Eine wichtige Überlegung führt uns zu der Frage, wie sich diese Mineralstoffe der Biochemie nach Dr. Schüßler mit anderen Heilweisen kombinieren lassen! Das führt uns zu allererst zur „Gegenüberstellung von Heilweisen“, denn aus den Schlüssen, die aus dieser Gegenüberstellung gezogen werden, ergeben sich auch Hinweise für die praktische Ausgestaltung in der Anwendung in dieser Heilweise!
Die herkömmliche medizinische Heilweise [I]
Die Medizin ist auf einer so phantastischen Stufe ihrer Entwicklung, dass eine Steigerung fast nicht mehr vorstellbar ist. In ihrem Bereich ist sie unübertrefflich. Sie bekämpft die Krankheit, was oft lebensrettend ist und auch dementsprechend gewürdigt gehört.
Bedenklich wird es nur, wenn sich die Medizin für „allmächtig“ erklärt bzw. ihre doch des Öfteren vorhandene Ohnmacht verleugnet. Es geht um ihre Einordnung in ein umfassendes Gebäude von der Begleitung und Betreuung des Menschen auf seinem Lebensweg.
Die übliche Auffassung der Menschen von der Medizin ist nämlich die, dass sie die Erscheinung von Problemen zu verhindern oder zu verdrängen hat. Es werden die Symptome weggedrängt, weggedrückt und die Schmerzen unterdrückt. Die Krankheit ist bei dieser Auffassung ein Feind des Menschen, die der Mediziner zu bekämpfen hat und der Patient sollte sich möglichst nicht einmischen, denn er versteht ja doch nichts davon.
Stefan Zweig hat diesen Sachverhalt in seinem Buch „Heilung durch den Geist“ folgendermaßen dargestellt: „Die wissenschaftliche Medizin betrachtet den Kranken und seine Krankheit als Objekt und weist ihm beinahe verächtlich die Rolle absoluter Passivität zu; er hat nichts zu fragen und nichts zu sagen, nichts zu tun als den Anforderungen des Arztes gehorsam und sogar gedankenlos zu folgen und sich selbst möglichst aus der Behandlung auszuschalten.“ [2]
Bei dieser Betrachtungsweise der Medizin und des Kranken beziehungsweise des Arztes sind die Medikamente die Kampfmittel gegen die Krankheit. Der Arzt ist der Fachmann, der Patient der Zuschauer und die Krankheit der Feind. Abgesehen vom wirklich notwendigen Einsatz verschiedener Medikamente, wird oft unnötigerweise viel zu scharf geschossen, nur damit eine Störung möglichst rasch beseitigt ist. Aber auch die Patienten sind hier bestimmend, denn sie wollen sich oft mit einem langen Prozess einer tatsächlichen Heilung nicht stellen.
Wie groß die Entfernung des Arztes zum Menschen schon geworden ist, schreibt sehr eindringlich und anschaulich Viktor Frankl in seinem Buch „Die Sinnfrage in der Psychotherapie“:
„Gewiss, dem Arzt liegt die Sachlichkeit, die ärztliche Einstellung zum Kranken ist notwendigerweise voll innerer Distanz. Denken wir doch nur daran, wie eine ärztliche Visite in einem Spital vor sich geht. Man hat jeweils nicht den Menschen, sondern den Fall vor Augen. Der Assistent, der den Chef bei der Visite führt, stellt ihm die Kranken vor als je einen Fall von dieser oder jener Krankheit. Im Allgemeinen neigt der Arzt auch dazu, die Krankheit zu behandeln, und nicht den Kranken, nicht den kranken Menschen. Und immer wieder hört man den Ausdruck, das ist ein Fall von …. Bemerken Sie: das – also nicht der, nicht dieser Mensch da; weiter: ist, also nicht hat – also ist nicht die Rede von einer Krankheit, die dieser Mensch hat, sondern nur von dem Fall, der dieser Mensch ist; dann: ein Fall, also ein beliebiger, der bloße Repräsentant einer bestimmten Krankheit – oder vielleicht der Fall Nummer soundsoviel aus einer Reihe, genannt das Kranken-Material. Mit diesen Redewendungen, die sich unbewusst in den ärztlichen Jargon einschleichen, ist zur Genüge gekennzeichnet, wie tief und weit diese Distanzierungstendenz seitens des Arztes, dessen Verdinglichung von Menschen geht.“ [III]
Es wäre aber falsch, ein Feindbild der Medizin gegenüber aufzubauen! Es ist tragisch, wenn Menschen zu spät zu einer notwendigen medizinischen Versorgung kommen, nur weil sie allzu lange auf Methoden und Möglichkeiten gebaut haben, die für ihr Problem nicht angemessen waren.[iv] Wer allzu lang die Grundsäulen der Gesundheit missachtet hat, bei dem werden sanfte Methoden nicht mehr greifen.
