Entzündungshemmer Selen – Natürlicher Immunaktivator bei chronischen Entzündungen

Selen ist ein Spurenelement, welches im menschlichen Organismus in sämtlichen Geweben und Organen in unterschiedlicher Konzentration benötigt wird, um unsere Körperzellen vor dem Angriff freier Radikale zu schützen. Viele chronische Erkrankungen und Entzündungen entstehen durch den Angriff der freien Radikale auf die Zellwände und Zellstrukturen. Ohne einen ausreichenden Schutz durch Antioxidantien werden diese zerstört und es kommt so zum Zelltod. Selen ist das wichtigste endogene Antioxidans des Körpers, denn im Gegensatz zu Vitamin A, C, E und den anderen exogenen Radikalenfängern (Scavenger) ist es wesentlich intensiver wirksam und schützt uns somit auch vor der Entartung von Zellen. Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung von Selen zur Abwehr chronischer Entzündungen und Krebserkrankungen.

Die Bedeutung von Selen als Antioxidans für die Gesundheit

Um höheres Leben entwickeln zu können, stellte die Natur die Energiegewinnung von anaerober Atmung auf Sauerstoff-Atmung um. Nur so kann der deutlich erhöhte Energiebedarf aller höheren Lebewesen gedeckt werden. Gleichzeitig führt dies aber auch zu einem deutlich erhöhten oxidativen Stress und zur Ausbildung diverser freier Radikale im Organismus. Freie Radikale sind zwar im Übermaß für die Zellen schädlich, jedoch sind sie auch in der Lage, krankmachende Fremdstoffe, wie Bakterien, Viren und Pilze zu zerstören, deshalb sind sie trotzdem für unsere Gesundheit wichtig. Entscheidend ist ein Gleichgewicht zwischen Oxidantien und Antioxidantien im menschlichen Körper.

Bei den Antioxidantien unterscheidet man die sofort wirksamen, exogenen Antioxidantien (Vitamin A, C, E, Coenzym Q10, etc.), die unspezifisch die freien Radikale angreifen von den endogenen, reaktionsträgeren, aber spezifischen Antioxidantien (Gluthathionperoxidase, Katalase, Superoxiddismutase und Gluthation-Transferase). Letztere wirken sehr viel intensiver bei der Abwehr der freien Radikale. Um gesund zu bleiben, ist es wichtig, beide Abwehrsysteme durch eine gute Zufuhr von Vitalstoffen in Schwung zu halten.

Unter den endogenen Antioxidantien nimmt Selen eine besondere Stellung ein. Zusammen mit Glutathion (ein Komplex aus drei verschiedenen Aminosäuren), bildet es die Glutathionperoxidase, die ubiquitär im Organismus organische Peroxidradikale zu Wasserstoffperoxid reduziert. Derzeit sind über 20 Selen-abhängige Proteine bekannt, die auch viele zusätzliche Funktionen im Körper übernehmen.

Selenoproteine

Die Tabelle zeigt die wichtigsten Selenoproteine:

Quelle: Reinhard Saller et al.: Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin 2007; 19(6): 333-340; Verlag für GanzheitsMedizin, Basel

Versorgungssituation mit Selen in Deutschland

Um die Funktion als endogenes Antioxidans erfüllen zu können, benötigt der Mensch circa 200 µg Selen am Tag. Dieser Wert kann durch die Ernährung in Deutschland nicht erreicht werden. Dabei ist es unerheblich, ob man sich vegan, vegetarisch oder als Mischkostler ernährt. Schuld daran ist eine Auswaschung der Böden in großen Teilen Europas nach der Eiszeit für Selen und Jod, sowie eine Überdüngung der landwirtschaftlichen Flächen mit Natrium. Im Schnitt erreicht ein Bundesbürger nur 25 – 35 µg Selenzufuhr am Tag und somit herrscht bei einem Großteil der deutschen Bevölkerung ein ständiger Mangel. Weltweit ist die Selenversorgung unterschiedlich wie folgende Tabelle zeigt:

Gut versorgt sind in unseren Breiten nur Menschen, die Selen als Nahrungsergänzungsmittel täglich zuführen. Ein deutlich erhöhtes Risiko für chronische Entzündungen sowie für maligne Erkrankungen haben Menschen, die täglich unter 60 µg Selen zuführen. Dies belegen epidemiologische Studien (Biesalski et al.; Taschenatlas der Ernährung. Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York 2004).

