Wenn dem Menschen die Haut „zu eng“ wird.
Schlangen sind Reptilien. Sie bevorzugen eine solitäre Lebensweise, d. h., sie sind eher Einzelgänger und haben ein wenig entwickeltes Sozialverhalten. Begegnet man einer Schlange, so löst dies bei Menschen unseres Kulturkreises häufig Angst und Unbehagen aus. Viele Schlangen sind giftig. Sie beißen oder würgen ihre Opfer und sie überfallen diese gerne als sog. Lauerjäger aus dem Hinterhalt. Ein auffälliges Merkmal prägt das Leben aller Schlangen. Wenn sie wachsen, müssen sie die zu eng gewordene Haut abstreifen und sich häuten. Schlangen werden in der Menschheitsgeschichte seit Adam und Eva erwähnt. Sie gehören zum Menschsein unweigerlich dazu.
In der Homöopathie kennen und schätzen wir die Heilmittel aus der Familie der Schlangen als wertvolle Konstitutionsmittel. Darüber hinaus setzen wir sie auch rein organotrop, d.h. bei primär körperlichen Beschwerden oder im Rahmen einer miasmatischen Therapie ein, wenn es um die Behandlung chronischer Erkrankungen geht. Schlangenmittel haben seit vielen Jahren ihren Platz in der homöopathischen Materia medica und haben sich vielfach bewährt.
Für die homöopathische Arzneimittelfindung gilt das Prinzip der Phänomenologie als vorherrschend. D. h., im gegebenen Fall sucht ein Homöopath ein Heilmittel, dessen Wirkungskreis sich mit exakt jenen Phänomenen deckt, die den aktuellen Krankheitszustand oder die individuelle Befindlichkeitsstörung des Patienten widerspiegeln. Die klinische Diagnose wird dabei selbstverständlich gewürdigt. Für die homöopathische Heilmittelwahl ist jedoch entscheidend, wie und was der Patient bei seiner aktuellen Erkrankung empfindet, sprich wie seine persönliche Symptomatik ist. Dabei berufen wir uns auf die homöopathischen Arzneimittelprüfungen und auf die langjährigen therapeutischen Erfahrungswerte der homöopathischen Fachwelt. Diese haben Einzug erhalten in die homöopathische Materia medica. Zur guten homöopathischen Praxis gehört, dass die Phänomene der Patienten in der homöopathischen Anamnese völlig wertfrei wahrgenommen werden. Ein Patient zeigt sich so, wie er ist, bzw. wie sich seine Befindlichkeit rein phänomenologisch darstellt. So wird er wahrgenommen und auf dieser Grundlage erfolgt die Wahl des homöopathischen Heilmittels. Die Symptome und individuellen Phänomene führen sodann nach gründlicher Anamnese und Fallbeurteilung zum Heilmittel der Wahl.
Über diese linear-kausale Vorgehensweise hinaus, kann die homöopathische Arzneimittelfindung und Therapie durch weitere Strategien bereichert werden. Wir finden diese u. a. in der prozessorientierten Homöopathie (vgl. Krüger und Krüger 2004) sowie in der transpersonal und symbolpsychologisch geprägten Homöopathie (vgl. Krüger und Krüger 2004; Hiener 2001) und auch, und darum soll es in dieser Betrachtung vorzugsweise gehen, in der Signaturenlehre des Paracelsus (vgl. Rippe 2004). Letztere lehrt uns, genau hinzuschauen, was sich uns durch die Substanz und die Natur der Sache an sich offenbaren möchte.
Auch Schlangen verfügen über einzigartige und typische Merkmale bzw. Phänomene. Diese Signaturen können für eine ganzheitliche homöopathische Therapie wegweisend sein. Konstitutionell und prozessorientiert betrachtet lassen sich hieraus hilfreiche Rückschlüsse für die therapeutischen wie auch lebensweltlichen Themen von Menschen ziehen, die aus homöopathischer Sicht eine Affinität zum Heilungspotenzial eines Heilmittels aus der Familie der Schlangen aufweisen und denen im Rahmen einer homöopathischen Therapie möglicherweise ein potenziertes Schlangenmittel gut tun könnte.
