europas wurde das Wissen um die Heilkraft der Pilze weiter sorgfältig konserviert, wobei jedoch die Erfahrungen und das Wissen keineswegs freimütig nach außen weitergegeben wurden. Bisweilen fürchtete man sich vor Missbräuchen – insbesondere das schamanische Treiben mit berauschenden Drogen aus Pilzen zur Bewusstseinserweiterung wurde als besonders fragwürdig abgelehnt.
Erst die Wissenschaft, vertreten durch Biologen, Mykologen und Mediziner hat in den letzten Jahren das bestätigt, was alte Kulturen, wie in China aber auch in Ägypten und Europa seit Jahrtausenden wussten: Pilze tragen die für uns Menschen und Tiere wirksamsten Heilsubstanzen in sich, die in der Natur zu finden sind. Heute ist die Mykotherapie eine moderne Wissenschaft, die im Grenzbereich zwischen Mykologie und Medizin angesiedelt ist und intensiv an der Wirkung verschiedener Vitalpilze forscht.
Biochemische Wirkung der Vitalpilze
Die weitreichenden medizinischen Wirkungen der Pilzsubstanzen in Großpilzen resultieren aus erworbenen, intelligenten Überlebensstrategien. Die Evolution der Pilze wurde im Laufe des längeren gemeinsamen Weges mit den Tieren, im Vergleich zu den Pflanzen, in der tiefsten „sozialen Schicht“ der ökologischen Umgebung geprägt. Somit konnten die Pilze als die größten „Recycler“ organischen Materials auf diesem Planeten und als Hauptversorger der Pflanzen mit lebensnotwendigen Substraten bestehen und überleben.
Auf diesem Weg haben sie u. a. gelernt, selbst antibakterielle , antivirale und antimykotische Inhaltsstoffe herzustellen – die auch zur Entdeckung des Penicillins oder der Cyclosporine geführt haben. Die gemeinsame Evolutionsspanne von Tieren und Pilzen hatte auch den Effekt, dass für beide nahezu das identische mikrobielle „Feindbild“ besteht – so wirken die Pilzsubstanzen auch gegen alle menschenpathogenen Erreger, während die Pflanzen über ein deutlich differentes Abwehrspektrum verfügen müssen.
Die Hauptwirkstoffgruppen der Pilze, die großmolekularen Beta–D-Glukane und die Triterpene haben ein breites , komplementäres Spektrum an klinischen Wirkungen. Es reicht von der natürlichen Entzündungshemmung über biologischen Strahlenschutz, Entgiftung auf Zellebene und der Antioxidation bis hin zu immunmodulierenden und antitumoralen Eigenschaften.
Eine von der Natur geschaffene, intelligente stoffliche Feinabstimmung von Aminosäuren, Provitaminen, Vitaminen, Enzymen, Mineralien und Spurenelementen mit den besonderen komplexen Wirkkomponenten, führt zu positiv–ausgleichenden Prozessen im Körper und zur „Homöostase“, so dass man Pilzpräparate auch als „biological response modifiers“ (BRM) bezeichnet und entsprechend therapeutisch einsetzt. In Korea werden die BRM deshalb heute als vierte Säule in der Krebstherapie in fast 80 % der Fälle adjuvant eingesetzt.( Im Vergleich: -Pilze 67% -Kräuter 54.1% -Ginseng 46.5%)
Pilze sind (wie auch Tier und Mensch) Chemosynthetiker, die aus gebotenen Nährstoffen vital erforderliche, komplizierte Enzyme, Vitamine und großmolekulare Sekundärstoffe synthetisieren können. Pilze machen etwa 25% der Biomasse auf der Erde aus – ohne sie wäre unsere Welt eine riesige Müllhalde organischer Abfälle.
Signatur der Vitalpilze aus westlicher Sicht
Seien wir uns bewusst, dass die Unterscheidung zwischen Tier und Pflanze auch als ernährungsphysiologische Gruppierung angesehen werden könnte. Die Ernährungsphysiologie bestimmt letztlich auch den Körperbau und die Lebensweise der Organismen. Die allermeisten Pilze sind standortgebunden wie auch die Pflanzen, sie unterscheiden sich aber in ihrer Ernährungsart, sie sind heterotroph: Sie ernähren sich mithilfe von Enzymen von organischem Material und sie sind redundant, sie bauen also diese organischen Stoffe in kleinste chemische Verbindungen ab. Es gibt keine organischen Verbindungen, die sich nicht durch Pilze reduzieren (transformieren) lassen!
