Aus ayurvedischer Sicht können wir einiges dazu beitragen, damit das altersbedingt zunehmende Vata-Dosha nicht aus dem Ruder läuft. Gesunde Ernährung, das Vermeiden von Stress sowie viel Bewegung helfen, die Knochenbildung anzuregen.
Seit einigen Jahren kann man eine interessante Entwicklung beobachten: Das gesellschaftliche Augenmerk fokussiert sich auf spezielle «Krankheitsbilder». Die Aufklärung – in Form von Gesundheitsartikeln und Werbung – ist enorm, und sie richtet sich gezielt auf Themen wie Klimakterium, Osteoporose oder Krebsvorsorge.
Man fragt sich, warum in unserer Zeit des Wohlstandes derartige Krankheitsbilder so präsent sind. Liegt es daran, dass sich unsere Lebenserwartung erhöht hat und sich diese Krankheitsbilder aus diesem Grund heute so darstellen können? Liegt es an der Erhöhung der Stressfaktoren oder gar an den Umweltschadstoffen, denen wir täglich ausgesetzt sind? Oder muss man die Frage stellen: Wer hat ein Interesse an diesen Krankheitsbildern?
Die Osteoporose gehört zu den Krankheitsbildern, auf deren Risiken in der Gesundheitsvorsorge besonders hingewiesen wird. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Skelettsystems, bei der das Knochengewebe durch einen erhöhten Knochenabbau oder einen verminderten Knochenaufbau reduziert wird. Die Abnahme des mineralischen und organischen Knochenanteils führt zu einer Belastungsminderung und Strukturveränderung.
Im vierten Lebensjahrzehnt erreicht das menschliche Skelett die höchste Knochendichte. Danach beginnt ein allmählicher, natürlicher, altersabhängiger Knochenabbau, das heißt, die Knochendichte verringert sich. Die Abnahme des Kalksalzgehaltes ist jedoch im Regelfall keine Erkrankung, sondern eine physiologische Anpassung des Körpers an die herabgesetzten Bedürfnisse des Alters. Es kommt bei jedem Menschen zu einem altersabhängigen Knochenabbau, bei dem eine Reduktion der Knochenmasse auf 50 Prozent des Knochenbestandes eines 30-Jährigen erfolgt. Man spricht hierbei von einer Altersatrophie – sie verursacht keine Schmerzen und Symptome und muss vom krankhaften Knochenschwund, der Osteoporose, unterschieden werden.
Frauen sind häufiger betroffen
Frauen sind von der Osteoporose häufiger betroffen als Männer. Nach der Menopause kommt es durch den Hormonabfall zu einem zuzüglichen Knochenabbau, der nach 10 Jahren zum Stoppen kommt. Ein erhöhter Knochenabbau kann aber auch die Folge von hormonellen und rheumatischen Erkrankungen sein. Ebenso können Bewegungseinschränkungen durch Lähmungen oder Frakturen, Diabetes, eine gestörte Nahrungsaufnahme, Tumore oder Medikamente, erfolgen.
In der Praxis erleben Therapierende immer wieder, wie wichtig die Aufklärung über die einzelnen Krankheitsbilder für die Betroffenen ist. Viele Menschen setzen eine Diagnose mit einem Urteil gleich. Sie verharren im Schreck, der Blickwinkel verengt sich und lähmt nicht selten das klare Entscheiden und die Entwicklung von Lösungsansätzen. Hier ist eine sehr kreative, einfühlsame Arbeit mit viel Fingerspitzengefühl gefordert:
Die Perspektive öffnen, damit der Kreislauf von Starre und Angst überwunden werden kann, gemeinsam Strategien entwickeln, Mut machen und neben medizinischen Maßnahmen helfen, die Eigenverantwortung zu übernehmen. Dies ist herausfordernd, aber auch eine der schönsten Aufgaben für Ayurveda-Therapierende.
Beginn einer neuen Lebensphase
In den klassischen Schriften des Ayurveda wird betont, dass man ab dem 40. Lebensjahr mit Rasayana, Verjüngungs-und Aufbaumitteln, beginnen solle. Der Körper ist zu diesem Zeitpunkt gereift und benötigt nun stoffwechselanregende Substanzen und stimulierende Aufbaumittel, um die Zellerneuerung aufrecht zu erhalten.
