Gebot 22:
Alles ist göttlich
Nichts in der Schöpfung geschieht ohne einen bestimmten Zweck. Dies mag dem argumentierenden, logischen Denken unbekannt sein. Allen Geschehnissen liegt ein verborgenes Entwicklungsziel zugrunde. Kriege, Schicksalsschläge, Krisen, Krankheiten mit dem entsprechenden Kummer und Schmerz bringen gebührenden Lohn aus Licht und Liebe. Die Menschen können dies nicht sehen. Sie sind sehr schnell mit ihrem Urteil. Jedes scheinbare Problem bringt Dinge ans Licht, die noch zu lernen sind, und sobald der betreffende Lernprozess abgeschlossen ist, bringt genau das, was vorher ein Problem war, ein Geschenk zum Vorschein. Ein Dieb, der in ein Haus einbricht, oder ein Terrorist, der in ein Land eindringt, ist eigentlich ein Alarmsignal. Es macht darauf aufmerksam, dass man sich schützen sollte. Entgegengesetzte Ansichten machen uns darauf aufmerksam, dass wir auch die anderen Dimensionen sehen sollten, die sonst unbemerkt bleiben würden. Es ist gefährlich, wenn es keinen Widerspruch gibt. Jeder Widerstand weist auf innere Begrenzungen hin. Krankheit ist ein Hinweis auf eine Gewohnheit, die gegen Regeln verstößt. Verglichen mit einer Krankheit des Denkens ist eine Erkrankung des Körpers nichts. Das Denken der Menschheit ist an Gier, Konkurrenz, Eifersucht, Hass und Ärger erkrankt. Die Menschen gehen sogar so weit, sich gegenseitig zu töten. Vergehen und Verbrechen sind an der Tagesordnung. Ständig auftretende unglückliche Ereignisse signalisieren uns nur, dass es uns an der Einstellung zu lernen fehlt.
Ein Leben voller Probleme gilt aus okkulter Sicht als ein Leben des Lernens. Es gibt viel zu lernen. Ein Leben, das wie ein Spaziergang verläuft, ist viel gefährlicher, da es kein Lernen erzwingt. Die Natur weiß, wie sie ihre Kinder trainieren muss, und sie trainiert jeden so wie er es braucht. Wenn der Mensch nicht lernt, weiß er nichts. Deshalb sagt Sanat Kumâra: „Alles ist göttlich.“ Wir sollen die Botschaft des Göttlichen in den Ereignissen erkennen.
Lerne zu akzeptieren
In der Natur geschehen viele Dinge, die über die Logik des menschlichen Denkens hinausgehen. Wir müssen lernen zu akzeptieren, den Zweck zu erforschen und die Wiederholung solcher Ereignisse zu verhindern. Im Râmâyana wird erzählt, dass Râma ins Exil geschickt wurde. Am Ende stellte sich dies als großartiges Ereignis heraus, durch das das Gesetz auf dem Planeten wiederhergestellt wurde. Die Geschichte von Moses Exil wirkt zunächst grausam, aber es führte zur Befreiung der Juden und dazu, dass die Gebote Gottes herunter gebracht wurden. Wäre Mose nicht aus Ägypten vertrieben worden, dann hätte er nicht die Gelegenheit gehabt, die Gegenwart Gottes auf dem Berg Sinai zu erleben. Wäre Jesus nicht 18 Jahre lang aus Israel verschwunden gewesen, hätte die Menschheit nicht den Nutzen eines großen Gottessohnes gehabt. Hätte er sich nicht für die Kreuzigung angeboten, dann wäre die Wahrheit der Auferstehung nicht begründet worden. Jesus zeigte, dass das Verlassen des Körpers aus Fleisch und Blut nicht den Tod des Menschen bedeutet. Dies ist die Einweihung, durch die die ganze Menschheit jetzt zu gehen hat. Scheinbare Schwierigkeiten, Krisen und Schicksalsschläge führen in der darauf folgenden Zeit zu substantiellen, lichtbringenden Erkenntnissen. Die Wehen einer Mutter dienen nur dazu, das Baby zur Welt zu bringen. Schmerz geht der entsprechenden Erleuchtung und Freude voraus. Wenn eine Frau unter heftigen Wehen leidet, trifft sie die feste Entscheidung, unter keinen Umständen mehr ein Kind zu bekommen. Doch wenn das Baby geboren ist, vergisst sie alle früheren Schmerzen. Sieben Monate später ist sie erneut bereit, von ihrem Mann ein weiteres Kind zu empfangen. Vor jedem Augenblick der Freude und Erleuchtung sind Geburtswehen etwas Natürliches. Auch die Aspiranten stehen vor vielen Persönlichkeitskrisen, ehe sie in der Lage sind, Einweihungen zu bekommen, um Jünger zu werden. Genauso gehen auch Jünger durch Krisen, ehe sie Meister werden. Ohne Fleiß und Anstrengung und ohne aufreibende Prüfungen geschehen keine großen Dinge im Leben. Alle großen Söhne der Menschheit kennen das Leiden.
