Die Klassifikation der Naturreiche
In den 90er Jahren überlegte ich mir, ob jemand, der ein pflanzliches Heilmittel braucht, erkennbar anders ist als derjenige, der ein tierisches oder mineralisches Heilmittel benötigt. Dieser Gedanke, obgleich anscheinend sehr simpel, war für mich in der Homöopathie ein großer Schritt nach vorne. Das Wichtige war, dass der homöopathische Ansatz das erste Mal über einzelne Symptome hinausging und mit Wissenschaften wie Physik, Chemie, Botanik und Zoologie verbunden wurde. Anstatt sich auf die Materia Medica, Mittelprüfungen und Symptomatologien zu beschränken, eröffnete sich hier ein größerer Zusammenhang. Seither verstehe ich die homöopathischen Heilmittel als eine Repräsentantin der Natur. Obwohl die Heilmittel aus Natursubstanzen stammen, hatten wir merkwürdigerweise nur mit Blick auf die Symptome praktiziert, ohne diese mit der Natur an sich in Verbindung zu bringen.
Unsere Heilmittel, ob sie nun aus Pflanzen, Tieren oder Mineralien hergestellt werden, repräsentieren jeweils den Spirit, den Geist ihrer Ursubstanz und müssen daher den gleichen Charakter haben. Ohne diese Erkenntnis wird Hahnemanns Materia Medica auf eine trockene Sammlung von Symptomen reduziert. So aber, durch diesen simplen Gedanken, werden das innere Chaos, die körperlichen Beschwerden, Expressionen, Worte, Gefühle und Träume des Patienten zum Spirit der Ursubstanz ausgedrückt in einem menschlichen Wesen.
Mit diesem Ansatz erweitert sich unsere Materia Medica und alles aus der Natur, Lebendiges und Unlebendiges, wird miteingeschlossen. Die Anwendung dieser Idee in der Praxis – obschon Zielscheibe von viel Kritik und Spott – führt immer wieder zu vielen bemerkenswerten Resultaten, sowohl für mich wie für meine Kollegen und Schüler.
Beim Vorbereiten auf eine Vorlesung über „Arg met“ bekam ich einen der ersten Hinweise auf die mögliche Existenz eines Schemas in unserer Materia Medica.
Ich bemerkte, dass das Heilmittel Silber die Qualitäten von Show und Leistung hat und konnte diese Qualitäten direkt zur Ursubstanz Silber in Beziehung setzen („Reden ist Silber,…“). Gleichzeitig wusste ich, dass für das Heilmittel „Aurum met“ das Thema Leistung sehr charakteristisch ist (gefolgert aus den Symptomen: Verantwortung, Fleiß, Gewissenhaftigkeit). Ich fragte mich, ob dieses Thema allen Metallen gemeinsam war.
Ein Studium jedes dieser Heilmittel überzeugte mich davon, dass Leistung und Verteidigung wirklich ein gemeinsames Thema war. Und dies ist auch die Funktion der Ursubstanzen dieser Heilmittel auf der materiellen Ebene.
Aufgrund dessen studierte ich nun eifrig das Periodensystem. Ich entdeckte, dass mit zunehmendem Atomgewicht der Metalle das Thema Leistung im entsprechenden Heilmittel auch immer wichtiger wurde. Zum Beispiel ist das Thema Leistung in „Arg met“ stärker vertreten als in „Cuprum“ und am stärksten bei „Aurum“, wobei Gold das schwerste dieser drei Metalle ist. Auch fanden sich nah verwandte Heilmittel in der gleichen Gruppe des Periodensystems. Zum Beispiel stehen „Platina“ und „Palladium“, zwei gut bekannte Komplementärmittel, übereinander in der gleichen Gruppe. Weitere Untersuchungen offenbarten auch gemeinsame Themen in anderen Gruppen, wie Kationen, Anionen und die Salze. Waren die zentralen Themen eines Heilmittels noch nicht in der Mittelprüfung deutlich herausgekommen, führte ich neue Mittelprüfungen durch. An diesem Punkt traf ich Jan Scholten, der auch an dem Periodensystem arbeitete, und seine Arbeit bestätigte meine Beobachtungen.