Eine neue Lebensphase beginnt – sowohl für Frauen als auch für Männer. Bei Frauen äußern sich die Verschiebungen offensichtlich durch die Wechseljahre und den Eintritt in die Menopause, überschüssiges Kalzium wird abgebaut. Bei Männern wird es gerne Midlifecrisis oder die männlichen Wechseljahre genannt. Dabei verläuft der Alterungsprozess entsprechend der individuellen Konstitution und der Lebensweise.
Zu berücksichtigen sind Umweltbelastungen, falsche Ernährung und natürlich auch genetische Faktoren. Nicht zu vergessen ist der Stress, der eine einseitige Belastung des Hormon- und Nervensystems darstellt. Die Summe dieser Faktoren behindert die Aufnahme von Lebensenergie aus der Nahrung und vermindert so deutlich die Zellerneuerung und Geweberegeneration.
In dieser Lebensphase zieht sich die Pittaenergie allmählich zurück. Das Hauptelement von Pitta ist das Feuer– mit dessen Hilfe haben wir uns eine Existenz aufgebaut und eine Familie gegründet. Das Vata-Dosha mit seiner Wind-Äther-Dominanz steigt auf natürliche Weise an. Die Fortpflanzungsgewebe ziehen sich zurück, das Unterhautfettgewebe nimmt ab, der Zellaufbau benötigt nun unsere Unterstützung und regeneriert sich nicht mehr von selbst. Die Zellstruktur der Gewebe verändert sich.
Die körperliche Ebene reagiert mit einer erhöhten Sensibilität, Trockenheit und Schwäche. Auch auf geistiger Ebene vollzieht sich eine Veränderung: Es entsteht Raum für die sogenannte Weisheit des Alters, die Sicht auf die Dinge kann die Einstellung zum Leben verändern.
Gegensätzliches Prinzip
Der Ayurveda legt in diesem Lebensabschnitt besonderen Wert auf die Unterstützung des Körpers auf geistiger und physischer Ebene, um unsere geistige Kraft und physische Gesundheit zu fördern. Um das Gleichgewicht der Kräfte im Körper zu balancieren und wieder her zu stellen, arbeitet Ayurveda mit dem gegensätzlichen Prinzip: wo Geschwindigkeit vorherrscht, wird Ruhe entgegengesetzt, wo Schwere und Trägheit vorherrschen, wirkt Dynamik energetisierend und belebend, Kälte wird mit Wärme ausgeglichen, Trockenheit mit Feuchte.
«Es entsteht Raum für die sogenannte Weisheit des Alters.»
Die drei wichtigsten Faktoren im Ayurveda sind die Doshas Vata, Pitta und Kapha. Diese Funktionsprinzipien kommunizieren zwischen Körper und Geist und steuern alle physiologischen Prozesse im Körper. Sie formen die individuelle Persönlichkeit, unsere Konstitution. Bei einer Ayurveda-Behandlung wird darauf geachtet, die Doshas gemäß der individuellen Konstitution ins Gleichgewicht zu bringen.
Die Bioenergie Vata, gebildet aus den Elementen Äther und Luft, verkörpert das kinetische Prinzip der Bewegung. Dem Vata-Dosha werden Eigenschaften wie trocken, leicht, kalt, beweglich, klar und rau zugeordnet, und die meisten Vata-bedingten Symptome beziehen sich auf das Nervensystem, die Psyche und den Bewegungsapparat. Aus ayurvedischer Sicht ist die Osteoporose denn auch eine Erkrankung des Bewegungsapparates und wird von einem stark erhöhten Vata-Anteil verursacht.
Tipps zur Tagesroutine
Überprüfen Sie Ihre Lebensweise, um herauszufinden, wo Sie sich täglich kleine Glücksinseln schaffen können. Beginnen Sie am Morgen mit einer Tagesvorschau, bauen Sie sich bewusst Ruhepunkte in den Tag ein, die Sie stärken, nähren und aufbauen, um Ihre Vata-Energie zu beruhigen und Pitta zu besänftigen.
