Die Krankheitsursachen und deren Behandlung
In dem folgenden Artikel habe ich mich bemüht, aus dem umfangreichen Paracelsuswerk eine Zusammenfassung über die Krankheitsursachen zu erarbeiten, ohne Paracelsus Gedanken zu verfremden.
Im Buch „Paramirum“ schreibt Paracelsus, dass es nur fünf Ursachen für jegliche Erkrankungen gibt. Diese nannte er die fünf Entien: „Merket wohl, es gibt fünf Entia, die alle Krankheiten schaffen und verursachen”. Es gibt also für einen grippalen Infekt zum Beispiel fünf Ursachen und nicht nur eine, in Form von vieren, wie heute behauptet. „So wisset denn, dass es fünferlei Pestilenz gibt, nicht in Bezug auf ihre Natur, ihr Wesen, ihre Form und Gestalt, sondern bezüglich ihrer Entstehung, mögen sie sich auch später in jeder beliebigen Weise äußern. Es gibt nämlich fünferlei Gelbsucht, fünferlei Fieber, fünferlei Krebs und so fünf Arten jeder Krankheit“. Dabei bezeichnete Paracelsus als Ens das Wesen, die Idee, das Sein von etwas, „dass die unbeschränkte Macht über den Leib besitzt.“ Also ist etwas Geistartiges zunächst vorhanden, was später den sichtbaren und fühlbaren Körper zur Erkrankung bringt. Der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann machte eine ähnliche Aussage: „Krankheiten sind dynamische Verstimmungen unseres geistartigen Lebens in Gefühlen und Tätigkeiten; das sind unmaterielle Verstimmungen unseres Befindens“.
Eine Abbildung zeigt die fünf Gewalten des Menschen, welche Paracelsus Entien nennt, in Form eines Pentagramms. Ähnlich proportioniert wie Leonardo da Vinci stellte Agrippa von Nettesheim 1533 in „De occulta philosophia“ den Menschen innerhalb dieses Pentagramms dar. Am Kopf, an den beiden Füßen und Händen sowie am Penis des dargestellten Mannes, der Beine und Arme nach beiden Seiten ausstreckt, um dem in einem Kreis eingezeichneten Pentagramm zu entsprechen, finden wir jeweils ein Symbol aus der Alchemie. Dabei ist am Kopf das Symbol von Eisen, an der rechten Hand das von Messing und am rechten Fuß das von Merkur, an der linken Hand das von Zinn und am Penis eine Mondsichel dargestellt.
Die Entien werden in zwei Gruppen unterteilt. Die eine umfasst drei Ursachen von Erkrankungen, die den körperlichen Bereich betreffen, also die Soma. Die zweite Gruppe umfasst zwei Ursachen von Erkrankungen, die auf der geistigen Ebene wirken.
Bei den drei körperlichen Ursachen handelt es sich um erstens das „Ens astrale“, also, wie Paracelsus sagt: „…die Kraft und das Wesen der Gestirne und ihre Gewalt über den Leib.“ Damit sind aber auch Umwelteinflüsse, wie Radioaktivität, Erdstrahlen, Wasseradern gemeint, die ebenfalls unter dem Einfluss der Gestirne stehen.
Die zweite körperliche Ursache „Ens veneni“ bezieht sich auf Toxine, die der Körper zum einen durch seinen Stoffwechsel als Endprodukte selbst produziert oder die von außen auf den Körper einwirken. Wenn die Ausscheidung dieser Toxine durch den Körper nicht ausreichend realisiert werden kann, kommt es nach Paracelsus zur „inneren Fäulung“. Diese kann dann zu jeder Art von Erkrankungen führen.
Die dritte körperliche Ursache „Ens Naturale“ ist die persönliche Veranlagung jedes Einzelnen, also seine Konstitution und Disposition. Er schreibt dazu: „Wenn unser eigener Leib uns krank macht durch seine Verwirrung und dadurch, dass er sich selber schädigt.“ Die zweite Gruppe Ursachen für Erkrankungen, die auf der geistigen Ebene wirken, umfassen zum einen die so genannten heidnischen Ursachen, das sind psychosoziale und psychosomatische Einflüsse, die jeden Menschen unabhängig seines Glaubens betreffen können. Diese nennt er „Ens spirituale“ und beschreibt sie wie folgt: „Die Geister, die unseren Leib krank machen“. Neben den psychosozialen Faktoren war für Paracelsus eine ausgeübte Magie, die Krankheiten hervorbringen konnte, durchaus realistisch. Die zweite Ursache, die auf der geistigen Ebene wirkt, nennt Paracelsus „Ens dei“. Also im Grunde genommen handelt es sich um gottgewollte Ursachen. Aus Sicht anderer Philosophien könnte man auch von karmischer Belastung sprechen.
