Morgensteifigkeit und Schmerzen in den Gelenken – viele kennen diese Symptome. Sie erfahren aber auch, dass sich diese durch Bewegung verlieren können. Dies kann auf eine Arthrose hinweisen, eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates, die weltweit unabhängig der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu beobachten ist.
In der Schulmedizin gilt Arthrose als die häufigste chronische Gelenkerkrankung. Gemeint sind damit Abnutzungserscheinungen an den Gelenken, die häufig bei gestörten Belastungsverhältnissen auftreten. Zwischen dem 20. und dem 25. Lebensjahr werden diese Gelenkbeschwerden bis zu ca. 17% diagnostiziert und ab dem 65. Lebensjahr können sie auf 90% ansteigen. Die Betonung liegt auf können.
Die Behandlungen des Bewegungsapparates zählen zu den Spezialgebieten des Ayurvedischen Heilsystems. Mit Hilfe der Diätetik, der Phytotherapie, der Ausleitungsverfahren und der speziellen Manual-Therapien, können gute Behandlungserfolge erzielt werden.
Wer rastet, der rostet. Für die Arthrose gilt, nicht zu rasten, sondern in der Bewegung zu bleiben. Wichtig hierbei ist es, zu unterscheiden zwischen der Arthrose, Sandhivata, einer nichtentzündlichen Erkrankung des Gelenkes, bei der durch Abnutzung oder Verletzung die Struktur des Gelenkes geschädigt ist und der Arthritis, Amavata, einer entzündlichen Erkrankung des Gelenkes, die durch eine Autoimmunerkrankung, eine Störung der körpereigenen Abwehr oder durch Infektionen, ausgelöst werden kann. Als Beispiel ist hier besonders die rheumatoide Arthritis zu nennen. Schmerz ist das zentrale, den Krankheitsverlauf begleitende Symptom dieser Gelenkerkrankungen.
Verdrängungskampf
Aus ayurvedischer Sicht ist die Anwesenheit von Stoffwechselablagerung, Ama, ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen diesen beiden Krankheitsbildern. Ama bedeutet soviel wie unreif, ungekocht. Wenn die Verdauungskraft Agni geschwächt ist, kann die Nahrung nur ungenügend verdaut und verstoffwechselt werden. Es kommt zu Ablagerungen, Schlacken. Diese sind in ihren Eigenschaften der Bioenergie Kapha (kalt, feucht, schwer, dick, klebrig, trüb, schleimig) sehr ähnlich. Kapha dient dem Aufbau und dem Schutz des Körpers. Der Körper kann aber nicht zwischen Kapha und Ama unterscheiden. So wird Ama zu den Standorten von Kapha, den Gelenken, geführt und dann dort abgelagert. Kapha wird so von Ama verdrängt. Das wiederum führt zu Schwellungen und Verklebungen.
Grundsätzlich gilt deshalb zu Beginn jeder Arthrose-Behandlung, die Beteiligung von Ama abzuklären und dieses auszuleiten. Verdauungsfördernde Maßnahmen, Ernährungsberatung und Überprüfung der Lebensgewohnheiten, unterstützen die Ausleitung. Eine Ausleitungskur unter medizinischer Kontrolle ist besonders empfehlenswert.
«Im Alter dominiert die Luft-Raumenergie Vata.»
Der weitere Fokus des Behandlungsablaufes ist auf die Reduktion der Bioenergie Vata gerichtet, da beide Krankheitsbilder, Arthrose und Arthritis, auf ein erhöhtes Vata zurückzuführen sind. Vata steht für das Prinzip der Bewegung – in seinen Eigenschaften ist es rau, trocken, leicht, beweglich und kalt. Dies entspricht der Symptomatik der Arthrose und der Arthritis. Die Bewegung ist eingeschränkt, es kommt zu Fehlstellungen der Gelenke, die Gelenke fühlen sich trocken, meist kalt und rau an.