Sonne und frische Luft sowie ein regelmäßiges Bewegungsprogramm, bei dem Sie ins Schwitzen kommen, aktivieren den körpereigenen Kalziumhaushalt.
Mineralstoffreiche Nahrungsmittel wie Milch, Fisch, grüne Blattgemüse, Mandeln, Sonnenblumenkerne, Mungbohnen und Rohkostsäfte enthalten viel Kalzium und unterstützen den Knochenaufbau. Vorbeugend sollten Nahrungsmittel wie Alkohol und Kaffee gemieden werden, auch der Genuss von Zucker, Fleisch und zu viel Weißmehlprodukten sollte maßvoll sein, um einer Übersäuerung vorzubeugen.
Ölmassagen versorgen die Haut mit Vitamin E und helfen dem Körper, das Sonnenlicht in Vitamin D und Kalzium umzuwandeln. Sie nähren die Körpergewebe, entspannen und regen den Stoffwechsel an. Eine Mischung aus Sonnenblumenöl, Nachtkerzenöl und Weizenkeimöl ist besonders zu empfehlen für die tägliche Eigenmassage vor Ihrem Bewegungsprogramm an der frischen Luft oder dem Sonnenbad. Eine warme Dusche danach und Entspannung vollenden das Wohlgefühl.
Die Knochenbildung anregen
Der Ayurveda verfügt über eine breite Palette von Empfehlungen und Anwendungen, um den Alterungsprozess prophylaktisch zu unterstützen und einer Osteoporose vorzubeugen. So können wir aktiv an der Gesunderhaltung und Stabilisation teilhaben. Als naheliegende Prophylaxe können wir darauf achten, dass das Vata-Dosha nicht übermäßig ansteigt. Nebst einer gesunden Ernährung und Stressvermeidung wird auch viel Bewegung empfohlen, ebenso angemessene Kraftübungen, um die Knochenbildung anzuregen. Dazu eignet sich Yoga besonders gut.
«Aus ayurvedischer Sicht ist die Osteoporose eine Erkrankung des Bewegungsapparates.»
Bei den therapeutischen Maßnahmen stehen die Reduktion des Vata-Dosha und die Stabilisation des Knochengewebes im Vordergrund. Dafür versuchen wir herauszufiltern, wo beispielsweise Ruhepole in unsere Lebensführung eingebaut werden können. Oftmals können durch minimale Veränderungen in der Ernährung Reserven aufgebaut oder dazu genutzt werden, beruhigend auf die Bioenergie Vata zu wirken. Gesundheits- und Ernährungsberatung unterstützen die therapeutischen Maßnahmen.
Bei der Ernährung ist besonders darauf zu achten, dass die Speisen frisch zubereitet werden. Bei einem Vata Überschuss sollte man auf Rohkost oder auf schwer verdauliche Produkte verzichten. Da das Vata-Dosha als äußerst wechselhaft gilt, ist es wichtig, regelmäßig zu essen. Um der Eigenschaft der Kälte entgegenzuwirken, soll Nahrung warm sein, und um den Abbau zu verzögern, darf sie gut nährend sein. Zudem soll sie unsere Sinne befriedigen– durch Ästhetik, Geschmack und Geruch.
Besonders in den Jahreszeiten, die Vata erhöhen – im frühen Winter und Spätherbst –, ist es wichtig, den Körper durch wärmende Nahrung, angemessene Kleidung, warme Bäder und Eigenmassagen zu unterstützen. Die ayurvedischen Massagen mit ihren speziellen Ölen wirken auf der physischen und psychischen Ebene. Gerade in der Behandlung der Osteoporose haben sie eine starke therapeutische Wirkung über die Haut, das größte Organ des Menschen. Sie unterstützen die Regeneration der Gewebe, nähren die Seele und aktivieren die Selbstheilungskräfte.
Wichtig ist, dass man die Osteoporose nicht als reines Krankheitsbild betrachtet. Ebenfalls wichtig ist, sie von der Altersatrophie zu unterscheiden und allfällige Symptome, die für eine Osteoporose sprechen, auch auf andere Ursachen abzuklären. Vor allem aber: Nähren Sie Ihre Lebensfreude, denn Ihr Glück und Ihre Zufriedenheit sind die wichtigsten Komponenten Ihrer Gesundheit.
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