Die Schlange, Wegbegleiter mit Weisheit, Verführung und Heilkraft
In der biblischen Schöpfungsgeschichte nimmt die Schlange eine zentrale Rolle ein. Ihrer Verführungskunst verdanken wir die Erbsünde mit der Abspaltung des Menschen vom lichtvollen Urquell und seiner Vertreibung aus dem Paradies. Mit List und Tücke verführt die Schlange den Menschen. Sie reizt ihn, seine Grenzen sprengen zu wollen und weckt in ihm die Lust, sich für neue Horizonte und eine erweiterte Weisheit zu interessieren. Sie verführt ihn und dennoch eröffnet sie ihm damit zugleich, als die andere Seite dieser Medaille, auch neue Wege. Ob und wie er diese geht, entscheidet der Mensch mit seinem freien Willen selbst. Aber mit ihrer Verführungskunst hat die Schlange den Samen gelegt.
Neben der biblischen Menschheitsgeschichte begegnet uns die Schlange auch in der Mythologie. Drei Schicksalsgöttinnen stehen dem Menschen hier zur Seite. In der griechischen Mythologie sind dies die Moiren. Ihnen entsprechen die Parzen in der römischen Mythologie. Die Schicksalsgöttinnen entscheiden über den Lebensfaden des Menschen. Ihre Aufgabe besteht darin, den Lebensfaden zu spinnen, seine Länge zu bemessen und ihn schlussendlich abzuschneiden. Lachesis, die Buschmeisterschlange, ist eine von ihnen. Ihr kommt als Schicksalsgöttin die Aufgabe zu, die Länge des Fadens zu bemessen. Dies erfordert Weisheit. So verkörpert die Schlange neben ihrer Verführungskunst auch den Aspekt der Weisheit.
Eine weitere Komponente offenbart sich in der Medizin und Heilkunde. Der Heilstab des Asklepios, des Gottes der Heilkunst in der griechischen Mythologie, wird von einer Schlange umwunden. Im Symbol des Äskulapstabes offenbart die Schlange damit einen Bezug zur Medizin und Heilkunst. Weisheit, Verführung und Heilkraft sind die drei Aspekte, die sich anhand dieser Signaturen im Wesen der Schlange und ihrer Mythologie erkennen lassen.
Betrachten wir diese Aspekte im Rahmen der Signaturenlehre, so offenbart die Schlange dem geneigten Betrachter symbolisch ein polares Spannungsfeld zwischen den Komponenten Weisheit und Verführung und der heilsamen Mitte als balancierende Kraft. In diesem Spannungsfeld die Balance zu halten, kann schlussfolgernd als eine der Aufgaben betrachtet werden, die dem homöopathischen Arzneimittelbild einiger bedeutender Schlangenheilmittel entsprechen und mit denen die betroffenen Menschen aus konstitutioneller homöopathischer Sicht in ihrem Leben konfrontiert sind. Der Mensch muss lernen, mit seinem (machtvollen) Potenzial zu seinem eigenen und zum Wohle anderer gut und sozial verträglich umzugehen und seine Macht nicht, bzw. karmisch gesprochen nicht mehr erneut, zu Ungunsten anderer auszuspielen. Als Kehrseite der Medaille kommt es nicht selten auch vor, z.B. bei Naja- oder Crotalus-Konstitutionen, dass der Mensch seine Macht, Kreativität und Schöpferkraft in Ohnmacht wandelt und sie nicht lebt bzw. nicht leben möchte. Karmische und systemische Verstrickungen können hierfür aus systempsychologischer Sicht u. a. die Ursachen sein.