Mit meinem Freund Jürgen Becker führte ich später in einem Seminar eine Mittelprüfung von „Naja“ durch. Dabei wurden wir ermutigt, die Schlangenmittel als eine Gruppe von Heilmitteln zu untersuchen. Ein Resultat davon war, dass wir nun begannen, auch andere Schlangenmittel wie „Crot casc“, „Crot hor“, „Vipera“ und „Elaps“ zu verschreiben, da wir nun ein Verständnis von der ganzen Gruppe hatten und damit auch genauer differenzieren konnten, welches Schlangenmittel im jeweiligen Fall das passendste war.
Ich versuchte jetzt herauszufinden, ob es ein gemeinsames Thema für alle Heilmittel aus dem Tierreich gab und so kam ich zu dem, was ich als die einfachste und wichtigste Entdeckung ansehe: Die Unterscheidung zwischen Heilmitteln (und Anamnesen), je nach Zugehörigkeit zu den verschiedenen Naturreichen – dem Mineral-, dem Pflanzen-, dem Tierreich sowie den Nosoden. Diese Entdeckung war das Ergebnis gewissenhafter Beobachtung mehrerer hundert Patienten in meiner sehr geschäftigen Praxis. Ich schrieb darüber in „Die Substanz der Homöopathie“ und daraufhin wurde dies durch viele meiner Patienten und durch die Patienten meiner Kollegen bestätigt. So schien endlich eine Ordnung in die Materia Medica zu kommen, die unsere Arbeit viel einfacher machte, wenn die Methode richtig angewendet wurde.
Hier möchte ich Neulinge und auch Homöopathen vor der Anwendung meiner Ideen warnen. Das volle Potential jedes Konzeptes wird nur realisiert werden, wenn es in aller Tiefe erforscht und verstanden wird. Meine Ideen in einem Seminar zu hören und sie dann in die Praxis umzusetzen, ohne meine vorangegangenen Bücher gelesen zu haben, in denen diese in allen Details erklärt wurden, ist gefährlich für den Homöopathen, den Patienten und die Wissenschaft. Meine Konzepte basieren auf jahrelangem Studium der homöopathischen Philosophie, der Materia Medica und des Repertoriums. Obwohl diese Konzepte mich über die Beschränkungen des Repertoriums und der Mittelprüfungen hinausgeführt haben, sind und bleiben diese die Grundlage gründlicher Arbeit und sinnvoller Konzepte. Mein Anliegen ist es, Verlässlichkeit in der Verschreibung von Homöopathie zu etablieren und nicht, irgendwelche Abkürzungswege zu finden. Obwohl die Aufgabe des Verschreibens mit der Entdeckung dieser Orientierungshilfen und des Systems einfacher geworden ist, gibt es keinen Ersatz und keine Abkürzungen, wenn es darum geht, eine detaillierte Fallaufnahme ohne Vorurteile in der Praxis zu erstellen. Mit Hilfe dieser Orientierungshilfen ist das Praktizieren der Homöopathie angenehmer geworden, doch sie bleibt die ernsthafte Arbeit, die Kranken wieder gesund zu machen.