Der Patient wird viel zu wenig auf seine Eigenverantwortlichkeit aufmerksam gemacht. Dadurch wird das Augenmerk kaum auf die Gesundheitsvorsorge gelenkt, für die jeder einzelne selbst zuständig ist. Dabei könnte aber so manche schwere Erkrankung schon in den Anfängen aufgefangen werden und viel Leid bliebe erspart.
Die klassische medizinische Heilweise ist auf jeden Fall angebracht, wenn sich der Mensch auf der körperlichen Ebene aus eigener Kraft nicht mehr zufriedenstellend organisieren kann. Solange das nicht der Fall ist, sind ausschließlich Beratung und Information über jene Maßnahmen zu geben, die der Patient für sich braucht, um mit den anstehenden Problemen aus sich heraus zurecht zu kommen. Es besteht nur eine hauchfeine Grenze zwischen Entmündigung, einer angemessenen Beratung bzw. Begleitung und einer not-wendenden Behandlung.
Die Reizheilweise
Sie will mit einem Reiz die Selbstheilungskraft des Organismus herausfordern, so dass dieser aus sich heraus, aus eigener Kraft, mit der Krankheit zurechtkommt. Diese Heilweise ist wunderbar, wenn die Reize dem Menschen und dem Leiden entsprechend gesetzt werden und der Organismus fähig ist, auf die Reize zu antworten.
Bezüglich der Reize ist es unbedingt notwendig, das Arndt-Schulz´sche Reizgesetz zu kennen.
Es besagt, dass leichte Reize die Lebenskraft anfachen, mittlere Reize die Lebenskraft stärken, starke Reize die Lebenskraft schwächen und stärkste Reize die Lebenskraft lähmen. Berücksichtigt man diese Regeln, ist zu erkennen, wie falsch der Grundsatz ist: „Je stärker, je härter, je fester usw. umso besser.“
Es ist falsch, wenn beim Zubereiten von Tee ein Löffel auf eine Tasse gegeben wird; es ist falsch, wenn bei der Massage gesagt wird, es müsse so richtig weh tun; es ist falsch, wenn bei der Elektrotherapie so weit aufgedreht wird, dass man es gerade noch aushält; es ist auf allen medizinischen Gebieten falsch, wenn es lediglich darum geht, eine Störung möglichst rasch zu beseitigen, ohne der Ursache auf den Grund zu gehen.
Jene Ärzte sind zu bewundern, die beispielsweise das Fieber nicht mehr unterdrücken, sondern es langsam abklingen lassen, sofern es verantwortbar ist, oder auch Schmerzen nicht sofort unterdrücken – sie sind ja ein Hilfeschrei des Körpers und für die Diagnose oft wichtig.
Wird der Organismus mit Reizen konfrontiert oder belastet, mit welchen immer, muss berücksichtigt werden, dass Betriebsstoffe benötigt und verbraucht werden. Das muss auch im Hinblick auf unsere Reizgesellschaft gesehen werden, in der die Überflutung so stark ist, dass immer öfter Abstumpfung die Antwort darauf ist. Das ist nichts anderes, als die vierte Stufe vom Reizgesetz, also die Lähmung.
Durch die starken und vielen Reize wird die Lebenskraft gelähmt. Die Umwelt kann oft nur mehr sehr schwer wahrgenommen werden, die Verbindung zur Außenwelt wird immer dünner, und der Mensch richtet sich immer mehr auf sich selbst aus, was zur Vereinzelung (Vereinsamung) führt. Das ist übrigens ein enorm wichtiger Gesichtspunkt, der bei Nr. 12 Calcium sulfuricum zum Tragen kommt.
(Es erhebt sich die Frage, ob in diesem Falle eine Reizheilweise überhaupt noch angebracht ist!)