Eine vierte Komponente, die für eine ganzheitliche naturheilkundliche Therapie, insbesondere die Homöopathie ganz wesentlich ist, offenbart sich als Signatur in dem Vorgang der Häutung von Schlangen. Wird einer Schlange ihre bisherige Haut zu eng, muss sie diese abstreifen und eine neue, größere Haut kommt zum Vorschein. Dieser Umstand birgt jedoch eine Schwachstelle in sich. Die neue Haut muss erst noch aushärten, um die bisher vorhandene Wehrhaftigkeit wieder zu gewährleisten. Bis dahin ist die Schlange äußeren Gefahren relativ schutzlos ausgeliefert. Ein Zustand, der eine gewisse Wehrlosigkeit darstellt und der der Schlange sicherlich einiges Unbehagen verursachen dürfte. Übertragen wir diese Signatur auf den Menschen, so lassen sich einige wertvolle Rückschlüsse ziehen, die für eine homöopathische Therapie und das Verständnis der Situation betroffener Menschen und ihrer homöopathischen Konstitution bedeutsam sind.
Schlangentypisches in der Homöopathie
Die homöopathische Erfahrung zeigt, dass Schlangenheilmittel, ungeachtet dessen, dass sie auch für Männer wertvoll sind, in der homöopathischen Praxis häufig in der Frauenheilkunde eingesetzt werden, allen voran die beiden Heilmittel Lachesis (Buschmeisterschlange) und Naja tripudians (Königskobra). Häufige frauentypische Themen in der naturheilkundlichen Praxis sind u. a.:
- Beschwerden in der Menopause, Klimakterium
- Beschwerden in der Pubertät
- Beschwerden vor der Menstruation, das PMS-Syndrom
Um den Katalog allgemein zu erweitern, sollen folgende Themen hinzugenommen werden:
- Beschwerden seit einer Emigration
- Beschwerden am Morgen
- Beschwerden an den Herzklappen
Als Homöopathen nehmen wir derartige Beschwerden und Umstände bei unseren Patienten aufmerksam wahr und versuchen, sie lösungsorientiert in die Therapie zu integrieren. Teils um die Dynamik eines Falles zu verstehen oder auch ganz konkret, um ein entsprechendes Heilmittel zu finden. In der Gruppenbetrachtung, wie sie für viele Familien homöopathischer Heilmittel gemacht werden kann, z. B. die Kaliumsalze, die Säuren, die Spinnenmittel oder eben auch die Schlangenmittel, können Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden. Diese können sehr hilfreich sein, da sie uns den Weg zu einer homöopathischen Heilmittelfamilie und zum schlussendlichen Heilmittel weisen können. In der systemischen Gesamtschau der oben dargestellten Auswahl darf man sich nun die Frage stellen, ob alle diese Phänomene Gemeinsamkeiten aufweisen und ob, bzw. inwieweit diese ggf. therapierelevant sein können.
Vor diesem Hintergrund ist erkennbar, dass sich die oben dargestellten Umstände alle durch eine Dynamik oder einen Prozess auszeichnen. Sie alle stellen Übergangszustände dar. Sei es die Menopause, wo die Frau vom Zustand der gebärfähigen Frau in den Zustand der weisen Frau übergeht, die Pubertät, wo der junge Mensch seine Persönlichkeit und Individualität ausbildet und sich sowohl organisch wie auch seelisch-geistig die Schöpfungsorgane melden, oder auch die Menstruation, die häufig von prämenstruellen Beschwerden begleitet wird. Es sind Zustände, die den Menschen an einer Schwelle zeigen, Zustände der Veränderung. Ebenso verhält es sich mit der Lebenssituation bei einer Emigration oder auch bei einem Wohnort- oder Arbeitsplatzwechsel, wenn der Mensch seine gewohnte Umgebung verlässt. Auch wenn wir in der Nacht oder am Morgen vom Nacht- in den Tagrhythmus übergehen, befinden wir uns an einem Übergang. Rein körperlich trifft dies auch auf die Funktion der Herzklappen zu. Sie stellen den Übergang des Blutflusses am Herzen dar, z. B. vom Vorhof zur Herzkammer oder in den Blutkreislauf. Immer geht es um Wechsel, Veränderung und Übergang. Selbstverständlich kann diese Aufzählung noch erweitert werden, wie die homöopathische Praxis zeigt. Hier soll es um den gemeinsamen Umstand des Übergangs gehen. Für die homöopathische Praxis stellt sich die Frage, wie geht es dem Menschen damit? Was passiert im Zustand des Übergangs und welches Heilmittel kann hier hilfreich sein?