Transformationskraft
Gerade diese unglaublich starke Kraft, organisches Material abzubauen und zu transformieren, um neue Nährstoffe für den Wiederaufbau bereitzustellen, ist ein wichtiges Wesensmerkmal der Pilze und muss gut verstanden werden. Hier liegt wohl die bedeutendste Eigenschaft, sprich „Signatur“ vor uns. Eine enorm revitalisierende Kraft, die für das stärkende und nährende Prinzip steht. Durch das Bereitstellen wertvoller Nährstoffe werden viele Organismen unterstützt und können ihrerseits wachsen und gedeihen. Obwohl der Lebensraum vieler Pilze an schwierigster Stelle im Naturkreislauf stehen,- nämlich dort wo verderben und verrotten geschieht und organischer Abfall entsteht, ist das Wirken am stärksten- hier leisten sie ihre volle Transformationsarbeit und sind Energielieferanten.
Symbiosepartner von Pflanzen und Tieren
Pilze können nicht nur Stoffe transformieren, sie besitzen auch die Fähigkeit, Nährstoffe zu transportieren um damit andere Lebensformen mit der nötigen Energie zu versorgen. Für das Verständnis der Pilzenergetik ist dies ein ebenfalls sehr wichtiger Aspekt.
Pilze gehen mit vielen Pflanzen und Tieren eine Symbiose ein. Bis zu 90% aller Pflanzen werden von Pilzen in ihrem Wachstum gefördert und unterstützt. Die Wurzeln vieler höherer Pflanzen sind außen von Pilzen „infiziert“, es entstehen dabei Pilzwurzeln, die sogenannten Mykorrhizen. Der Pilz versorgt damit die Pflanze mit Wasser und Nährsalzen, sein Myzel fungiert quasi als verlängertes Wurzelgeflecht. Die aufgenommenen Nährstoffe gehen in die Pflanze über und steigen noch oben. Auch für Pilze ist das Zusammenleben mit den Pflanzen von Vorteil: Sie werden direkt mit verwertbaren organischen Stoffen versorgt, die der Pilz für seinen eigenen Stoffwechsel benötigt. Einige Pilze bilden nur in Symbiose mit Pflanzen ihre Fruchtkörper aus, wie z. B. die Trüffel.
Entgiftung
Bemerkenswert ist die selektive Aufnahme von Metallverbindungen durch das Erdmyzel der verschiedenen Pilze. Diese Pilzeigenschaft ist von sehr großem Nutzen für die Natur, da sonst nur wenig weitere Organismen, wie z. B. Algen, Giftstoffe aufnehmen oder abbauen können.
Lebensräume
Pilze sind uralte Organismen, sie tragen die Urkraft der Schöpfung in sich. Studien lassen vermuten, dass Pilze bereits vor mehr als 600 Millionen Jahren das Festland besiedelten. Die ersten Pilze sollen sich bereits vor 800 bis 1.200 Millionen Jahren entwickelt haben. Demnach kann man davon ausgehen, dass Pilze zu den frühesten Organismen unseres Planeten zählen.
Pilze sind erdverbunden. Viele der Pilze wachsen am Boden und das Myzel, verborgen in der Erde, trägt das Wissen unseres Planeten als Erfahrung in sich (Paarkernmycel mit 2 verschiedenen Genomen). Pilze verbinden aber auch viele Lebensformen mit der Erde und verwurzeln und nähren diese. Pilze sind ein sehr stabilisierendes Element in der Natur- sie sind ein Bindeglied von Auf- und Abbauprozessen und passen ihre Ausbreitung den örtlichen Gegebenheiten an.
Auch das weltweit größte Lebewesen ist ein Pilz. Im Jahre 2004 entdeckten Wissenschaftler im Nationalpark im Unterengadin einen Hallimasch, dessen unterirdisches Geflecht ein Areal von 35 Hektar besiedelt. Ein noch größeres Exemplar steht in den Wäldern von Oregon in den USA. Es ist 120 Hektar groß, ca. 600 Tonnen schwer und sein Alter wird auf 2.400 Jahre geschätzt.
