Gebot 21:
Sei wählerisch in deinen Verbindungen
Wir sollten daran denken, dass wir als Yoga-Schüler einen inneren Umwandlungsprozess beginnen. Es ist eine lange Umwandlungsreise. Bis wir ans Ziel gelangt sind, müssen wir unsere Verbindungen mit Personen, Orten und Ereignissen sehr genau auswählen. Bis wir uns umgewandelt haben, müssen wir unsere Bewegungen in der Objektivität regulieren.
Wie schon erwähnt, ist es eine Art der Verpuppung, bei der alle Bewegungen der Raupe eingeschränkt werden, bis sie sich in einen Schmetterling umgewandelt hat. Jesus, der Christus, verließ für 18 Jahre die Leute, das Land und auch die Verbindungen, die er kannte. Als umgewandelte Person kehrte er zurück. Auch Pythagoras von Samos war 24 Jahre lang aus seinem Geburtsland, aus seinem bekannten Personenkreis und aus all seinen Verbindungen verschwunden. Mose kehrte nach dem Exil nach Ägypten zurück. Sie alle kehrten scheinbar mit demselben Namen und derselben Gestalt zurück, aber ihr Energiesystem hatte sich in der Zwischenzeit vollkommen verändert.
Ein Samenkorn durchläuft viele Umwandlungen, um zu einem Baum zu werden und Blüten und Früchte zu tragen. In unserer heutigen industrialisierten Welt gibt es so viele Herstellungsverfahren, um Rohmaterial in gute, nützliche Produkte umzuwandeln. Auch Yoga ist ein wissenschaftliches Verfahren, durch das unser Energiesystem umgewandelt wird. Ebenso befasst sich die überaus verlockende Wissenschaft der Alchimie mit Umwandlungsprozessen.
Es ist allgemein bekannt, dass die Umwandlungen gewisse Voraussetzungen erfordern, z. B. eine bestimmte Wärme, einen bestimmten Rhythmus, eine bestimmte Organisation, eine bestimmte Zeit der Abgeschiedenheit usw.
Zuerst muss der Yoga-Schüler Schweigen lernen und an einem ruhigen Ort wohnen. Er darf nicht mehr so viel reden wie früher. Die Gedankenflut verringert und verlangsamt sich, wenn wir Schweigen üben. Als Nächstes sollten wir, wenn wir sprechen, unsere Worte und Bewegungen in der Objektivität sorgfältig auswählen. Ein wichtiger Schritt ist, das eigene Umherwandern in der Objektivität auf das Maß zu beschränken, das die Pflichten und Aufgaben erfordern. Wir können uns nicht an jeden Ort begeben. Wenn wir Orte und Personen aufsuchen, in denen die göttliche Gegenwart vorherrscht, können wir uns an Aktivitäten beteiligen, die zum Göttlichen gehören, ohne bei Nebensächlichkeiten mitzumachen. Wir neigen dazu, den Zweck zu vergessen, weswegen wir uns Gruppen anschließen, die sich göttlichen Tätigkeiten widmen, und beschäftigen uns mit Persönlichkeitsdingen. Wir müssen uns selbst in Erinnerung rufen, dass wir ausschließlich deshalb zur Gruppe und zur Gruppenaktivität gehen, um mit der göttlichen Gegenwart in der Gruppe in Beziehung zu treten. Wenn die Gruppe aus Scharlatanen besteht, werden wir das verlieren, was wir eigentlich erreichen möchten.
Genauso wählerisch müssen wir auch in dem sein, was wir essen und welche Personen oder Dinge wir berühren. Uns wird empfohlen, nicht in Menschenansammlungen zu essen und nicht an Gesellschaftsessen teilzunehmen. Das Gleiche gilt für alles, was wir anfassen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir keine niedere Energie berühren. Es ist auch nicht empfehlenswert, Tiere im Haus zu halten und mit ihnen zu leben.
Ebenso kritisch sollten wir mit dem Geruchssinn umgehen, so dass wir einen neutralen Körpergeruch behalten. Es wäre gut, wenn wir uns mit der Schwingung von Sandelholz abschirmen, ein Stückchen Sandelholz bei uns tragen, Sandelpaste auftragen oder Sandelparfüm benutzen. Sandel fördert einen unerschütterlichen Willen, der nicht ins Schwanken gerät. Unser inneres Auge und Ohr sollten für das Göttliche offener sein als für andere Dinge. Es ist uns nicht verwehrt, unserem normalen Tagesablauf nachzugehen. Die genannten Punkte sind ein paar Regeln, mit deren Hilfe wir uns selbst einschränken können.