Nur Mittelmäßige versuchen sich zu schützen und sich in ein Schneckengehäuse zurückzuziehen, sobald eine Krise naht. Wir sollten wissen, dass individuelle Krisen und Gruppenkrisen Gelegenheiten zum Wachsen sind. Für das Küken im Ei ist die Eischale eine Behinderung, aber wenn es heranwächst, zerbricht die Schale von selbst.
Sieh hinter die Krise
Hinter der scheinbaren Krise sollten wir die göttliche Hand erkennen. Das Göttliche verbirgt sich hinter der Krise. Wir sollten der Krise begegnen und uns an das Göttliche in uns selbst und in der Krise erinnern. Auf diese Weise löst sich die Krise auf. Sie klingt ab und das Geschenk Gottes erscheint, so dass wir auf dem Weg zur Wahrheit weitere Fortschritte machen können. Wir sollten nicht mit der Krise untergehen und auch nicht „Foul!“ schreien. Die Ursache sollten wir nicht in anderen sehen und sie nicht verurteilen, sondern wir sollten der Krise einfach mit göttlicher Hilfe begegnen. So taten es Jesus, Mose, Sokrates und auch Buddha. Viele große Eingeweihte begegneten ihren Krisen mit der Inspiration des Göttlichen und standen sie auf diese Weise durch. Wer aufgibt, verhält sich nicht richtig. Drückeberger sind keine Gewinner, und Gewinner geben nicht auf. Sie harren aus. Sie würden sich sogar selbst opfern, aber nicht zurückschauen oder umdrehen. Normalerweise hält die Angst uns zurück. Angst ist die Schwelle. Das Licht befindet sich auf der anderen Seite der Schwelle.
Wer seinen Körper verlässt, tritt in das Licht ein, sofern er den Tod nicht fürchtet. Wenn wir den Tod fürchten, kehren wir in dasselbe Rad von Leben und Tod zurück. Angst ist die Schwelle des Todes. Angst vor dem Tod ist die unüberwindliche Angst der Menschheit. Schon die Nachricht vom Tod hat eine höchst beunruhigende Wirkung auf das menschliche Denken. Aber in Wahrheit gibt es keinen Tod, sondern es ist ein Aufbruch von einer Ebene in eine andere, genauso wie wir von einem Ort an einen anderen gehen. Okkulte Schüler müssen verstehen, dass der Tod eine Gelegenheit ist, ins Licht zu gehen. Wenn wir beim Nahen des Todes keine Angst haben, bleiben wir bei Bewusstsein. So können wir bewusst auf die Ebene des Lichts wechseln, genauso wie wir bewusst von einer Etage auf eine andere oder von einem Ort zu einem anderen gehen. Der Tod ist ein Übergang von einer Gewahrseinsebene zu einer anderen Gewahrseinsebene.
Der Tod existiert nicht
Und was ist so groß am Tod? Wir alle sterben täglich. Die Leute wissen nicht, dass sie jeden Tag sterben, wenn sie schlafen gehen und jeden Tag geboren werden, wenn sie aufwachen. Schlafen bedeutet, in Bezug auf alles, was wir kennen, tot zu sein. Dann existiert das Schlafzimmer nicht, das Bett existiert nicht, der Ehepartner im anderen Bett existiert nicht, die Familie, der Beruf, die Stadt, die Nation… nichts ist mehr da. Dies alles ist für uns ‚gestorben‘, und es wird erst wiedergeboren, wenn wir aufwachen. Was haben wir in der Zeit getan, als wir schliefen? Wo waren wir? Wie existieren wir, wenn wir schlafen? Haben wir dies jemals erforscht?