Die Erfolgsgeschichte der Pilze kann auf ihre enorme Kapazität von Selbstschutz und Anpassungsfähigkeit zurückgeführt werden. Über Jahrmillionen haben Pilze gelernt, sich an die stetig veränderten Umweltbedingungen anzupassen und sich gegen Angriffe von Viren, Bakterien und Parasiten mit natürlichen Substanzen zu schützen. Pilze besitzen demnach ein schier unüberschaubares Wissen an gespeicherten und erfolgreichen Überlebensstrategien.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Pilze nährende, entgiftende, regulierende und schützende Eigenschaft besitzen. Durch den Verzehr von Speisepilzen oder der Einnahme von Pilzpräparaten, wirkt sich dies positiv auf die Gesundheit der Menschen aus.
Energetik der Vitalpilze aus chinesischer Sicht
Die Affinität zur Erde
Wie oben beschrieben, ist eine der stärksten pilzenergetischen Prinzipien die Fähigkeit, Biostoffe zu transformieren, in Nährstoffe umzuwandeln und für die Verteilung und Versorgung von Lebensprozessen zu transportieren. Man kann daraus eine erste Grundaussage ableiten: Pilze transformieren und transportieren.
Dies entspricht im Wesentlichen den Funktionen von Milz und Magen, dem Erdelement der fünf Wandlungsphasen. Milz und Magen werden zusammen als die Wurzel des Nach-Himmel Qi bezeichnet, weil der Ursprung von allem Qi und Blut nach der Geburt dort erzeugt wird. In der Milz wird aus der aufgenommenen Nahrung und Flüssigkeit das Nahrungs-Qi „Gu Qi“ gewonnen. Die Milz verteilt anschließend das Nahrungs-Qi nach oben (Herz-Blut und Lungen-Sammel-Qi) und zu den Geweben (ganzer Körper und die vier Extremitäten). Hier erkennt man ähnlich wirkende energetische Qualitäten, die die Vermutung zulassen, dass Pilze und das Element Erde, Analogien aufweisen. Die gemeinsamen Qualitäten sind für Transformation und Transport von Biostoffen zur Versorgung von Lebensprozessen verantwortlich.
Durch die Einnahme der Pilze können sich die inhärenten Kräfte (Qi Qualität oder energetische Eigenschaft) positiv auf den Körper auswirken. Diese unterstützen durch eine generelle Stärkung und Regulierung der Körperfunktionen und durch die Versorgung mit wertvollen Inhaltsstoffen den gesamten Organismus. Man kann daraus eine zweite Grundaussage ableiten: Pilze stärken und nähren.
In der TCM kontrollieren die Milz und der Magen die verschiedenen Umwandlungen und Bewegungen im Körper und bilden so einen sehr wichtigen Qi-Mechanismus im Körper. Zusammen mit der Leber sind sie eine der fundamentalsten Achsen zur Regulierung und Bewegung des Qi Bedarfs im Organismus. Das äußert sich in einer guten Verdauung und in einer ausreichenden Bildung und Verteilung von Qi und Blut.
Da diese Prozesse sehr komplex sind, kann dies schnell zu Problemen führen, wodurch der normale Qi Verlauf beeinträchtigt werden kann. So kann beispielsweise eine Milz Qi Schwäche zur Ansammlung von Feuchtigkeit führen, die ihrerseits den freien Fluss des Leber Qi im mittleren San Qiao blockiert, was zu vermindertem Appetit, einer schlechten Verdauung, einem geblähten Abdomen und weichem Stuhl führen kann.
Das bedeutet, dass alles, was harmonisierend, regulierend und ausgleichend wirkt, einen positiven Einfluss auf den Qi- Mechanismus hat und so die normalen physiologischen Prozesse unterstützen wird. Ausgleichende, stabilisierende, neutralisierende und harmonisierende Lebensphänomene gelten in der TCM als Attribute des Erdelements der fünf Wandlungsphasen.