Die Klassifikation der Heilmittel in die Naturreiche und meine ersten Ideen und Beobachtungen werden im Folgenden kurz aufgezeigt:
Das Reich der Minerale
Die verbindenden Themen dieses Naturreiches sind Struktur und Organisation. Ihre Probleme haben ihren Ursprung in einem Bruch oder einem Verlust von Struktur und Organisation, beispielsweise in einem Bruch in der Beziehung, in einer misslungenen Leistung oder einem Positionsverlust. Patienten, die ein mineralisches Heilmittel benötigen, sind sehr systematisch und organisiert. Mineralische Heilmittel kann man weiterhin in mehrere Gruppen klassifizieren:
Metalle
Die Heilmittel aus dieser Gruppe haben mit Leistung und Verteidigung zu tun. Die Heilmittel aus der vierten Periode wie „Manganum“, „Ferrum“, „Cobaltum“, „Niccolum“, „Cuprum“ und „Zincum“ haben mehr mit Verteidigung als mit Leistung zu tun. Bei Heilmitteln aus der fünften Reihe des Periodensystems wie „Rhodium“, „Palladium“, „Argentum“, „Cadmium“ und „Indium“ geht es mehr um Leistung. Und die Heilmittel „Osmium“, „Iridium“, „Platina“, „Aurum“, „Mercurius“ und „Thallium“ der sechsten Reihe haben die Themen Verteidigung und Leistung am stärksten.
Kationen
Das allgemeine Thema ist das Bedürfnis nach Beziehung und jede Untergruppe hat ihr eigenes Thema.
Gruppe I A ist damit beschäftigt, Beziehungen einzugehen; hier sind „Sodium“ und „Kalium“ die Kationen.
Das Thema in Gruppe II A hat das Bedürfnis nach Unterstützung; hier sind die Heilmittel „Magnesium“, „Calcium“, „Strontium“ und „Barium“.
Von Gruppe III haben die Heilmittel „Borax“ und „Alumina“ die Gefühle der Konfusion und das Gefühl eines Spinnwebens im Gesicht gemeinsam.
Anionen
Das Hauptthema ist hier das Bemühen, eine Beziehung aufrechtzuerhalten und weiterzuführen.
Gruppe IV hat die Heilmittel „Carbon“ und „Silicea“. Beide sind nicht reaktive Elemente.
Die Gruppe V, mit den Heilmitteln „Phosphorus“, „Arsenicum“, „Antim crud“ und „Bismuth“, hat als gemeinsame Symptome „Angst, allein zu sein“, „Wunsch nach Gesellschaft“ und „Klammern“. Das gemeinsame Thema ist hier, nicht geliebt zu werden und allein gelassen zu werden.
„Sulphur“ und „Selenium“ der Gruppe VI haben die Symptome: „Abneigung gegen Gesellschaft“ und „Unfähigkeit zu arbeiten“ gemein. Thema ist hier die Erwartung der anderen und das Sich-Bemühen.
Die „Halogene“ (Gruppe VII) haben das zentrale Gefühl, betrogen und im Stich gelassen worden zu sein.
Salze
Salz repräsentiert die Vereinigung zweier Qualitäten, die sich ausbalancieren und zusammen angemessen in bestimmten Lebenssituationen sind. Von den zwei Komponenten eines Salzes hat das Kation das Bedürfnis, eine Beziehung einzugehen, während die Anionen das Halten der Beziehung als Thema haben, wobei auch manchmal eine Abneigung gegenüber der Beziehung vorkommt. Zum Beispiel hat „Natrium“ den starken Wunsch, eine Beziehung einzugehen so sehr, dass jede Zurückweisung Verletzungen und Enttäuschungen bewirkt. Dieses Bedürfnis von „Natrium“ muss mit der Qualität von Enttäuschung, Abweisung und Unwillen, eine Beziehung einzugehen, balanciert werden. Diese wird durch das „Muriaticum“– (Clor) Element gegeben. Das Hauptgefühl in so einem Zustand ist, von jemandem, von dem man abhängig ist, im Stich gelassen und enttäuscht zu werden.
Säuren
Das Hauptthema der Heilmittel „Säuren“ ist das von Anstrengung, gefolgt von Kollaps. Die Säure eines bestimmten Elementes repräsentiert eine konstante Anstrengung, konstanten Einsatz kombiniert mit der Thematik des Elementes. Die Anstrengung von Phosphorsäure geht in die Richtung, für andere zu sorgen und ihnen zugetan zu sein, das Hauptgefühl von „Phosphorus“ ist, nicht genug Liebe und Zuneigung zu bekommen.