Es ist wie bei einer Schnecke. Zuerst zieht sie ihre Fühler zurück, im ersten Erschrecken eines zu starken Reizes, dann zieht sie sich in ihr Haus zurück. Die Kontakte nach außen sind damit abgebrochen. Auch noch so sensible Bemühungen prallen dann am Panzer, dem Gehäuse ab. In der Zeit des Zurückgezogen Seins gibt es für die äußere Welt, die Umgebung, nur die Möglichkeit des Wartens, bis das Wesen von innen her wieder die Kraft und das Vertrauen bekommt, nach außen zu treten. Die Schale schützt die Schnecke, hindert sie aber auch zugleich, so ohne weiteres wieder aus sich heraustreten zu können.
Um aber auf Reize antworten zu können, muss der Betrieb des Organismus in Ordnung sein, das heißt auch, er muss genügend Betriebsstoffe zur Verfügung haben. Die Betriebsstoffe sind die Mineralstoffe. Es gibt überhaupt keinen Vorgang im Körper, der nicht Betriebsstoffe also Mineralstoffe verbraucht, wie auch schon an anderer Stelle betont wurde.
Wenn also durch Tee trinken (nicht jeder Tee ist ein Reiz), Phytotherapie[V], Homöopathie, Duftstoffe, Nosoden oder was immer an Reizen[vi] oder Reizstoffen an den Körper heran beziehungsweise in den Körper hinein gebracht wird, dann muss dieser auf den Reiz antworten, er muss seinen Betrieb in Gang setzen, was nur so lange möglich ist, so lange Betriebsstoffe zur Verfügung stehen. Ist das nicht mehr der Fall, versucht der Organismus den Reizen aus dem Weg zu gehen, wie das bei vielen Menschen der Fall ist, wie in der Fußnote ausgeführt, die sagen, dass sie keine Sonne mehr vertragen.
Auf viele Reize kann der Organismus auch nicht mehr antworten, obwohl sie ihm in Form von Arzneimitteln zugeführt werden. Ein homöopathischer Arzt hat das Problem der fehlenden Betriebsstoffe einmal so formuliert: „Die Homöopathie will etwas bewegen, aber manchmal lässt sich nichts mehr bewegen.“
(Therapieblockade! Beispiel vom müden klapprigen Gaul, der den aufputschenden Peitschenschlag nicht mehr spürt, sondern abgestumpft weitertrottet.)
Die Versorgung mit den notwendigen Betriebsstoffen ist dann die einzig mögliche, weil angemessene Antwort auf die Unfähigkeit des Organismus, auf Reize zu antworten.
Die physiologische Heilweise [VII]
ist eine körpergerechte, den Anforderungen des Organismus gerecht werdende Heilweise.
Sie ist eine Heilweise, die grundsätzlich die Not, das Defizit des Menschen im Blickfeld hat. Von dieser Not aus, nämlich dem zugrunde liegenden Mangel, werden dann die Interventionen gewählt.
- Es kann durchaus erforderlich sein, dass jemand eine längere Zeit der Erholung benötigt, weil er zu lange nicht ausgespannt hat.
- Leidet jemand an Unterkühlung, braucht er keinen Reiz, um Wärme zu produzieren; das ist ihm nicht möglich. Er benötigt dringend Zufuhr von Wärme,
- Bei Energiemangel kann es einfach notwendig sein, Energie zuzuführen; auf welche Art immer, aber auf jeden Fall verantwortungsvoll. Bei einem Zuviel, einer Überladung braucht der Mensch eine Entladung der überschüssigen Energie.
- Wenn die Energie in kräfteraubende Strukturen investiert wird, kommt es zu großer Erschöpfung. Hier ist es angebracht, auf die Fixierungen und zwanghaften Strukturen hinzuweisen und wie mit ihnen umgegangen werden kann. Es fehlt Information, wie das geht. Das ist kein Reiz, sondern eine notwendige Versorgung auf der richtigen Ebene.
- Wenn Menschen an großer Einsamkeit leiden, dann brauchen sie sicher kein Beruhigungsmittel, sondern Gespräche und auch Anleitungen, Hilfestellungen dafür, wie man Beziehungen knüpft, wie es möglich ist, Gemeinschaften zu finden und Berührungsängste abzubauen.
- Entwickelt jemand durch extreme, einseitige Charaktereigenschaften einen großen Mangel an bestimmten Mineralstoffen, sollte er auch an diesen Strukturen arbeiten und nicht nur die Mineralstoffspeicher auffüllen.