Pilze können also vom Gesichtspunkt der Energetik vorwiegend dem Erdelement zugeschrieben werden. In der Natur werden Aufbau und Ausbreitung ganzer Ökosysteme durch Pilze gesteuert und reguliert. Das unterirdisch angelegte Mycel (eigentlicher Pilz, Pilzgeflecht) fungiert dabei als intelligentes Netzwerk zur Stabilisierung und zum Ausgleich. Daraus können wir die dritte Grundsatzaussage ableiten: Pilze gleichen aus, regulieren und harmonisieren.
Pilze können Giftstoffe aufnehmen und in weniger giftige Verbindungen abbauen. Eine großartige Fähigkeit, die nur selten in der Natur vorkommt. Für das Ökosystem ist diese Entgiftungsarbeit enorm wichtig und von entsprechend großem Nutzen. Die Umwelt kann durch das Binden und Abbauen von Giftstoffen deutlich entlastet und besser regeneriert werden, was die Stabilität und das Wachstum im fragilen Ökosystem maßgeblich unterstützt.
Für die Gesundheit des menschlichen Organismus ist es von großer Bedeutung, dass möglichst wenige toxische und/oder anderweitig belastenden Stoffe in den Körper gelangen oder aufgenommen werden. Einmal belastet sind vor allem die Leber, die Nieren, die Haut, der Darm und das lymphatische System mit Entgiftungs- und Ausscheidungsprozessen beauftragt. Allen voran kann die Leber häufig mit Toxinen in Kontakt sein und belastet werden.
In der TCM nimmt die Leber eine wichtige Rolle in der Entgiftung ein. Denken wir zum Beispiel an ihre Aufgabe Blut aufzunehmen, welches in der Folge gekühlt und regeneriert wird, was übersetzt einer Entgiftung gleich kommt. Ist das Leberblut mit Hitze-Toxinen belastet, kann es in der Folge zu Hautproblemen mit starken Rötungen und Juckreiz kommen. Hier wirken vor allem die energetisch leicht bitteren Vitalpilze wie der Ling Zhi (Ganoderma lucidum, glänzender Lackporling) oder der Yun Zhi (Trametes versicolor, Schmetterlingstramete), die hervorragende Entgiftungseigenschaften aufweisen und zur Behandlung von Hauterkrankungen in Folge Leber-Blut Intoxikation heran gezogen werden können.
Pilze haben also neben dem starken Bezug zum Erdelement auch eine Verbindung zum Element Holz. Das überrascht nicht, da die meisten Vitalpilze an Bäumen wachsen oder in Symbiose mit ihnen leben. Pilze unterstützen also die Entgiftungsarbeit der Leber, können aber auch Giftstoffe im Darm binden und ausleiten. Die Entgiftungsarbeit beschränkt sich dabei nicht nur auf rein chemische Prozesse, -Pilze entgiften auch den psycho- emotional belasteten Menschen und bewirken so eine Art „Psycho-Hygiene“. Indem der durch ständigen Stress, Lärm und Reiz geplagte und belastete Geist entgiftet wird, kehrt Ruhe, Präsenz und Klarheit ein, was sich durch Gelassenheit und Flexibilität ausdrückt. Daraus können wir die vierte Grundsatzaussage ableiten: Pilze entgiften und leiten aus.
Die vierte Grundsatzaussage beschreibt die psycho- emotionale Wirkung der Pilze sehr schön. Regelmäßig wurden Pilze bei Ritualen und religiösen Riten verwendet, wo sie teilweise auch heute noch ihren Platz haben. Obwohl die dafür verwendeten Pilze zu den psychotropen Pilzen zählen, sahen Schamanen und Alchemisten den Platz der Vitalpilze ebenfalls in der Nähe der Götter. So wurde der Ling Zhi von taoistischen Mönchen als göttlicher Pilz der Unsterblichkeit bezeichnet und gerne vor Meditationsübungen eingenommen. Der Vitalpilz sorgt dabei für eine erhöhte Konzentration, die helfen sollte, den Geist vom Schweren und Trüben zu entbinden.