Das Reich der Pflanzen
Hauptthema: Sensibilität
Hauptqualitäten: Sensibler Charakter, schnell berührt von vielen Dingen und sich diesen anpassen, Dinge sehr intensiv fühlen, sanft und emotional. Gefühle sind ihnen wichtig und sie haben Angst, dass diese verletzt werden.
Beobachtungen: Blumige, unregelmäßig gemusterte Kleidung. Die Schrift ist unregelmäßig, rundlich und unorganisiert.
Präsentation der Beschwerden: Oft recht unorganisiert, keine bestimmte Ordnung, dahinplätscherndes Gespräch, (sprechen von Beschwerden anderer inmitten ihrer eigenen Erzählung) ausführlich beschreibend, kann beim Folgebesuch ganz abrupt beginnen.
Art der Beschwerden: Sie können inkonsistent in ihrer Art sein, schneller Beginn, viele Modalitäten; diese meist bezüglich ihrer Sensibilität.
Auslöser der Beschwerden: emotionale oder körperliche Verletzung oder Überanstrengung.
Oft gebrauchte Ausdrücke:
„Ich bin betroffen von . . .“
„Ich bin sensibel auf. . .“
„. . . verletzt mich . . .“
„Ich kann es nicht ertragen, dass . . .“
„. . . berührt mich . . .“
Träume: beeinflusst häufig von den Tagesereignissen; abwechslungsreiche Träume von Pflanzen, Grünem, Natur, Musik oder Kunst
Interessen: Natur, Pflanzen, Blumen, Musik, Kunst, schöngeistige Dinge.
Das Reich der Tiere
Das Hauptthema der Tiere ist Wettbewerb. Ein weiteres Thema ist ein Konflikt, dessen Ursache eine Zweiteilung im Selbst ist. Die beiden Anteile sind die tierische Seite und die menschliche Seite. Während die tierische Seite mit Wettbewerb beschäftigt ist, scheint die menschliche Seite Verachtung für das Tier im Inneren zu haben.
Wettbewerb ist der Schlüssel zum Überleben in der Welt der Tiere und so spiegelt es sich auch im Verhalten solcher Personen wider; es kann von Aufmerksamkeit erheischend und attraktiv, bis zu aggressiv, böswillig und betrügerisch gehen. Sie benutzen oft Ausdrücke wie „von den menschlichen Wesen“, „Menschen sind so grausam“, „ich fühle mich von ihnen angegriffen“, „ich greife sie an“, „ich springe sie an“, „ich bin nicht gut genug“, „ich fühle mich geteilt“ etc. Ihre Beschwerden haben mit Attraktivität und Wettbewerb zu tun und der auslösende Faktor ist oft ein Konflikt, eine Abweisung oder das Gefühl, „heruntergemacht“ zu werden oder sich angegriffen zu fühlen.
Die Untergruppierungen von Säugetieren, Insekten, Spinnen und Schlangen haben alle jeweils ihre eigenen, einzigartigen Themen.
Nosoden
Nosoden repräsentieren den zentralen Punkt des jeweiligen Miasmas.
Bei den Nosoden liegt die Betonung auf dem Prozess an sich, auf dem Grad der Verzweiflung, der Tiefe oder dem Rhythmus, statt auf einem speziellen Thema wie Struktur, Leistung, Beziehungen, Sensibilität oder Wettbewerb fürs Überleben. Dieser Prozess wird in jedem Bereich des Lebens der Person reflektiert, statt auf ein spezielles Gebiet (Struktur/Sensibilität/Wettbewerb) gerichtet zu sein.
Wenn z. B. jemand sagt: „Ich versuche verzweifelt, die Erste zu sein“ und „ich suche verzweifelt eine Beziehung“ und „Armut macht mich verzweifelt“ liegt die Betonung auf „verzweifelt“ und nicht auf einer bestimmten Thematik. „Verzweifelt“ zeigt an, in welchem Grad die Person alles fühlt und in solch einem Fall denkt man an eine Nosode.