Eine ehrliche und ernsthafte Erforschung des Schlafs ist eine Erforschung des Todes. Wir existieren im Schlaf, und genauso existieren wir im Tod. Für uns existiert der Tod nicht. Morgens erwachen wir aus dem Schlaf. Genauso erwachen wir nach dem Ereignis des so genannten Todes im Licht. Der Schlaf ist eine göttliche Gelegenheit, und auch der Tod ist eine göttliche Gelegenheit. Erst wenn der Tod auf uns zukommt, können wir erkennen, dass es keinen Tod gibt. Es ist eine einzigartige Gelegenheit, die wir nicht immer wieder erhalten. Meistens wissen wir nicht, wann er kommt. Deshalb sollten wir von der Möglichkeit des Schlafs Gebrauch machen, um zu wissen, was der Schlaf ist und um dadurch auch den Tod zu erkennen. Können wir aus dieser Einsicht nicht akzeptieren, dass alles göttlich ist? Wenn auch der Tod göttlich ist, was kann dann noch nicht-göttlich sein?
‚Alles ist göttlich‘ – dies ist kein Trugschluss, sondern es ist die Wahrheit. Es mag wie ein Rätsel aussehen. Ein guter Schüler sollte das Rätsel entschlüsseln können. Die Wissenschaft des Yoga oder der Jüngerschaft ist eine hilfreiche Methode, um es zu entschlüsseln. Wir sollten uns vom Scheinbaren nicht beeinflussen lassen, sondern uns zum Wahren aufmachen.
Auch die Illusion ist göttlich
Selbst wenn wir manchmal der Illusion verfallen, macht das nichts. Wenn alles göttlich ist, dann ist auch die Illusion göttlich. Sogar auf die besten Yogîs kann das Göttliche einen Zauber der Illusion werfen. In der Vergangenheit geschah das bei vielen Yogîs. Es kann mir passieren, und es kann euch passieren. Während wir in einer Illusion leben, machen wir vielleicht einige Dummheiten. Auf die Dummheiten, die wir angestellt haben, bekommen wir keine Antworten. Obwohl die Wissenden, die Yogîs, die Meister viel wissen, können durch sie ein paar Dummheiten geschehen. Dies ist das Spiel des Göttlichen mit dem Ego. Sogar Nârada, der kosmische Einweihende und der Großartigste von allen Lehrern, erlag einer Illusion, die vom Herrn bewirkt wurde. Viele Eingeweihte erliegen gelegentlich kurzzeitigen Illusionen. Man sollte nicht über Fehlern brüten, die man trotz des Wissens begangen hat. Es ist sinnlos, über Vergangenes zu grübeln. Stattdessen sollten wir beten und bereuen. Wir sollten zum Herrn beten, dass solche Dinge nicht wieder passieren und um seine Barmherzigkeit bitten. Wenn sie aber trotzdem geschehen, sollten wir sie akzeptieren und beten. Wir sollten daran denken, dass niemand der Illusion entkommen kann. Allein die Gnade des Herrn kann uns heraushelfen.
Auch Arjuna durchlebte Zeiten der Illusion. Es erscheint seltsam, dass Illusion göttlich ist. Aber es ist wahr. Wenn der Tod göttlich ist, warum dann nicht die Illusion? Alles ist göttlich. Lernt aus den Fehlern, lernt aus den Illusionen, lernt aus den Schwierigkeiten, lernt aus den Krisen, lernt aus den Schicksalsschlägen und lernt vom Tod. Lernt, dass alles göttlich ist. Diese Lehre ist die Krone aller Lehren des Herrn Sanat Kumâra. Auch er ist auf die Barmherzigkeit und Gnade des Herrn angewiesen, und auch er durchlebte seinen Anteil von Illusionen. Deshalb versteht er unsere Schwierigkeiten und übernahm die unvorstellbar schwere Aufgabe, uns emporzuheben. Jegliches Erheben ist das Werk des Herrn, und für seine Ausführung hat er ein Team von Mitarbeitern. Doch wenn ein Mitglied seines Teams vorübergehend stolz wird, verfällt es in genau diesem Augenblick der Illusion. Allein der Wille des Herrn soll maßgebend sein, nicht der eigene Wille, egal wie großartig man ist. Das waren auch die letzten Worte Jesu am Kreuz: „Vater, dein Wille geschehe.“
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