- Umgekehrt, sollte jemand durch einen Mangel an einem bestimmten Mineralstoff intensive, belastende Gefühle erleiden, so ist es notwendig, die Mängel aufzufüllen und nicht unnötigerweise nach scheinbar damit verbundenen belastenden, krankhaften Charakterstrukturen zu suchen. (Somatopsychologie)
- Manchmal ist es auch notwendig, eine Ortsveränderung durchzuführen, wenn jemand durch eine allzu lange Nebelphase an einer Depression erkrankt. Für ihn ist das Sonnenlicht mit all seiner Farbenfülle dann die Not-wendende Versorgung.
- Die Biochemie nach Dr. Schüßler ist von ihrem Wesen her eine reine physiologische Heilweise, da sie die Mängel auffüllt. Bei einem Mangel werden die entsprechenden Mineralstoffe aufgefüllt und erst nachher nach weiteren tieferen Ursachen geforscht.
Die Biochemie nach Dr. Schüßler ist physiologisch, weil die einzelnen Salze (Mineralstoffkombinationen) dem Körper nicht fremd sind, sondern er sie selbst permanent in jeder Zelle, im Gewebe und in den Flüssigkeiten enthält.
Da immer auf das geschaut wird, was dem Organismus fehlt, oder wessen er bedarf, können als Antwort nur dem Körper und seinen Anforderungen gerecht werdende Maßnahmen ergriffen werden. Alles, was nicht dem Körper entspricht, also als heterogen bezeichnet wird, dem Körper fremd ist, hat in dieser Heilweise keinen Platz.
Dr. Schüßler schreibt in der „Abgekürzten Therapie“ [VIII]:
„Die Biochemie erreicht direkt ihr Ziel: Deckung eines Deficits; die anderen Heilmethoden, welche Mittel anwenden, die den, den menschlichen Organismus konstituierenden Stoffen heterogen[ix] sind, erreichen das Ziel indirekt.“
Die physiologische Heilweise wird in ihren Bemühungen ausschließlich homogene, dem Körper gleichartige Wirkstoffe verwenden bzw. dem Körper adäquate (angemessene).
Da aber die Physiologie auch die Wissenschaft von den Grundlagen des allgemeinen Lebensgeschehens ist, erfasst die physiologische Heilweise alle Ebenen des Menschen mit all den entsprechenden Bedürfnissen.
Quellen-Nachweis:
- Feichtinger, Niedan Feichtinger: Handbuch der Biochemie nach Dr. Schüßler, Stuttgart: Haug Verlag, 4. Auflage, S77ff
- Zweig, Stefan: Die Heilung durch den Geist, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1983, S 19
- Frankl, Viktor: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, München: Piper & Co. Verlag, 1979, 10. Auflage 1995, Seite 113
- Ich unterscheide hier in einem Wortspiel immer wieder zwischen alternativen und alternaiven Menschen!
- Wissenschaft von der Heilbehandlung mit pflanzlichen Substanzen.
- Ein besonders starker Reiz sind die Sonnenstrahlen für den Organismus. Wenn sich jemand in die Sonne legt, muss der Organismus ebenso viel leisten, um den Reiz auszugleichen, wie bei der Tätigkeit des Holzhackens. Es ist dies eine der schwersten Arbeiten und der Vergleich zeigt auf, welche enormen Aufwendungen der Organismus zu tätigen hat, mit den anfallenden Belastungen zurecht zu kommen. Es muss die Wärme reguliert werden. Die Oberhaut muss verstärkt werden, indem ein stärkerer Filter aufgebaut wird, was wir als Bräunung verstehen. Der Stoffwechsel wird enorm beschleunigt, das Herz schlägt schneller und unter Umständen steigt sogar die Körpertemperatur. Für die Besorgung dieser Vorgänge wendet der Organismus enorm viele Mineralstoffe auf, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Hauptsächlich wird während der akuten Belastung extrem viel Nr. 3 Ferrum phosphoricum für die anfallenden Transporte und die Sauerstoffversorgung verbraucht. Hat jemand einen größeren Mangel an diesem Mineralstoff, kann er es sich nicht mehr leisten (Der Körper kann den Ausgleich der Belastung nicht mehr l e i s t e n), in der Sonne zu liegen. Er wird die direkte Sonneneinstrahlung meiden und behaupten: „Ich vertrage die Sonne nicht mehr.“ Er weist damit indirekt auf den Mangel hin.
- Physiologisch: die Lebensvorgänge im Körper betreffend
- Schüßler, Abgekürzte Heilweise, 31. Auflage, 1904, Seite 9
- anders geartet, ungleichartig, fremdstoffig (DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung)
…wird fortgesetzt
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