Neben diesen genannten fünf Krankheitsursachen lässt Paracelsus keine weiteren Ursachen gelten und schreibt dazu: „Denn fünf Einwirkungsmöglichkeiten gibt es für jeden einzelnen Menschen. Wer nun etliche davon vergisst und mit anderen kommt, der mag wohl ein falscher Prophet sein“.
Dabei sollte man, so schreibt er, immer bei der Beurteilung einer Erkrankung alle fünf Teilbereiche gleichzeitig analysieren. Die logische Konsequenz ist es für Paracelsus, dass alle fünf Ursachen selbstverständlich ebenso fünf unterschiedliche therapeutische Wege benötigen, die ebenso gleichzeitig am Patienten angewendet werden müssen. Er schreibt dazu: „Ich muss besonders darauf aufmerksam machen, dass nicht die Krankheiten so behandelt werden müssen, als stammen sie aus einer Quelle, sondern man hat je nach den fünf Entien ein verschiedenes Verfahren anzuwenden. Die Behandlung des Giftes soll nicht für die Krankheit, die aus dem Ens der Gestirne entspringt, gebraucht werden. Die geistige Behandlung soll nicht für die Krankheit aus dem Ens Naturale gebraucht werden. Die Krankheit aus dem Ens Deale reimt sich auch nicht mit der geistigen Behandlung.“ Dabei sah Paracelsus nicht immer die notwendige Anwesenheit eines Arztes bei der Behandlung. „Der äußere Arzt beginnt erst, wenn der innere unterliegt, verzweifelt, ermüdet.“ Prophylaxe bedeutet also in diesem Sinne nichts weiter, als den inneren Arzt so zu schützen, dass er seinen Aufgaben möglichst umfassend nachkommen kann. So schreibt er: „Wird die Natur nur geschützt, so ist sie es selbst, die alle Krankheiten heilt, denn sie weiß, wie sie sie heilen soll. Der Arzt kann es nicht wissen und daher besteht seine Aufgabe nur darin, die Natur zu schützen“.
Erst wenn der innere Arzt nicht weiter weiß, so muss ein äußerer Arzt helfend eingreifen und alle notwendigen fünf Therapiewege miteinander anwenden. Auf diesen fünf Säulen sollte nach Paracelsus jegliche Therapie aufgebaut werden. Dabei wird das „Ens astrale“ durch Energie aufbauende Maßnahmen unterstützt, welche vor allem bei zunehmendem Mond Anwendung finden sollten. Hierbei spielen Lebenselixiere wie das Aqua vitae nach Paracelsus eine große Rolle. Solche Lebenselixiere wurden von vielen Apothekern auch unter dem Begriff Theriak bevorratet. Die alchemistischen Herstellungsprozesse müssen bestimmten kosmischen Konstellationen untergeordnet werden, um dem Medikament die notwendige Energie zuzuführen. Ebenso können verschiedene Reiz- und Umstimmungstherapien zum Einsatz kommen. Das „Ens veneni“ muss logischerweise zu einer Entgiftung des Organismus führen. Durch das Verabreichen von Bitterstoffen wie Artischocke, Wermut, Kalmuswurzeln und Löwenzahn, so genannten Amara, wird die Leberfunktion und Gallensaftausscheidung gefördert. Damit kann die Leber besser entgiften und durch den Gallensaft wird die Darmperestaltik angeregt und damit die Stuhlausscheidung gefördert.
Diuretika wie Brennnessel und Schachtelhalm regen die Entgiftung über die Nieren an. Antidyskratika verbessern die Körpersäfte und entsäuern den Organismus. Sauna, Aderlass und blutiges Schröpfen entgiften auf hervorragende Art und Weise. Das „Ens Naturale“ erfordert für jeden Patienten individuell erstellte Therapiekonzepte. Hier geht es tatsächlich darum, die Konstitutions- und Dispositionstypen zu erkennen und hochspezifisch zu behandeln. Der Nervenschwache erhält Passionsblume, der Bindegewebsschwächliche Schachtelhalm, der Gichtpatient Teufelskralle. Jeder Mensch benötigt aber auch ein spezifisches Mineral, zum Beispiel durch aufbereitete Edelsteine und vor allem die unterschiedlichsten Metalle. Natürlich wirken manche Metalle toxisch, wenn man sie in der ursprünglichen Form verabreicht. Aus diesem Grund schließt die Alchemie die Metalle auf und macht sie organisch verwertbar. Zusätzliche Katalysatoren wie Tartarus, der Weinstein, werden ebenso alchemistisch aufbereitet und sorgen für eine ordnungsgemäße Resorption der Metalle bis in die einzelnen Körperzellen. Solche Zubereitungen tragen dann Namen wie Aurum portabile, das kaltverflüssigte Gold. Die Arbeit mit Metallen gehört zum Werk eines fortgeschrittenen Adepten der Alchemie. Das „Ens spirituale“ wird durch einen Gegenzauber, Geistheilung, Räucherungen, Salzbäder und psychoaktive Pflanzen behandelt. Dagegen hat das „Ens dei“ mit Bewusstwerdungsprozessen der Patienten zu tun, deren Verständnis, warum sie erkrankt sind, geweckt werden muss.