Der Aspekt der Häutung, Schicksal und Chance
Neben der Phänomenologie stellt das Prinzip der Potenzialorientierung eine weitere Prämisse der Homöopathie dar. Hahnemann sprach in diesem Zusammenhang von der Lebenskraft. An diese richten wir in der homöopathischen Therapie unsere Heilimpulse. Denn Licht vertreibt Dunkelheit, so eine kabbalistische Weisheit. Mit dem homöopathischen Heilmittel soll dem kranken oder leidenden Menschen Gelegenheit gegeben werden, seine eigenen Potenziale wiederzufinden und seine eigene Heilkraft für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden möglichst optimal zu nutzen. Homöopathische Heilmittel sind insofern Impulsgeber.
Aufgabe der Homöopathie ist es, den Menschen in allen seinen Lebenslagen und bei den Herausforderungen und Lebensaufgaben, die sich ihm stellen, so gut als möglich zu unterstützen. So auch in Zuständen des Wechsels und des Übergangs in neue Lebensphasen, auf die Schlange bezogen im Zustand der Häutung. Im Zustand der Häutung ist die Schlange geschwächt. Häutung bedeutet hier zunächst Schutzlosigkeit. Und so stellen Übergangssituationen und im übertragenen Sinne Zustände der Häutung für Menschen dieser homöopathischen Kategorie besondere Herausforderungen dar. Übergang bedeutet Wechsel und Gewohntes verlassen. Vertraute Spuren ganz oder teilweise zu verlassen, sich Neuem zu öffnen, fällt nicht jedem leicht. Dass manche Menschen sich damit schwerer tun als andere ist legitim. Und so verwundert es Homöopathen nicht, wenn sich Menschen in belastenden Veränderungssituationen, wo es symbolisch darum geht, die alte Haut abzustreifen und sich neuen Horizonten zu öffnen, unwohl fühlen, am Zustand des Übergangs leiden und sogar daran krank werden. Es gilt, das sich hinter diesem Zustand verbergende Potenzial und die Chance, welche die „neue Haut“ im Zusammenhang mit dem eigenen Wachstum bietet, wahrzunehmen und möglichst etwas Gutes daraus zu machen. Wie schön, dass die Natur entsprechend den hermetischen Gesetzen auch die Kehrseite der Medaille stellt und aus dem Heilmittelschatz der Homöopathie ein hilfreiches Heilmittel bzw. eine ganze Heilmittelfamilie bereithält.
Aus den dargestellten Signaturen lassen sich, im Einklang mit der homöopathischen Materia medica (Nistl 2019), einige hervorstechende homöopathische Heilungsthemen der Schlangenheilmittel zusammenfassen. Diese stellen einen themenspezifischen Auszug des umfassenden Wirkungsspektrum homöopathischer Schlangenheilmittel dar.
Nachfolgend ein Überblick
Häutung – Übergang
- Verschlechterung des Befindens und der Symptome morgens (typisch für Lachesis muta, Naja tripudians, Crotalus horridus und Elaps corallinus) oder bei Wetterwechsel (Crotalus, Lachesis,Vipera berus). Wenn Symptome immer im Frühling auftreten, kann Crotalus bei Vorliegen weiterer Indikationen, die dieses Heilmittel bestätigen, hilfreich sein.
- Verschlechterung des Befindens und der Symptome bei jeglicher Enge, z. B. durch Kleiderdruck (typisch für Lachesis muta am Hals).
- Die Betroffenen sind sehr empfindsam, sensibel und feinfühlig gegenüber der Umwelt (die neue Haut ist noch nicht ausgehärtet).
- Jegliche Umbruchsituationen können Probleme verursachen (wie oben dargestellt).
- Nach der Häutung ist es wieder besser, wenn es gelingt, den Übergang mitzumachen. Dies bedeutet, dass es den Menschen nach dem Übergang wieder besser gehen kann. Sehr auffällig bei Lachesis ist die Modalität der Besserung von Symptomen bei Einsetzen von Absonderungen. D.h., die Lachesis-Frau leidet unter starken prämenstruellen Problemen und ihr Zustand bessert sich schlagartig, wenn die Blutung einsetzt und die Menstruation fließt. Ebenso verhält es sich, wenn die Nase läuft oder auch wenn die Lachesis-Frau viel Geld ausgeben kann oder auch, wenn sie sich sexuell ergießen kann. Die Buschmeisterschlange pflegt in der Regel einen ausgiebigen Sexualakt. Analog legen diese Menschen viel Wert auf leidenschaftliche Sexualität.