Organisiere die Zeit
Wir müssen unsere Zeit gut organisieren und dürfen sie nicht verschwenden. Normale Unterhaltung und Entspannung sind nicht verboten, sondern in Grenzen erlaubt. Wenn wir uns eine Ordnung geben, können wir viel Zeit finden, die wir nutzen können, um eine Beziehung zum Göttlichen herzustellen, entweder in Stille oder mit hörbaren Gebeten, Verehrungen und Ritualen. Wir können auch Zeit finden, um Schriften oder Lehren von verschiedenen Lehrern, Propheten, Weltjüngern oder Devotees zu lesen. Unkoordinierte Schüler glauben und klagen normalerweise, dass sie keine Zeit für solche Dinge haben. Doch das stimmt nicht. Wenn sie kritisch analysieren, wie sie ihre Zeit nutzen und wenn sie die Zeit konstruktiv verwenden, werden sie reichlich Zeit finden, um das zu tun, was in Zusammenhang mit der Yoga-Praxis getan werden sollte und sogar jeden Tag noch genügend Zeit für Entspannung und Scherze haben. Wir brauchen nur Šraddhâ, um uns zu organisieren und Zeiträume zur Neustrukturierung zu ermöglichen.
Vertraue auf das Göttliche
Tugenden und Fähigkeiten entwickeln sich in den zielstrebigen Schülern, die sich eine Ordnung geben und dem yogischen Prozess unterziehen. Ihre Beziehung zum Göttlichen bringt Tugenden und Handlungsfähigkeiten hervor. Wahre Schüler haben nicht nur Tugenden, sondern auch Begabungen. Sie haben eine Neigung zur Effektivität. Wenn sie das Göttliche in angemessener Weise verehren, entfalten sie die Schwingen der Tugend und Begabung. Wir sollten bedenken, dass ein Yogî ebenso kompetent wie tugendhaft ist. Göttlicher Wille, Liebe-Weisheit und Intelligente Aktivität besuchen den, der zum Göttlichen betet. Wenn sich das Göttliche uns nähert, dann kommt es mit seinen drei Qualitäten. Das ist das Schöne an einem Yogî. Ein Yogî ist ebenso ein Krieger wie ein Devotee, wie das Beispiel von Arjuna zeigt. Herkules ist ein weiteres Beispiel. Im Yoga entfalten sich die Fähigkeiten gleichzeitig mit den Tugenden. Aber als Schüler sollten wir uns nicht auf die Tugenden und Fähigkeiten, sondern auf das Göttliche verlassen. Die Fähigkeiten und Tugenden eines Jüngers werden durch die Gegenwart des Göttlichen vervielfacht. Er kann sie nicht sich selbst zuschreiben, denn sie gehören der Gegenwart des Göttlichen. Solange er sich in der Gegenwart aufhält, vervielfachen sich seine Fähigkeiten und Tugenden. Wenn er nicht in der Gegenwart ist, sieht der Devotee ganz gewöhnlich aus. Die Stärke eines Yogîs ist, dass er sich in der göttlichen Gegenwart festmacht. Er achtet darauf, dass er in der Gegenwart bleibt, und er schwenkt nicht zu seiner Stärke, seinen Fähigkeiten und Tugenden ab.
Sanat Kumâra sagt: „Sei wählerisch in deinen Verbindungen.“ Das Geheimnis ist, dass wir danach streben sollten, in der Gegenwart zu sein. Erstrebe die Verbindung mit der Gegenwart. Erstrebe nicht Befähigungen, Tugenden, verschiedene okkulte Wissenschaften oder die Schlüssel zur Weisheit, sondern erstrebe die Gegenwart. Das ist das Geheimnis dieser Anweisung. Wer ausschließlich den Plan verfolgt, sich um die Gegenwart zu bemühen, zu dem kommen die okkulten Wissenschaften und okkulten Schlüssel. Die Fähigkeiten möchten bei ihm bleiben, und die Tugenden umarmen ihn. Das ist das Schöne am Streben nach der Gegenwart und am Verweilen in ihr. Wir dürfen uns nicht austricksen und beiseite schieben lassen. Unsere Persönlichkeit trickst uns aus. Sie sucht mehr den Glanz als die Wahrheit.