Bei „Psorinum“ herrscht eine konstante Anstrengung auf jedem Gebiet, bei „Medorrhinum“ sieht man ein Gefühl von Unzulänglichkeit und Verdecken/Verstecken, während in „Syphilinum“ nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu finden sind. Andere Nosoden sind: „Malaria Nosode“, „Carcinosin“, „Bacillinum“ und „Leprominium“.
Wir sehen hierbei, dass da jenseits der Symptome etwas anderes ist. Krankheit ist nicht nur eine Ansammlung von Symptomen, sondern ein Zustand, der Ähnlichkeit mit der Substanz der Natur hat, welche sich in einem Menschen ausdrückt. Wenn man es ganz vereinfacht sagen will, dann ist es, als ob eine Pflanze, ein Tier oder ein Mineral direkt durch den Menschen hindurch spricht. Der Homöopath muss die Sprache direkt hören, denn diese Dinge können nicht in Symptome übersetzt werden. Das soll folgendes Beispiel erklären:
Eine „Mineral-Person“ kommt wegen ihrer Kopfschmerzen in die Praxis und wird wahrscheinlich so anfangen: „Meine erste Kopfschmerzattacke dieser Art bekam ich am 15. November 1993 um 15 Uhr.“ Es tritt also Struktur in ihrer Beschreibung der Kopfschmerzen zutage.
Eine „Tier-Person“ würde wahrscheinlich so erzählen: „Dieser Kopfschmerz ist hinter mir her. Er hat mich schon so lange gestört. Jetzt habe ich entschieden, dass er mich nicht kriegen wird und dass ich ihn jetzt ein für alle Mal loswerde.“ Der Patient spricht über den Kopfschmerz, als ob dieser darauf aus wäre, ihn zu fangen und, um zu überleben, muss er ihn loswerden und darf sich nicht von ihm überwältigen lassen.
Das ist Wettbewerb und das Überleben des Stärkeren. Die „Pflanzen-Person“ könnte sagen: „Dieser Kopfschmerz berührt mich wirklich, das tut mir richtig weh und bringt mich zum Weinen.“ Es wird hierbei deutlich, dass es um Sensibilität und die Reaktion darauf geht. Wenn wir also auf diese Weise die Wegweiser der Naturreiche richtig anwenden, können sie uns sehr dabei unterstützen, das richtige Heilmittel aus unserer enorm großen und ständig wachsenden Materia Medica auszuwählen.
Ein in der Praxis angewandtes System
Aus der Anwendung der oben genannten Ideen in der Praxis, entwickelte sich mit der Zeit eine neue Methode der Fallaufnahme und Fallanalyse. Diese Methode kam ganz natürlich und ich konnte ihr unbewusst folgen. Aber manchmal war es schwierig, meinen Studenten meine Art zu denken zu erklären. Ich realisierte auch, dass Homöopathie eine der wenigen Disziplinen war, in der es noch kein festgelegtes System gab. Die Fallaufnahme sollte daraufhin abzielen, die innersten Prozesse des Patienten zu verstehen, statt mechanisch Symptome aus körperlichem, emotionalem und allgemeinem Bereich aufzulisten.
Meine Vorgehensweise kann man in vier Schritte aufteilen:
- Symptome werden nur gesammelt. Der Homöopath stellt keine direkten Fragen, und falls er in diesem Stadium überhaupt Fragen stellt, dann sind sie allgemein und unbestimmt. Der Fokus liegt darauf, dem Patienten in aller Stille zuzuhören und Symptome zu sammeln.
- Der zweite Schritt ist der, wichtige Hinweise aus dem ersten Schritt aufzusuchen und den Patienten nach diesen zu befragen. Am Ende des zweiten Schrittes fragt man nach Träumen, nachdem man den bewussten Gefühlen in jeder Situation und jedem Ereignis nachgegangen ist.