Um 200 µg Selen mit der Nahrung aufzunehmen, müssten unrealistische Mengen an Nahrungsmitteln pro Tag zugeführt werden, wie die folgende Tabelle zeigt:

• 1400 g Fleisch
• 4000 g Wurst
• 6600 g Milch
• 800 g Eier
• 800 g Fisch
• 24 kg Gemüse
• 40 kg Kartoffeln
• 50 kg Obst

Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung, werden nur 60 µg Selen am Tag empfohlen. Die Empfehlung stellt aber das absolute Minimum dar und ist nicht geeignet, um entzündliche oder rheumatische Erkrankungen zu vermeiden bzw. ihren Verlauf zu bessern. Dies belegen mehrere Studien der Vergangenheit (Knekt P et al: Serum selenium, Serum alpha-tocopherol, Epidemiology: July 2000-Volume 11-Issue4-pp 402-405; Müller U: Zur Wirkung einer adjuvanten Selen Supplementierung bei Pat. mit chronischer Polyarthritis. Epidemiology 1990, 11:402-405; O`Dell JR et al: Serum selenium in rheumatoid Arthritis. Sem Arth Rheum 1991, 20:305-318; Peretz A et al.: Selenium supplementation in rheumatoid arthritis investigated in a double blind placebo-controlled trial. Scand J Rheumatol 2001, 30(4): 208-212).

Organisches oder anorganisches Selen?

Das im Boden vorkommende Selen ist anorganisch, wird aber von Tieren und Pflanzen aufgenommen und zu organischem Selen umgewandelt. In der Nahrung vorkommendes Selen ist immer organisch und gebunden, wie zum Beispiel an Aminosäuren wie Methionin und Cystein. Dagegen kann Selen in Nahrungsergänzungsmitteln sowohl in organischer als auch in anorganischer Form vorkommen. Bekannt ist, dass organische Selenverbindungen wesentlich besser vom Körper resorbiert werden, sie sind in selenabhängigen Enzymen und Selenproteinen enthalten. Außerdem werden organische Selenverbindungen durch die gleichzeitige Einnahme von Vitamin C nicht reduziert.

Der Einfluss von Selen bei chronischen Entzündungen

Selen ist ein wichtiger Faktor bei der Heilung von Entzündungen, denn bei einem Mangel kommt es zu einer Reduzierung der Wirksamkeit des Immunsystems, sowie der Anzahl von aktiven Immunzellen. Der weit verbreitete Selenmangel spielt eine zentrale Rolle bei vielen chronischen Erkrankungen. So wurden häufig bei Rheuma, Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn niedrige Selenspiegel im Blut festgestellt. Ein Selenmangel führt über eine Anhäufung von freien Radikalen zu einer Aktivierung von Phospholipasen, die wiederum die Freisetzung von Arachidonsäure und die Synthese von Eicosanoiden fördern. Sowohl die Arachidonsäure als auch Eicosanoide fördern die Entzündungsreaktionen und spielen bei der Pathogenese von chronischen Entzündungen eine entscheidende Rolle. Zusätzlich bewirken freie Radikale die Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen, die in den Gelenken zu einer Knorpelschädigung führen können.

Hinter chronischen Gelenkentzündungen steckt oft ein Selenmangel

Die Keshin-Beck Krankheit ist eine Selenmangel bedingte chronische Entzündung der Gelenke. In der täglichen Praxis sollte daran gedacht werden, denn es handelt sich dabei um eine seronegative, chronische Gelenkentzündung (daher ohne Rheumafaktoren) und schon eine Optimierung der Selenzufuhr kann zu erstaunlichen Heilungserfolgen führen. Dass ein verminderter Selenspiegel, wie beschrieben, das Auftreten von chronisch entzündlichen Gelenkerkrankungen fördert, belegen auch mehrere Studien (Youn HS et al.: Selenium supress the activation of transcription factor NF-kappa B and IRF3 Induced TLR3 or TLR 4 agonists. Int Immunopharmacol. 2008 Mar; 8(3): 495-501; Zamamiri-Dvis F et al.: Nuclear factor-kappaB mediates over expression of cyclooxygenase-2 during activation of RAW 264.7 macrophages in selenium deficiency. Free Radic Biol Med. 2002 May 1;32(9):890-7).

Außerdem führte der Einsatz von Selen bei rheumatoider Arthritis zu einer signifikanten Reduzierung der Entzündungsparameter wie C-reaktives Protein, Prostaglandin E2 und Alpha-2-Globulin. Wichtiger als das Absinken der Laborwerte war aber, dass auch die Beschwerden der Patienten deutlich rückläufig waren (Heinle K et al.; Selenkonzentration in den Erythrozyten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. Klinische und laborchemische Entzündungszeichen unter Supplementierung mit Selen. MedKlin 1997 Sep 15; 92 Suppl 3:29-31).