In der Geschichte des Mahâbhârata war Yudhišthira der wahre Yogî, der zu jeder Zeit in der Gegenwart blieb. Seine Fähigkeiten reichten weit über das hinaus, was die meisten Menschen wahrnehmen. Allgemein glaubt man, dass von den fünf Söhnen des Lichts Arjuna der Beste war und Bhîma ihm gleich kam. Doch in Wahrheit war Yudhišthira der Beste. Er lebte immer in der Gegenwart, und das Göttliche arbeitete den Plan durch ihn aus. Es gab Zeiten, in denen Arjuna und Bhîma scheiterten. In diesen Krisenzeiten wurden alle durch Yudhišthira gerettet. Das wird in den Begegnungen mit Yaksha und Nahusha ganz deutlich. Ebenso war es auch allein Yudhišthira, der seinen Körper bewusst verlassen konnte, als die fünf Söhne des Lichts ihre Körper ablegten. Die anderen konnten es nicht. Nur ein wahrer Yogî kann seinen Körper bewusst verlassen. Wer die Verbindung mit dem Göttlichen in allem, was es innen und außen gibt, wählt, ist ein wahrer Yogî.
Mache dich am Göttlichen fest
Viele Priester und Philosophen sprechen von Loslösung. Aber Loslösung ist schmerzhaft. Es ist nicht so leicht, sich von etwas zu lösen, woran man hängt. Doch die Schrift Bhâgavatam spricht überhaupt nicht von Loslösung. Allen Devotees oder Yoga-Schülern empfiehlt sie, sich am Göttlichen festzumachen und das Göttliche in allem zu fühlen: „Sieh das Göttliche, fühle das Göttliche, sprich mit dem Göttlichen, berühre das Göttliche, schmecke das Göttliche. Betrachte alle deine Beziehungen und Kommunikationen mit deiner Umgebung als Kommunikationen mit dem Göttlichen. Dann wird deine tiefe Verbindung mit dem Göttlichen bleiben und die anderen weltlichen Konzepte werden abfallen. Sieh das Göttliche in deinen Eltern, in den Geschwistern, in den Freunden, in Bäumen, Tieren usw. Das Göttliche lebt in allem.“ Wenn wir dies tun, bleibt das Göttliche in uns und umgibt uns, und unsere Verbundenheit mit dem Göttlichen wird eine ununterbrochene Erfahrung. In diesem Verlauf wird alles Leben göttlich. Am Göttlichen festzuhalten, ist die positive Methode, sich vom Nicht-Göttlichen zu lösen, ist die negative Methode. Wenn wir mehr und mehr Göttlichkeit in unserem Inneren und in der Umgebung entdecken, verfliegt alle Unwissenheit. Konflikte lösen sich auf, Harmonie baut sich auf, und die Schönheit der Natur können wir besser erleben. Ein Baum trägt viele Blätter und Früchte. Wenn die Früchte reifen, lösen sie sich auf natürliche Weise vom Baum. Wir brauchen sie nicht abzupflücken. Wenn wir eine Frucht abpflücken, fügen wir dem Baum und der Frucht ein wenig Schmerz zu. Aber wenn die Frucht reif ist und von selbst abfällt, leidet der Baum dabei keinen Schmerz. Im Herbst fallen die Blätter von selbst herunter. Der Baum empfindet dabei keinen Schmerz. Aber wenn wir die Blätter abpflücken, erleidet der Baum vorübergehend Schmerzen.
Wenn der Mensch durch den Gedanken an das Göttliche reift, verlässt er seinen Körper genauso wie reife Früchte und Blätter sich vom Baum lösen. Der Gedanke an das Göttliche ermöglicht sogar das Überschreiten des Todes. Der Mensch kann seinen Körper bewusst verlassen und weitergehen. Dies tun die Kobras alle sieben Jahre. Alle sieben Jahre lässt eine Kobra ihre äußere Haut zurück und lebt in einer frisch entwickelten Hülle weiter, die viel stärker glänzt und leuchtet. Würde man ihr die Haut abziehen, wäre das für sie schmerzhaft. Aber die äußere Haut fällt von allein ab, wenn die Schlange reift. Von innen entwickelt sie eine andere Haut. Die meisten von euch haben wahrscheinlich noch keine zurückgelassene Kobra-Haut gesehen. Aber ihr könnt ähnliche Dinge in der Natur beobachten. Z. B. ist es leicht, die Schale einer Apfelsine abzuziehen, wenn die Frucht ganz reif ist. Ist sie jedoch noch nicht voll ausgereift, dann ist sie nicht so leicht zu schälen. Genauso kann sich der Mensch, der Bewohner des Körpers, mühelos vom Körper lösen, nachdem er im Inneren herangereift ist. Das ist jedoch nicht möglich, wenn der innere Mensch nicht gereift ist. Es ist nicht so leicht, sich vom Körper zu lösen, wenn man nicht ausreichend entwickelt ist.