Eine mögliche, biochemische Erklärung für diese Effekte könnten die sogenannten adaptogenen, sekundären Wirkstoffe in den Vitalpilzen sein. Diese erhöhen unsere Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit und steigern so unsere innere Stabilität. Reich an diesen Substanzen sind wiederum der Ling Zhi, aber auch der Dong Chong Xia Cao (Cordyceps sinensis, Raupenpilz). Zu erwähnen wäre da noch der Hou Tou Jun (Hericium erinaceus, Igelstachelbart), der Substanzen wie die Erinacine enthält, die das Nervenwachstum fördern können. Dieser Vitalpilz hat einen ausgleichenden Effekt auf die Psyche und wird zum Beispiel bei Depression oder Nervenschwäche empfohlen. Daraus können wir die fünfte Grundaussage ableiten: Pilze haben eine Shen Wirkung.
Vitalpilze verfügen über einzigartige, energetische Eigenschaften. Ein besonderes Merkmal ist dabei eine sehr breite Anwendungsmöglichkeit, auch bei komplexen Krankheiten, wie zum Beispiel bei Krebserkrankungen. Im nächsten Abschnitt soll der Ling Zhi in einem Pilzporträt vorgestellt und dabei seine wichtige Rolle in der chinesischen Medizin dargestellt werden.
Pilzporträt
Ling Zhi, ein Vitalpilz als Elixier der Unsterblichkeit
Der berühmte Gelbe Kaiser Huang Ti scheute seinerzeit keine Mühe, um den Ling Zhi zu suchen und daraus ein Elixier der „Unsterblichkeit“ herzustellen. Unter der Führung eines taoistischen Priesters entsandte der Kaiser eine Flotte mit 3000 Mann Besatzung, um auf den Inseln der östlichen Meere nach dem Pilz zu suchen. Anscheinend verlief die Suche, wie auch spätere Expeditionen ohne Erfolg. Erst ca. 340-278 v. Chr. erwähnte der Dichter Qu Yuan in der Gedichtsammlung Chu Zi den Ling Zhi. 109 v. Chr. tauchten dann im kaiserlichen Palast erste Abbildungen des Ling Zhi auf. Ein Zeichen dafür, dass die Suche schließlich erfolgreich gewesen war. Das daraus hergestellte Elixier gewann zusehends an Bedeutung und so ordnete im Jahre 1004 n. Chr. der regierende Kaiser Chen Sung an, alle Ling Zhi Pilze, die im Reich gefunden würden, seien am Kaiserhof abzugeben. Innerhalb von drei Jahren wurden 10.000 Exemplare ausgehändigt. So blieb zu jener Zeit der Vitalpilz mit seiner wohltuenden Wirkung ausschließlich der kaiserlichen Familie und den wichtigsten Hofbeamten vorbehalten.
Ein echter Saprophyt
Der Ling Zhi bevorzugt als Lebensraum abgestorbenes Holz von Auen-, Eichen- und Hainbuchenwäldern. Sein rundlicher bis nierenförmiger Hut mit runzliger Haut wächst seitlich gestielt und hat zunächst eine hellgelbe Farbe, die später rotbraun und glänzend wird. Der Vitalpilz verholzt mit der Zeit komplett und ist so als Speisepilz nicht mehr genießbar. In der Naturheilkunde werden aus Kultivierung stammende Fruchtkörper und die daraus hergestellten Pulver und Extrakte verwendet.
Nomenklatur Materia Medica
Das Kräuterhandbuch „The Divine Husbandman´s Classic oft the Materia Medica“ spricht von sechs verschiedenen Lackporling- Arten, die sich durch ihre Farbe und Wirkung unterscheiden. Gesichert ist heute der „Ganoderma japonicum“, der eine sehr dunkle, bläulich-grüne Färbung aufweist und Ähnlichkeit mit dem purpurfarbenen Ganoderma „Zi Zhi“ hat, während Ganoderma lucidum „Ling Zhi“ (glänzender Lackporling), der von gelb bis rötlich-braun variiert, dem purpurroten Ganoderma „Chi Zhi“ entspricht. Gleichbedeutend mit dem bekannten „Ling Zhi“ sind der rote Ganoderma „Hong Zhi“ und der zinnoberfarbene Ganoderma „Dan Zhi“. Weiter wird unterschieden zwischen dem schwarzen Ganoderma „Hei Zhi“ und dem dunklen Ganoderma „Xuan Zhi“, was allerdings noch nicht als gesichert gilt.
