§ 258 – Sechste Ausgabe
Eben so wird der ächte Heilkünstler auch die, wegen unrichtiger Wahl (also aus eigner Schuld) hie und da mit Nachtheil angewendeten Arzneien nicht aus mißtrauischer Schwäche beim fernern Heilgeschäfte hintansetzen, oder aus andern (unächten) Gründen, als denen, weil sie für den Krankheitsfall unhomöopathisch waren, vermeiden, eingedenk der Wahrheit, daß stets bloß diejenige unter den arzneilichen Krankheitspotenzen Achtung und Vorzug verdient, welche, in dem jedesmaligen Krankheitsfalle, der Gesammtheit der charakteristischen Symptome am treffendsten in Aehnlichkeit entspricht und daß keine kleinlichen Leidenschaften sich in diese ernste Wahl mischen dürfen.
Genauso solle ein wirklicher Arzt keine Abneigung oder Hass gegenüber einigen Medikamenten entwickeln. Vielleicht gab es Begebenheiten, bei denen es aufgrund des anfänglichen Fehlers des Arztes zu einigen schlechten Ergebnissen kam. Die dabei verwendeten Mittel sollten nicht verachtet und unbenutzt liegen gelassen werden. Es gibt keine Medikamente, die nicht nützlich und gefährlich sind. Jedes Medikament ist besser als alle anderen, wenn vollständige Ähnlichkeit erreicht wird. Deshalb sollte der Arzt niemals Vorlieben und Abneigungen gegenüber Medikamenten entwickeln und Hindernisse bei der Wahl des Medikaments schaffen.
Erklärung
„Phosphor nimmt das Leben. Ich benutze es niemals“, sagt ein Arzt. Ein anderer Arzt sagt: „Lachesis ist das Gift einer Schlange. Ich benutze solche giftigen Mittel nicht.“ Diese Arten von Vorurteilen sind nicht wünschenswert bei einem Arzt.
§ 259 – Sechste Ausgabe
Bei der so nöthigen als zweckmäßigen Kleinheit der Gaben, im homöopathischen Verfahren, ist es leichtbegreiflich, daß in der Cur alles Uebrige aus der Diät und Lebensordnung entfernt werden müsse, was nur irgend arzneilich wirken könnte, damit die feine Gabe nicht durch fremdartig arzneilichen Reiz überstimmt und verlöscht, oder auch nur gestört werde.1
1) Die sanftesten Flötentöne, die aus der Ferne, in stiller Mitternacht, ein weiches Herz zu überirdischen Gefühlen erheben und in religiöse Begeisterung hinschmelzen würden, werden unhörbar und vergeblich unter fremdartigem Geschrei und Tags-Getöse.
In der Homöopathie gilt, dass je notwendiger ein passendes Mittel für einen Patienten ist, desto geringer soll die Dosis des Mittels sein. Wenn das während der Behandlungsphase von einem Arzt erinnert wird, erinnert er sich auch an die Wichtigkeit der erforderlichen Nahrungseinschränkungen, um die Wirkung der Mittel zu beschützen. Jeder kleine Fehler durch die Ernährung usw. kann die Wirkung des Mittels stören, hemmen oder vernichten.
Erklärung
Der für eine Krankheit heilende Anteil eines potenzierten Mittels ist winzig. Man muss sich ausreichend darum kümmern, diesen heilenden Teil des Medikaments davor zu schützen, dass er weder während der Aufbewahrung, der Anwendung oder beim Befolgen der notwendigen Diät zunichte gemacht oder gesprengt wird. Wenn das missachtet wird, wird die Dosis zu einem Gegenmittel. Der Arzt weiß dann nicht mehr, wann die nächste Dosis gegeben werden sollte. Wie und wann die nächste Dosis gegeben werden sollte, hängt von der Art und Weise und der Stärke der Wirkung der ersten Dosis ab. Dasselbe gilt für die Erhöhung der Offenheit, das heißt die sich verändernden Bedingungen zeigen nur die weitere Verschreibung an. So sind in der Homöopathie die Beziehungen zwischen der ersten Dosis und folgenden Verschreibungen genauso wie Perlen, die auf den Faden einer Girlande aufgezogen werden. Es ist schwer, den gerissenen Faden wegen falscher Diät wieder aufzunehmen. Der Autor des homöopathischen Systems wiederholte ausdrücklich, wie wichtig eine strenge Regulierung der Ernährung und anderer Gewohnheiten ist.
Einige Homöopathen betrachten diese Regulierungen als Aberglauben und meinen, dass man ihnen nicht folgen muss. Einer fordert den Patienten heraus: „Du kommst und isst eine Jarda-Pfanne. Ich werde darüber Medizin streuen und ihre Wirkung nachweisen.“ In diesem Zusammenhang müssen wir demütig verstehen, dass die Behandlung ein Dienst an der Menschheit und keine Herausforderung ist. Es ist blanke Unwissenheit zu behaupten, dass die Lehren von Dr. Hahnemann Aberglauben seien und gleichzeitig seiner Methode folgen.
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