Wie kommt nun ein Therapeut an dieses Wissen?
Der erste Weg ist der, dass man mit der geistigen Welt in Kontakt tritt und unter den nicht materiellen Geistwesen einen oder mehrere kompetente Ansprechpartner sucht, um die beim Selbststudium offen gebliebenen Fragen beantworten zu können. Dazu schreibt er: „Gib daher auf deinen inwendigen Garten acht, denn wie immer der innere Mensch geschaffen ist, er horche nur mit dem äußeren auf sich selbst, dann wird er lernen, was ihn niemand lehren kann, und jeder wird sich seinetwegen wundern müssen“. Zum Beispiel führt Paracelsus Hildegard von Bingen an, die ihr Heilwissen im Traum erlangte.
„Wir haben keinen Menschen, der uns lehrt und keinen Menschen, der die Kräuter von selbst weiß und kennt. Er muss es von anderen haben, die mehr oder anders als Menschen sind“. Also soll man eindeutig einen gezielten Kontakt zur geistigen Welt pflegen, um die Dinge zu erfahren, die ein lebendiger Mensch nicht wissen kann.
Der zweite Weg, sich Wissen anzueignen, besteht darin, sich mit Überlieferungen von Vorfahren zu beschäftigen. Doch dieser Weg beinhaltet viele Fehlerquellen, die sich aus Fehldeutungen der Vorfahren ergeben. Aus diesem Grund ist es notwendig, alles recherchierte Wissen einer praktischen Erprobung zu unterziehen. Damit erhält man auch die Chance, zufällige Entdeckungen während der praktischen Arbeit zu machen. Genau diese Zufälle machen den dritten Weg zur Erlangung von Wissen aus, wie Paracelsus meint.
Die vierte Möglichkeit, Wissen zu erarbeiten, ist der Kontakt zu den vorhandenen Elementarwesen. Dieser lässt sich am einfachsten durch Wünschelruten und Pendel erschließen oder durch das so genannte automatische Schreiben.
Der fünfte Weg ist das Studium der „Chiromantie“. Das bedeutet, dass man auf bestimmte äußere Merkmale achtet, die eine Heilpflanze besitzt. So wachsen Misteln als Schmarotzer auf Bäumen und bedienen sich deren Lebenssaft. Dabei sind Misteln so rücksichtslos, dass sie den eigenen Wirt zerstören und damit auch sich selbst. Genau diese Eigenschaft besitzt die Mistel für jeden sichtbar. Aus diesem Grund ist eben die Mistel eines der wesentlichsten Therapeutika zur Behandlung von Krebserkrankungen.
Der sechste Weg ist das Studium der „Physionomie“ von Substanzen. Hierbei kann man aus dem äußeren Erscheinen auf die Wirkung einer Substanz innerhalb eines Organismus angewandt schließen. Wenn ein Patient Durchfall hat, dann muss er eben trockene Nahrung zu sich nehmen. Dazu zählen Zwieback, Reis usw. Hat er dagegen Verstopfung, dann sind „feuchte“ Nahrungsmittel angebracht. Melone und Gurke sind nur zwei Beispiele dafür.
Der letzte und wichtigste Weg zur Erlangung von Wissen über die Natur ist das Begreifen aller Wesensmerkmale in ihrer Gesamtheit, die zum Beispiel eine Heilpflanze ausmacht. Dabei kommt es auch auf unsichtbare Eigenschaften an wie Geschmack, Geruch, aber vor allem der Interaktion mit den Planetenkräften. Man muss also eine Pflanze über längere Zeit beobachten und prüfen, bevor man weiß, wann ihr Wirkstoffgehalt am höchsten ist, sie geerntet oder verarbeitet werden sollte. Dabei hat in früheren Zeiten immer der Blick an den Himmel und die Beobachtung der Gestirne, als zeitliche Orientierung, eine große Rolle gespielt. Aus diesen Gedankengängen entwickelte Paracelsus die vier Säulen, die die Heilkunst ausmachen. Die wichtigste und alles andere tragende Säule ist die Tugend. Ohne Tugend sind alle noch so fleißig zusammengetragenen Erkenntnisse und Anhäufungen von Wissen auf Sand gebaut. Dabei spielen die Beweggründe, die einen Menschen veranlassen, Heiler oder Arzt zu sein, eine große Rolle. Diese sind entscheidend dafür, ob derjenige ein guter oder schlechter Arzt ist, egal über wie viel Wissen er verfügt. Diese Tugend muss natürlich auch vermittelt werden, schreibt Paracelsus im Buch „Paragranum“.