Ein „göttlicher“ Pilz
Gemäß chinesischer Überlieferung gehört der Ling Zhi zur höchsten Kategorie der natürlichen Heilsubstanzen, zu den „Kräutern Gottes“. Damit ist gemeint, dass Ling Zhi vorbeugende und heilende Wirkungen besitzt und ohne Einschränkung oder Nebenwirkungen auch über einen langen Zeitraum eingenommen werden kann. In der TCM gibt es keine vergleichbaren Substanzen, welche über solch spezifisch-gute Eigenschaften verfügen.
Charakterisierung von Ling Zhi gemäß TCM Terminologie
Geschmack
- süß bis neutral, leicht bitter
Temperatur
- ausgeglichen
Organbezug
- Herz, Leber, Lunge, Milz, Niere, Magen
Wirkung
- stärkt das Qi von Herz, Leber, Lunge, Milz und Niere
- harmonisiert die Funktionen von Milz und Magen
- nährt das Blut
- beruhigt und stärkt den Geist Shen
- stärkt das Zheng Qi und reguliert das Wei Qi (Immunstimulierend und regulierend)
Indikationen
- Herz: tonisiert das Herz Qi, nährt das Herz Blut, Herz-Kreislauf-Probleme, Bluthochdruck, Nervosität, Schlafstörungen, Müdigkeit
- Leber: sorgt für den freien Fluss des Leber-Qi, entgiftet die Leber, nährt das Leber-Blut, Spannungsgefühl, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, Allergien, Unruhe, Schlafstörungen
- Lunge: tonisiert das Lungen-Qi, wandelt Schleim in der Lunge um, Husten, Bronchitis, Asthma, Erkältungsneigung, Kurzatmigkeit
- Milz: tonisiert das Milz-Qi, reguliert die Verdauung, Appetitlosigkeit, gastrointestinale Beschwerden, Gastritis, Müdigkeit
- Niere: tonisiert das Nieren-Qi, unterstützt die Nieren Essenz, Wechseljahresbeschwerden, Prostataschutz, frühzeitiges Altern
Zusammenfassung Ling Zhi
Im Pen Tsao Kang Mu, veröffentlicht im Jahre 1578 von Li Shih-Chen, heißt es:
„Verzehrt man Ling Zhi über eine längere Periode, erhöht sich die Intelligenz und verschwindet die Vergesslichkeit. Die Flinkheit des Körpers wird nicht enden, und die Jahre verlängern sich zu solchen von unsterblichen Feen.“
Allgemein fällt beim Ling Zhi die stark revitalisierende und regulierende Kraft auf, welche sich positiv auf die Zhang/Fu-Organe und Funktionen auswirkt und das extrem breite Wirkungsvermögen sowie die Unterstützung für ein langes Leben erklärt. In China gilt der Pilz als wirksamstes Mittel zur Stärkung der Gesundheit. Vor allem wirkt der Ling Zhi auf das Herz, die Leber und die Lunge und unterstützt sie in ihren Beziehungen und Funktionen zu Qi und Blut. Der Ling Zhi hat wie jeder Vitalpilz eine entgiftende und adaptogene Wirkung. Dies geschieht auf natürliche und sanfte Art, daher eignet sich der Vitalpilz auch problemlos für eine Langzeiteinnahme.
Schlusswort
Wer Vitalpilze einnimmt, tut also nicht nur allgemein seiner Gesundheit „etwas Gutes“. In den Vitalpilzen stecken exzellente Wirksubstanzen, die einzigartig in der Natur sind und uns zur Verfügung stehen. Daher werden viele Pilze seit über 2500 Jahren von vielen Kulturen hoch verehrt und sehr geschätzt.
Vitalpilze eröffnen uns interessante, neue Therapiemöglichkeiten. Diese zu integrieren, ist eine Bereicherung für unseren Praxisalltag. Auf diesem Weg können wir viel Neues und Spannendes erfahren, aber auch staunen über das, was noch unerklärbar bleibt. In diesem Sinne wünsche ich viel Freude, eine alte Tradition neu zu entdecken.
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