- Werden Häutungsprozesse unterdrückt, wie dies nach naturheilkundlichem Verständnis analog durch Impfungen passieren kann, da dem Menschen die Chance zur Eigenentwicklung genommen wird, kann Crotalus horridus als Heilmittel angezeigt sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn nach Impfungen Hautprobleme auftreten. Diese stellen letztendlich nichts anderes dar, als den Versuch des Organismus, das was er nicht haben möchte, wieder an die Oberfläche zu bringen. Crotalus kann derartige Ausheilungsprozesse unterstützen, so die homöopathische Erfahrung. Es gehört zum Arzneimittelbild von Crotalus, dass Schöpfungspotenziale mitunter nicht gelebt bzw. unterdrückt werden (Sucht = Flucht, z. B. Flucht in die Alkoholsucht), was natürlich dem eigentlichen Lebensplan des Menschen nicht unbedingt zuträglich ist.
- Beschwerden an den Herzklappen, typisch für Naja (z. B. Mitralklappeninsuffizienz).
Symptome am und im Hals
Der Hals stellt den Übergang vom unteren zum oberen Menschen dar (Verbindung Herz und Verstand, Verführung und Weisheit). Am Hals ist die Schlange wehrlos. Viele Symptome zeigen sich am Hals, auch Krebs (Lachesis).
- Engegefühl am Hals, oftmals können die Menschen am Hals keine enge Kleidung ertragen. Die typische Lachesis-Frau begegnet uns häufig in lockeren, wallenden Gewändern und mit luftigem Ausschnitt.
- Entzündungen, z. B. Halsschmerzen bei Lachesis (linksseitige sind sehr typisch, mit viel Räuspern und Schleimbildung), Halsentzündungen auch bei Crotalus horridus, Crotalus cascavella, Elaps und Naja.
Weisheit und Verführung
Dualität, Spaltung und Zweifel zeigen sich hier.
- Zweifel. Die Menschen zweifeln oft, ob ihre jeweils getroffenen Entscheidungen richtig sind oder nicht. Zu Lachesis gehört z. B. das Fragezeichen. Ein Hinweis auf die Dualität und innere Spaltung.
- Gewissen. Leicht kann die dargestellte Spannung sich einseitig entladen, z.B. verbal. Die Schlange hat eine gespaltene und sehr feinsinnige (scharfe) Zunge. Sie kann damit Menschen gezielt und sehr feinsinnig treffen und verletzen. Am nächsten Tag erwacht der Mensch dann mit einem schlechten Gewissen. Dies ist grundsätzlich ein miasmatisches und sykotisches Thema. Es kommt bei sehr vielen homöopathischen Heilmitteln im Arzneimittelbild vor und ist daher nicht nur schlangentypisch, dennoch bei Lachesis durchaus auffallend.
- Spaltung. Viele Schlangenkonstitutionen leben gelegentlich oder auch zeitlebens im Zustand einer inneren Verwirrung. Der Mensch ist auf der Suche nach seiner eigenen Identität. Er ist gespalten (gespaltene Zunge). Insofern zeigen sich häufig laterale (einseitige) Symptome, z. B. bei Lachesis und Naja vorzugsweise links, bei Crotalus eher rechts.
Macht und Ohnmacht
Eine andere Form der Spaltung. Die Schlange ist im Grunde ihres Wesens mächtig. Ihr Thema ist es, einen sozial verträglichen Umgang mit ihren Potenzialen zu lernen und zu leben. Dies gilt vor allem für die mächtige Lachesis. Es gilt aber auch für Naja, die häufig der Ohnmacht ausgesetzt ist und sich in Abhängigkeitsverhältnissen befindet, aus denen sie sich, um der eigenen Inkarnation Willen, lösen sollte.