Aus ayurvedischer Sicht bedeutet die Arthrose Sandhivata Vata an den Gelenken. Das kann auch eine normale Alterungserscheinung sein, denn die Luft-Raumenergie Vata dominiert im Alter. Die Lebensphasen werden im Ayurveda den entsprechenden Bioenergien, Doshas, zugeordnet: Während der Jugend – der Aufbau- und Wachstumsphase – dominiert die Wasser-Erd-Energie Kapha. Die Feuerenergie Pitta, die von der Pubertät an immer wirksamer wird, gibt die Kraft für die Durchsetzung von Ideen und Zielen. Familiengründung und beruflicher Erfolg prägen diesen Lebensabschnitt.
Sensibleres Nervensystem
Ab dem 60. Lebensjahr übernimmt die Bioenergie Vata die Führung und beeinflusst entsprechend der jeweiligen Konstitution die physische und die geistige Balance. Die gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen schaffen zwar Raum für Lebensweisheit, aber auch das Nervensystem wird sensibler. Oft beobachtet man, dass sich die Gedächtnisleistung verringert oder dass der Schlaf leicht und unregelmäßig wird. Auf der körperlichen Ebene entdeckt man, dass das Unterhautfettgewebe dünner wird, die Haut trockener und die Knochendichte sich verringert. Knorpel, Knochen, Bänder, Sehnen und Muskeln verlieren durch die Trockenheit an Elastizität. Auch die Synovia (Gelenkschmiere) zieht sich zurück.
Ein erhöhtes Vata, also vorwiegend Trockenheit, Kälte, Stress, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, fehlende Ruhe und ein gestörter Tagesrhythmus, wirkt auf die Gelenke. Diese brauchen besonders viel Nährstoffe für ihren Aufbau und Erhalt, ansonsten trocknet die Gelenkschmiere schneller aus und die Gelenkspalthöhe nimmt ab. Der fehlende Puffer zwischen den einzelnen Gelenkverbindungen führt zu Schmerzen im Bewegungsablauf– als Reaktion vermeidet man gerade das, was umso nötiger wäre: die Bewegung. Diese sorgt dafür, dass das Gewebe gut durchblutet wird und die Gelenke mit Nährstoffen versorgt werden. Von degenerativen Gelenkerkrankungen spricht man aber erst, wenn sie die normalen Alterungsprozesse überschreiten.
All diese Erkrankungen – Rheuma, Arthritis und Arthrose– sind heute auch aus westlich orientierter Sicht noch nicht heilbar. Eine rechtzeitige fachgerechte, medizinische und ayurvedische Behandlung kann die Beweglichkeit der Gelenke jedoch deutlich verbessern und die Schmerzen vermindern. Für die Betroffenen bedeutet das eine enorme Steigerung der Lebensqualität und Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Der allgemeine ayurvedische Therapieansatz orientiert sich an der Balancierung der Bioenergie Vata, sei dies durch eine ausgewogene, regelmäßige Ernährung, einen regelmäßigen Tagesablauf oder genügend Ruhepunkte, um die Reserven wieder zu füllen.
