Gebot 19:
Verzichte darauf, andere Wege zu analysieren und zu kritisieren
Es gibt tausend Möglichkeiten, um die Wahrheit zu erreichen und keinen ausschließlichen Weg. Der Weg, für den wir uns entscheiden, passt zu unserer Seelenqualität. Andere mögen andere Wege wählen, die ihrer Seelenqualität entsprechen. Manche folgen vielleicht dem Weg des Willens, einige dem Weg der Liebe und Synthese, andere dem Weg des Dienens und Opferns und wieder andere dem Weg der Hingabe. Außerdem gibt es den Weg der Rituale, des Klangs, der Farbe, des feurigen Strebens und den Weg, auf dem man alles verneint, was nicht das Selbst ist. Die Seelen haben die Freiheit, dem Weg ihrer Wahl zu folgen. Bis zu einem gewissen Punkt können sie sich auch dafür entscheiden, von einem Weg zu einem anderen zu wechseln, bis sie herausfinden, was für jeden das Passende ist. Wenn wir uns für einen Weg zur Wahrheit entschieden haben, sollten wir dabei bleiben. Um auf dem ausgewählten Weg konzentrierter voranzukommen, ist es besser, andere Wege weder zu analysieren noch zu kritisieren, denn dadurch weichen wir von unserem Weg ab. Wir sollten uns um unsere eigenen Dinge kümmern und unsere Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute stecken.
Urteile nicht
Für nichts und wieder nichts analysieren Leute die Wege der anderen und bilden sich Meinungen darüber. Sie leben in der Welt der Meinungen. Infolgedessen kommen sie von ihrem eigenen Weg ab. Wir lenken uns ab, wenn wir uns an Randthemen beteiligen. Sich durch Analyse Meinungen zu bilden und Urteile abzugeben, ist seinem Wesen nach unrechtmäßig. „Urteile nicht“, lautet die Weisung. Wir sollten sie unbedingt befolgen. Wenn wir mit anderen nicht übereinstimmen, ist es besser, wenn wir schweigen. Und wenn andere Meinungen und Analysen darlegen, ist es für uns ebenfalls besser zu schweigen.
Stets neigen die Menschen dazu, etwas als gut oder schlecht zu beurteilen. Wer dies tut, spaltet sein Bewusstsein fortwährend in zwei Teile. Aber Spaltung steht im Gegensatz zum Yoga. Yoga ist ein Zustand des ununterbrochenen Bewusstseins gleichzeitig auf allen Ebenen. Das Bewusstsein ist eine Einheit. Es kennt keine Teilung. Nur im unwissenden Denken wird unterteilt. Die Weisen unterteilen und urteilen nicht. Sie sind einbeziehend und nicht ausschließend. Das eine Bewusstsein, das alles durchströmt und erfüllt, ist in einem Eingeweihten genauso lebendig wie in einem Schwachkopf. Der Unterschied ist, dass es im Eingeweihten wohlgeordnet und im Schwachkopf ungeordnet ist. Bei Yoga-Schülern wird vorausgesetzt, dass sie die Vielfalt in der Wirkungsweise des Bewusstseins sehen und nicht urteilen. Es gibt Personen mit aggressivem Bewusstsein und Personen mit lethargischem Bewusstsein. Bei Millionen und Abermillionen von Menschen ist das Bewusstsein in Unordnung. Dennoch ist es nur ein Bewusstsein in allen. Wer als Schüler das Spiel des Bewusstseins erkennt, kommt nicht zu Fall und lässt sich auch nicht herab, um Meinungen zu bilden und zu urteilen. Er erfreut sich am Bewusstsein, wenn er den Sonnenaufgang sieht, aber er sagt nicht: „Das ist schön.“ Der Sonnenaufgang ist bereits schön, und dadurch, dass wir dies aussprechen, tragen wir nichts zu seiner Schönheit bei. Doch der Mensch hat den Instinkt, etwas zu sagen. So sind wir eben. Wir werden angetrieben zu reden, eine Auffassung zu vertreten und zu urteilen. Es ist wünschenswert, diese drei Dinge zu vermeiden.
Wir sollten bedenken, dass im ganzen Universum allein der Mensch die Fähigkeit zu sprechen hat. Die Sprache wurde dem Menschen von Gott als großes Geschenk gegeben. Andere Wesen können nicht sprechen. In der vierten Wurzelrasse erhielt der Mensch das Geschenk, sprechen zu können. Dies ist die größte Fähigkeit des Menschen. Aber er muss mit der Sprache in angemessener Form umgehen. Er kann sie benutzen, um Gott, die Wahrheit, zu erkennen, aber er kann sie auch verwenden, um sich selbst zu zerstören. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es ein außerordentlich breites Spektrum. „Sprich freundlich und sprich die Wahrheit. Sprich die Wahrheit nicht unfreundlich, sprich die Unwahrheit nicht unfreundlich“, heißt es in den Veden. In den Veden steht auch: „Was du als Wahrheit kennst und was du noch nicht kennst, macht zusammen die Wahrheit aus.“ Deshalb ist es gefährlich, sich Meinungen zu bilden, ohne die ganze Wahrheit zu kennen. Es kann zu unrechtmäßigem Verhalten führen. In Meinungen über andere zu leben, gilt als Mittelmäßigkeit. In edlen Gedanken zu leben, gilt als Ausgangsbasis für unser Wachstum. Wer Personen, Orte und Ereignisse immer als gut oder schlecht beurteilt, lebt unwürdig.
Aus dem oben genannten Grund gilt Schweigen als Gold. Pythagoras empfahl, die Stimmbänder drei Jahre lang schweigen zu lassen. Er gab auch Übungen, um die Sprache auf der mentalen und emotionalen Ebene zum Schweigen zu bringen. Er bestand auf richtigem Sprechen, richtigem Denken und richtigem Handeln. Kritische Worte, urteilende Worte, rechthaberische Worte, manipulierende Worte, negative Worte arbeiten gegen den Fortschritt des Schülers. Nur wenige wissen, wie man spricht. Die richtigen Worte zu sprechen, im richtigen Ton zu sprechen und durch Worte
Licht zu verbreiten – dies alles bildet einen Weg zur Wahrheit.
Der moderne Mensch hat auch den Instinkt zu diskutieren. Häufig führen Diskussionen zu mangelnder Umsicht und somit zu Unbehagen. Zu viel Diskussion bringt uns von dem eigentlichen Thema ab. Wir reden einfach zu viel um die Dinge herum und kommen nicht zur Sache. Anstelle von Diskussionen, Kritik, Analysen, Meinungen und Beurteilungen sollten wir uns besser im Inneren besinnen, nachdenken und über die gegebene Information kontemplieren.
Die Arbeiten der Heiligen, Eingeweihten und Meister sollten wir überhaupt nicht diskutieren und analysieren. Dies ist noch viel gefährlicher als das normale kritische, urteilende und analytische Sprechen über andere. Es führt dazu, dass wir uns eine Position anmaßen, die wir nicht haben. Wir wissen wenig über andere Personen und noch viel weniger über die Weisen. Wir sollten nicht vorschnell kritische Kommentare über sie abgeben. Für die Natur ist dies vollkommen unakzeptabel. Daher rät uns Sanat Kumâra dringend, generell auf Analyse und Kritik zu verzichten, aber besonders auf die Analyse und Kritik der Methoden anderer Leute.
Weitere Informationen finden Sie in den Büchern des Autors
„Saraswathi – Das Wort“, „Klang – Der Schlüssel und seine Anwendung“, „Mantren – Ihre Bedeutung und Praxis“.
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