- Der dritte Schritt ist der des direkten Nachfragens. Was an Besonderem in den vorherigen Schritten aufgetaucht ist, dem muss nun genau nachgegangen werden, solange, bis es verstanden wird.
- Der vierte Schritt ist der des Epizentrums/der Wahnidee oder Empfindung. Sobald dieses Tor offen ist, treten wir in eine völlig andere Welt als die der bewussten Realität ein. Das ist die Welt der Wahnidee oder des Traumes.
Das System:
A. Fallaufnahme
1.Die Beschwerde des Patienten:
- Beschreibung
- wie sie sein Leben verändert
- welche Bedeutung die Beschwerde für sein Leben hat
- warum passiert es jetzt?
- Reaktion darauf
- Erwartung in Bezug auf die Behandlung und an den Homöopathen
- Art und Weise der Beschreibung
2. Situationen im Leben des Patienten
- auslösende Faktoren
- andere Stresssituationen
- ärgerliche Ereignisse und Situationen
- Situationen in der Kindheit
- Situationen während der Schwangerschaft
- Arbeitssituation
- Beziehungen
- Situationen, die vermieden oder kompensiert werden
- mit dem Patienten in Stresssituationen hineingehen
3. Der Charakter der Person
- Beschreibung des Patienten selbst
- Beschreibungen von Verwandten und Freunden
- Beobachtung des Verhaltens des Patienten
- Beobachtung von Kleidung/Auftreten/Sprache des Patienten
- typisches Verhalten
- Besonderheiten
- Details aus dem Fragebogen
- emotionale Probleme des Patienten mit sich selbst
- Erwartungen in Bezug auf die Behandlung
- Fragen bezüglich der Behandlung
- ob der Patient allein oder in Begleitung kommt
- Verweigerung
- mentale Züge bei der Beschreibung der körperlichen Symptome
4. Träume
- wirkliche Träume: angenehme, unangenehme, Träume ohne Emotionen, Projektionen
- Gefühle in Träumen: Assoziationen mit den Träumen, nebensächliche oder Situationsträume, tiefe, lebendige, wiederholte oder verbundene Träume, Träume während der Schwangerschaft, Delirium bei Fieber, virtuelle Träume, Ängste, Fantasien, Gefühle als ob, …, Metaphern, Interessen und Hobbies (aktiv und passiv), Ziele und Ambitionen, Hobbies, die vermieden werden, Hoffnungen, Religion und Philosophie
5. Die Reaktion des Homöopathen auf den Patienten
- mitfühlen mit dem Patienten
- komplementär zu den Gefühlen des Patienten
6. Körperliche Charakteristika
- gegenwärtige Beschwerden
- Krankheitsgeschichte
- Allgemeines
- Besonderheiten
- Pathologie
- Begleitsymptome
- Art und Charakter der körperlichen Beschwerde
- Modalitäten
- objektive charakteristische Symptome
7. Vergangenheit und Familiengeschichte von Krankheiten, besonders aus homöopathischer Sicht
8. Bericht der verschiedenen, vorangegangenen homöopathischen Behandlungen
9. Untersuchung des Patienten, generell und systemisch
B. Fallanalyse und Heilmittelwahl
- Verbindungen nachspüren und bestimmen, wo der Schwerpunkt des Falles liegt
- besondere und charakteristische Symptome
- miasmatische Auswertung aus dem Gesagten, aufgrund der inneren Haltung, der Stimmung, des Rhythmus und der Pathologie der Krankheit
- Auswertung in Bezug auf die Naturreiche:
- Worum geht es in dem Fall?
- Geht es um Struktur, Sensibilität, Wettbewerb oder um einen Prozess, der sich durch den ganzen Fall zieht?