Wie bei allen anderen Vitalstoffen ist eine Monotherapie nicht effektiv, wie eine Studie belegt, daher sollten zusätzlich zu Selen auch weitere Vitalstoffe ergänzt werden (Peretz A et al: Selenium supplementation in rheumatoid arthritis investigated in a double blind, placebo-controlled trial. Scand. J Rheumatol (2001); 30(4):208-12).

Während die Keshin-Beck Krankheit eine Erkrankung des Erwachsenenalters ist, sind ähnliche Gelenkbeschwerden auch bei Kindern beschrieben worden. Es ist daher sinnvoll, auch bei Kindern mit unklaren Gelenkschmerzen einen Therapieversuch mittels Selensubstitution zu versuchen. Hierbei sollte eine Dosierung von 100 µg am Tag angestrebt werden.

Schilddrüse und das Herz benötigen Selen

Chronische Entzündungen der Schilddrüse sind häufig mit einem Selenmangel assoziiert. Die Produktion von aktiven Schilddrüsenhormonen ist abhängig von sogenannten Dejodasen Typ 1 bis 3. Diese können ihre Wirkung nur entfalten, wenn genügend Selen zur Verfügung steht. Bei einem Selenmangel werden chronisch entzündliche Erkrankungen wie Morbus Hashimoto gefördert. Im eigenen Patientenkollektiv konnten durch die Gabe von 200 µg Selen erstaunliche Erfolge erzielt werden: Die Schilddrüsenbeschwerden waren deutlich rückläufig und oft konnte auch auf die Einnahme von Schilddrüsenhormonen verzichtet werden.

Auch die Keshan Krankheit ist auf einen Selenmangel zurückzuführen. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer schädlichen Vergrößerung des Herzens mit Entzündung des Herzmuskels. Wichtig ist es, bei unklaren Vergrößerungen des Herzens mit oder ohne Entzündungen, an einen potentiellen Selenmangel zu denken und einen Therapieversuch mit dem Spurenelement zu starten. Häufig können so schwerwiegende Krankheitsverläufe und teure Medikationen vermieden werden.

Störfelder im Körper belasten das Immunsystem

Sehr häufig klagen Patienten über ein chronisches Müdigkeitssymptom und Leistungsminderung, ohne dass eine Ursache gefunden werden kann. Nicht selten werden diese Patienten mit Psychopharmaka behandelt und dabei wird oft übersehen, dass ein Störfeld im Körper vorliegt. Am bekanntesten und häufigsten ist das Störfeld einer Amalgamfüllung. Diese kann im Einzelfall den Körper chronisch mit Quecksilber belasten, was zu einer dauerhaften Schwächung des Immunsystems führt und die oben erwähnten Symptome induziert. Neben Amalgam gibt es aber noch eine Reihe anderer Schwermetalle, die das Immunsystem schwächen können. Es ist daher sehr wichtig, mögliche Störfelder herauszuarbeiten. Selen kann mit vielen Schwermetallen unlösliche Komplexe eingehen, die dann im Fettgewebe gespeichert werden. Damit sind die Schwermetalle zwar nicht beseitigt aber neutralisiert. Um die Schwermetalle anschließend auszuleiten, muss eine Ausleitungstherapie von dafür geschulten Spezialisten durchgeführt werden.

Selen hilft bei HIV

Bei Patienten mit HIV Infektion konnte in einer Studie gezeigt werden, dass durch die Gabe von Selen in einer Dosierung von 200 µg die Hospitalisierungsrate deutlich abnahm und sich die Patienten psychisch stabiler fühlten (Burbano et al.; Impact of a selenium chemoprevention clinical trial on hospital admissions of HIV-infected participans. HIV Clin Trials (2002 Nov-Dec);3(6):483-91). In einer anderen Studie mit 262 Patienten konnte eine Stabilisierung der Viruslast, sowie eine Steigerung der Anzahl der CD4-Zellen nachgewiesen werden (Hurwitz et al; Supression of human immunodefiency virus type 1 viral load with selenium supplementation. A randomized controlled trial. Arch Intern Med 167:148-154, 2007). Bei HIV infizierten Frauen und deren Kindern in Tansania konnte nachgewiesen werden, dass niedrige Selenspiegel mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert sind. (Kupka et al.: Selenium status is assiociated with accelerated HIV disease progession among HIV-1-infected pregnant woman in Tnazania. J Nutr. (2004Oct) 134(10):2556-60)

Selen ist ein wichtiges Therapeutikum bei Störfeldern und Entzündungen

Zusammengefasst gilt, dass Selen bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen und Störfeldern als endogenes Antioxidans eine zentrale Rolle spielt. Allerdings ist es auf seine Vitalstoffpartner angewiesen und sollte nicht alleine eingesetzt werden. Zumal auch andere Vitalstoffe einen positiven Einfluss auf chronische Entzündungen haben und somit die Therapie so noch effektiver wird.

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