Symptome
Arthrose / Sandhivata
- betroffen sind große, einzelne Gelenke
- lokale, nicht wandernde Schmerzen, Schwellungen, Steifheit
- die Schmerzen sind bewegungsabhängig, penetrierend und klar
- knirschende Geräusche bei Bewegung
- abends Steifheit, Verschlechterung nach Bewegung
- Ölung und Dampf vermitteln Erleichterung
- Muskelabnahme
- Sensibilitätsstörungen
- Fehlstellungen
- langsamer Ausbreitungsprozess
Allgemeines Erscheinungsbild
- Frieren und Kälteempfinden
- Trockenheit, trockene Haut, Stuhl / Verstopfung
- Ruhelosigkeit, unstet, sensibel
- leichter Körperbau, schmale Gelenke
- Rauheit, raue Haut, brüchige, raue Haare, brüchige, raue Nägel
Symptome
Arthritis / Amavata
- lang andauernde Steifheit
- andauernde Schmerzen
- lokale Blässe oder Rötung und Empfindlichkeit
- lokale erhöhte Temperatur– Versteifung der Gelenke / Fehlstellungen
- betroffen ist mehr als ein Gelenk
- sich von einem Gelenk zum nächsten ausbreitend
- Ama im ganzen Körper
Allgemeines Erscheinungsbild
- Gliederschmerzen
- vermehrtes Wasserlassen
- vermehrter Speichelfluss– Appetitverlust, Verstopfung, Blähungen, Erbrechen, Geschmacksverlust
- extreme Müdigkeit
- Schwindel
- Herzschmerzen
Therapie
- Ama entfernen
- sobald Ama reduziert ist, kann dieselbe Behandlung wie bei Sandhivata
- durchgeführt werden
Lernen zu entschleunigen
Die Lebensführung sollte auf Entschleunigung überprüft werden. Konkret heißt das, Stress und Anspannung abbauen, Lärm, Computerarbeit, häufiges Reisen und Elektrosmog vermeiden. Vata benötigt Erdung und Ruhe. Meditation und Yoga sind als unterstützende Maßnahme sehr zu empfehlen. Yoga unterstützt den Energiefluss, löst Blockaden in den Energiekanälen, den Nadis, stärkt Agni, erhöht die Elastizität der Sehnen, Muskeln und Bänder und unterstützt den Abtransport von Schlacken. Neben Yoga und Meditation hilft es, positive Gewohnheiten und Rituale einzuplanen. Das aktiviert die Selbstheilungskräfte, schult die Selbstwahrnehmung und stärkt das Selbstwertgefühl. Eigenmassagen der betroffenen Gelenke mit speziellen Kräuterölen und Kräuterauflagen unterstützen den Schmerzabbau. Aber auch wärmende Kleidung schützt vor Kälte und lindert das Schmerzempfinden.
Die Nahrung sollte vorwiegend warm, feucht, frisch und leicht verdaulich sein. Zubereiten mit genügend Salz, Ghee (eingekochte Butter), jedoch ohne Geschmacksverstärker. Rohkost möglichst reduzieren und höchstens am Mittag nach der warmen Speise zu sich nehmen. Empfehlenswert ist, regelmäßig heißes Wasser, Ingwer- und Kräutertee zu trinken.
Bei den Manualtherapien baut man auf nährende Behandlungen, um Vata zu reduzieren und das Nervensystem zu besänftigen. Die Abhyanga, die Ganzkörperölung( Snehana), nährt die Sehnen, Muskeln und Bänder, stärkt das Verdauungsfeuer Agni, regt den Stoffwechsel an und unterstützt den Reinigungsprozess von Schlacken. Die Behandlung mit warmem Dampf lokal oder einer Feuchtsauna (Svedana), unterstützt Agni und den Stoffwechsel, löst Blockaden und lenkt angestautes Vata wieder in die richtige Richtung. Zudem wird der Abtransport von Schlacken unterstützt. Mit Hydro- und Phytotherapie, also feuchten, warmen Umschlägen mit speziellen Kräutern, wird Vata befeuchtet, genährt und besänftigt. Spezielle Gelenkbehandlungen mit Kräuterbeuteln, Ölen oder Pasten regen die Durchblutung an, lösen Schlacken und aktivieren den Heilungsprozess bei einer Arthritis.
«Gut zu sich schauen und sich umsorgen» lautet das Motto.
Hat man die nötige Zeit zur Verfügung, empfiehlt sich ein Kurbetrieb. Im Rahmen einer Pancakarma-Reinigungskur kann mit wirkungsvollen therapeutischen Maßnahmen und ayurvedischen Kräutern Vata aus dem Körper ausgeleitet werden. Die Aufbauphase, die der Reinigung folgt, wirkt nährend und regenerierend.
«Gut zu sich schauen und sich umsorgen» lautet das Motto. Für viele ist das vielleicht ganz ungewohnt und man muss das zuerst lernen – es lohnt sich!
…..wird fortgesetzt
Kommentare sind geschlossen.