- Worte der Ursubstanz
- Suche im Repertorium
- Suche in Nachschlagewerken
- Wissen um die Ursubstanz der Heilmittel
- Gesamtheit
- Bestätigung durch Charakteristika
- abchecken, um zu sehen, was nicht passt
- Empfindung „als ob“
- Diagnose und Wissen um die Pathologie
C. Wahl der Potenz und Wiederholung
- die Ebene der Störung bestimmen
- charakteristische Symptome
- Alter des Patienten
- Stadium der Krankheit
- wann zu wiederholen und wann zu wechseln
- Erwägung von LM Potenzen
D. Folgebesuche
1.Kriterien für die Bewertung:
- Allgemeinenergie und -zustand des Patienten
- Geistes- und Gemütszustand
- Status der Hauptbeschwerde
- Auftauchen neuer Symptome und Wiederauftauchen alter Symptome
- neue Beobachtungen über den Patienten, sein Verhalten, die Worte die er nun benutzt
- Anzeichen seines unterbewussten Zustands, speziell in Träumen
- Antidotierung
- Hautausschläge
- Allopathische Medikamente während der Behandlung
- Unterdrückung
2. Möglichkeiten:
- keine beobachtbare Veränderung
- Verbesserung
- Verschlechterung
- Patient mit einer chronischen Beschwerde kommt mit einer akuten Beschwerde
- Wiederauftauchen alter Symptome oder Auftreten neuer Symptome
- Träume
3. Auslaufenlassen des Heilmittels
Musik als Medizin
Die Idee, Musik als Heilmittel zu benutzen, ist nicht neu; es ist allgemein akzeptiert, dass Musik heilende Kraft hat, und viele von uns hatten bestimmt schon einmal eine dementsprechende Erfahrung, wenn diese vielleicht auch kurz war.
Ich habe klassische indische Musik studiert und finde es bemerkenswert, dass jede Melodie oder Raga mit einer speziellen Zeit (wann sie gespielt wird) und einer speziellen Stimmung (sie erweckt spezifische Gefühle und schafft eine spezielle Atmosphäre) verbunden ist. Ich habe mich gefragt, ob diese Ragas nützlich wären als eine Art von Heilmittel und entschloss mich, einige Ragas zu prüfen. Für die Resultate möchte ich den Leser auf mein Buch „Die Substanz der Homöopathie“ verweisen.
Es kam zu der Idee, dass die Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips der Homöopathie „Similia Similibus Curentur“ nicht nur auf unsere konventionellen Heilmittel beschränkt ist. Es könnte auch auf andere Art und Weise, wie z. B. auf Musik, angewendet werden. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir Homöopathie auf tieferer Ebene verstehen und praktizieren (nicht nur als „Symptome sammeln“), wir uns auch selbst besser kennenlernen. In schwierigen Situationen können wir genauso nach innen schauen und durch Bewusstwerdung eine homöopathische Lösung für unser Problem oder das der Welt um uns herum finden. Wir können auf ähnliche Weise vielfältige Situationen und Phänomene mit Hilfe von Homöopathie untersuchen und verstehen.
Meinem Verständnis nach beschränkt sich Homöopathie nicht darauf, in das Repertorium zu schauen und Heilmittel zu geben. Vielmehr handelt es sich um ein universelles Heilungsprinzip. Ich glaube, dass Hand in Hand mit einem vertieften Studium der soliden Basis dieser unserer Wissenschaft – Prüfungen, Repertorium, Materia Medica und Kasuistiken – auch eine tiefere Kenntnis der Natur uns bei unserer Mittelwahl nur hilfreich sein kann. Ich sehe Homöopathie als eine Art zu leben. Ich sehe diese in Kunst, in Humor, in Architektur, in Literatur, ja in jedem Ausdruck menschlichen Seins. Ich sehe Homöopathie nicht nur mit allen holistischen Therapien verbunden, sondern auch mit allen Wissenschaften und Künsten, mit Zoologie, Botanik, Musik und Tanz. Ich habe auch vor Augen, dass sich eines Tages die Grenzen zwischen Homöopathie und Spiritualität allmählich auflösen werden. Homöopathie ist nicht nur ein Weg, Symptome verschwinden zu lassen, es ist eine Art zu heilen, ein tiefes Heilen, welches von innen kommt.
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