- Ausbrechen aus dem Kreislauf Täter – Opfer. Dies kann auch karmisch verstanden werden.
- Die eigene Kraft und die eigene Weiblichkeit annehmen. Der Königskobra (Naja) werden die Zähne gewaltsam gezogen. Damit ist sie machtlos und steht in einem Abhängigkeitsverhältnis. Sie muss nach der Pfeife (Flöte) eines anderen tanzen und fristet ihr Dasein in einem viel zu engen Korb. Für den Menschen gilt es, sich seiner Kraft zu entsinnen und seine Potenziale zu leben, in die Eigenverantwortung gehen und aus dem Korb ausbrechen. Schließlich wachsen der Königskobra die Zähne, die man ihr entrissen hat, wieder nach.
- Die eigene Schöpferkraft leben, nicht nur sexuell – aus der Reaktion in die Aktion kommen.
Einheit und Vollmacht
Erlösung findet der einem homöopathischen Schlangenheilmittel-affine Mensch für Körper, Seele und Geist in der Einheit des Seins und in der Vollmacht. Machtbewusstsein ohne Machtdemonstration lautet die Devise. Die Häutung bietet hierzu die Chance. Überwindung der Spaltung und der schwächenden Häutungsphase hin zu einer gesunden und vollkommenen Identität ist das in der ganzheitlichen homöopathischen Therapie verfolgte Ziel. Dabei gehen wir, ganz im Einklang mit Aristoteles von der Prämisse aus: Anima forma corporis, der Geist formt den Körper. Insofern eignen sich die hohen und höheren Potenzen gut, um diese Themen homöopathisch anzugehen. Potenzierte Heilmittel in hoher Potenz können hierfür wertvolle und hilfreiche Impulse liefern. Sie können den Menschen anregen und ihm helfen, karmische und systemische Verstrickungen zu lösen, seine eigene Rhythmizität wiederzufinden und seine (neuen) Wege mit Vollmacht zu gehen. Dies wirkt sich schlussendlich natürlich auch auf den Körper aus.
Als Konstitutionsmittel haben alle homöopathischen Schlangenheilmittel jeweils ihr eigenes umfassendes Arzneimittelbild und Psychogramm. Die homöopathische Schlangenfamilie steht dabei symbolisch insgesamt für Licht und Schatten, für Weisheit und Verführung und damit für Rhythmus. Und Rhythmus bedeutet Leben. Denn der Mensch ist ein rhythmisches Wesen. Jedes einzelne Heilmittel aus der Schlangenfamilie mit seinem spezifischem Wirkungsgrad kann in diesem Themenfeld individuell heilsam eingesetzt werden, damit die betroffenen Menschen, symbolisch gesprochen, nicht aus der Haut fahren müssen, sondern gut in ihre neue Haut hineinwachsen können und sich wohlfühlen in ihrer Haut, auch im und nach dem Zustand der Veränderung.
Für ein vertiefendes Studium sei auf das Homöopathieausbildungsprogramm des Autors an der Naturheilschule Isolde Richter verwiesen. Infos unter www.isolde-richter.de.
Kontak
E-Mail: mail@pianistl.de
www.pianistl.de
Literaturverzeichnis
Hiener, Sarah S. (2001): Der homöopathische Seelenspiegel. 2., überarb. Aufl. Stühlingen: SchulamithVerl.
Krüger, Andreas; Krüger, Arne (2004): Berliner Homöopathie. Geschichten zur prozessorientierten Homöopathie bei Mensch und Tier erzählt von den Gebrüdern Krüger. 1. Aufl. Bonn:Verle. Volksheilkunde.
Nistl, Manfred (2019): Grundlagen der Homöopathie. Kenzingen: Online-Shop I. Richter. Online verfügbar unter https://www.heilpraktiker-online-shop.de/49110/grundlagen-der-homoepathie-manfred-nistl.
Rippe, Olaf (2004): Paracelsusmedizin. Altes Wissen in der Heilkunst von heute; Philosophie, Astrologie, Alchemie, Therapiekonzepte. 3. Aufl. Aarau: AT Verl.
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