Redet nicht zu viel von Loslösung, sondern redet vom Festhalten am Göttlichen. Mit anderen Worten, entscheidet euch für die Verbindung mit dem Göttlichen in allem. Dies ist die intelligenteste Wahl, durch die man Loslösung erreicht, durch die das Überschreiten der Illusion möglich wird und durch die das Einswerden erreicht wird. Es ist nicht so leicht, sich vom Körper, von den Wünschen und Gedanken zu lösen. Betrachtet stattdessen die Formen als göttlich. Verlangt nach dem Göttlichen und denkt an das Göttliche. So solltet ihr eure Wahl treffen.
Bhakti – die ewige Verbundenheit
Die Bemühung, in jeder Lebensaktivität mit dem Göttlichen verbunden zu bleiben, ist die wahre Bedeutung von Bhakti. Fälschlicherweise wird dieses Wort als emotionale Hingabe übersetzt. Bhakti ist das Prinzip ewiger Verbundenheit mit dem Göttlichen. Der Bhakti-Pfad unterscheidet sich nicht vom Yoga-Pfad. Im Yoga wird empfohlen, sich dem Einen Meister in allem zu ergeben. Bhakti spricht von demselben. Der Bhakti-Pfad ist bezaubernd, da der Schüler jederzeit im Zwiegespräch mit dem Meister oder dem Göttlichen steht. Egal mit wem er spricht, er spricht genauso zu dem Meister in dem anderen. Genauso hört er auch dem Meister in dem anderen zu. In den äußeren Schichten der anderen Person oder des anderen Wesens trifft er auf dessen Natur und auf die Qualitäten in der Natur jenes Wesens. Ein Bhakta sieht die Natur der Form, die Natur der Qualitäten und auch das innere Wesen, und er verbindet sich fest mit dem Wesen statt mit den peripheren Qualitäten oder der Form. Dies nennt man: das Göttliche in dem anderen sehen. Ein Bhakta bemüht sich stets, das Göttliche zu sehen. Dies ist sein wichtigstes Ziel. Später sieht er auch die nebensächlichen Dinge. Wenn ein Bhakta eine andere Person betrachtet, dann sieht er nicht ihre Kleidung, nicht ihren Schmuck und andere Ornamente, nicht die Uhr, die Ringe an den Fingern, die Halskette, die Frisur, nicht das Geschlecht und nicht das Alter… Er sieht geradewegs das umhüllte Göttliche. Wenige Augenblicke später sieht er die nebensächlichen Dinge: das Geschlecht, das Alter, den Schmuck, die Kleidung usw. Dies ist in dem Gebet gemeint:
„Möge das Licht in mir das Licht vor mir sein. Möge ich lernen, es in allem zu sehen.“
(May the light in me be the light before me. May I learn to see it in all.)
Jeden Tag sollten wir uns darum bemühen, das Licht in allem zu sehen. Dieses Bestreben führt uns zur Verbundenheit mit dem Göttlichen.
Das Erlernen von Tausenden von Weisheitskonzepten wird uns nicht so viel nützen, ebenso wenig wie das Erlernen von Atemtechniken und Meditation. Das Lernen von Tantra und Mantren wird uns nichts nützen. Wenn es eine direkte Methode gibt, das Göttliche zu sehen, das sich uns in einer Form präsentiert, warum sollten wir sie dann nicht unmittelbar anwenden? Andere Dinge sind nur die Betrügereien des Verstandes, und wir sollten auf diese Tricks nicht hereinfallen.
Den Schlüssel dazu gibt die Bhagavad Gîtâ im 15. Kapitel. Darin spricht der Herr von Asanga.
Jeder Nicht-Eingeweihte, der einen Kommentar zur Bhagavad Gîtâ schreibt, übersetzt Asanga mit ‚Loslösung‘. Sanga bedeutet ‚Verbindung‘. A-Sanga bedeutet ‚Verbindung mit A‚. A ist der Buchstabe, der Klang, der Name des Herrn. So steht es im 10. Kapitel der Bhagavad Gîtâ. Der Herr sagt: „Ich bin das A unter den Buchstaben.“ Deshalb bedeutet A-Sanga ‚Verbindung mit dem Herrn‘. Dies ist der Schlüssel.
Sanskrit ist eine göttliche Sprache. Sie hat mehrere Bedeutungsschichten. Asanga bedeutet auch ‚Loslösung‘. Doch im Sanskrit gibt es ein passenderes Wort für Loslösung. Es heißt Nissanga. Daher sollte man Asanga als ‚Verbindung mit dem Göttlichen‘ verstehen. Asanga führt zur Verbindung mit der kosmischen Person. Das 15. Kapitel enthält den heiligsten Schlüssel zur Verbindung mit der kosmischen Person. Deshalb sollten wir lernen, uns jederzeit mit A zu verbinden. Dies ist die beste Wahl, um uns zu verbinden.
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