Für diese Vermittlung sieht er drei Wege, um ein guter Therapeut zu sein: Entweder wurden Tugend und Fähigkeiten in die Wiege gelegt oder der Therapeut hatte einen guten Lehrer für die Vermittlung und schließlich besteht die dritte und wichtigste Vermittlung, indem der Therapeut durch Gott berufen wird. „Die Werke machen den Meister und Doktor, nicht Kaiser, nicht Papst, nicht Fakultät, nicht Privilegia, noch eine hohe Schule. … Es ist noch nie ein Arzt von den Hohen Schulen hervorgegangen, auch nie einer, der imstande gewesen wäre, mit wahrem Wissen die Ursache der wenigsten Krankheiten darzulegen“. Nur das eigene Bemühen um Nächstenliebe ist die Grundlage des Heilens. Paracelsus behandelte, nach eigenen Aussagen, Arme kostenlos oder gegen Kost und Logis. Die wichtigsten Tugenden eines Heilers sind von Paracelsus zusammengefasst: Bescheidenheit, Nächstenliebe, Optimismus und die Demut vor Gott. „Du musst einen ehrlichen, redlichen, starken, wahrhaftigen Glauben an Gott haben, mit all deinem Gemüt, Herz, Sinn und Gedanken, mit aller Liebe und allem Vertrauen“.
Dabei stand er mit den Gebäuden und Ritualen der Kirche auf Kriegsfuß und musste immer gewahr sein, von der Kirche verfolgt und vernichtet zu werden. „Ich behaupte und sage, es sei nützlicher, wenn man den Armen ihre Schäden wäscht, wenn deren Wunden verbunden werden, als wenn man in der Messe steht, um in der Prim und in der Terz in Vesper und Complet zu plärren. Ihr saget, ich sei deshalb unchristlich und handle gegen den christlichen Glauben. Ich habe es jedoch von Christus, der sagt: ’Du sollst speisen, tränken, und kleiden’, an die Messe hat er dabei nicht gedacht“. Zwei der vier Säulen, die die Heilkunst tragen, sieht Paracelsus immer nur in Gemeinschaft. Dabei meint er die Philosophie und die Astronomie. Schon aus ägyptischen Mysterienkulten wird diese Denkweise deutlich. Heute hat kein westlich ausgebildeter Medizinstudent auch nur ein Fünkchen von Philosophieunterricht, von Astronomie ganz zu schweigen,
„Wer die Philosophie nicht studiert hat …, der gibt einen Arzt ab, wie ein Kaminfeger einen Bäckerknecht“. Mit der Philosophie erhält man die Möglichkeit, das Unsichtbare zu begreifen. Philosophie ist nach Paracelsus das Wissen über „das Licht in der Natur. … Sie ist die Erkenntnis der Gewächse der Erde und des Wassers, ihrer Natur und ihrer Kraft. Der ist auch ein Philosoph, der den Lauf des Menschen kennt, ihn erfahren hat und ihn erkundet“. Alles in der Natur ist gekennzeichnet. Nur mit einer philosophischen Betrachtung erschließen sich diese Zeichen der Natur und man erkennt, was mit den einzelnen Pflanzen in der Heilkunst anzufangen ist. Die Astronomie bestimmt den Zeitpunkt der Ernte und Verarbeitung sowie der optimalen Einnahme. So lässt sich die geistartige „Urkraft“ der Materie erkennen und in Form der „Quintessenz“ heilkräftig einsetzen. Die Lehre von diesen Zusammenhängen nennt Paracelsus „goldene Ketten“.
Die letzte von den vier Säulen der Heilkunst findet man in bestimmten Umwandlungsprozessen von Materie. Diese Umwandlungsprozesse nennt man Transmutationen. Jede dieser Transmutationen soll neben der Umwandlung der Materie gleichzeitig durch Erkenntnisse Untugend in Tugend verwandeln. Diesem Prozess unterliegen sowohl die an diesem Werk beteiligten Personen wie auch die Menschen, die derartig transmutierte Medikamente einnehmen.
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