Mond
Der Mond steht für das Reflektieren und Denken. Er empfängt das Licht der Sonne und wirft es auf seine eigene Weise auf die Erde. Einen halben Monat nimmt sein Lichtschein zu, dann nimmt er wieder ab. Es ist wie bei unserem Denken. Das eine Mal leuchtet uns etwas ein, das nächste Mal haben wir Verständnisschwierigkeiten. Mit dem Mond ist die Unwissenheit verbunden. Er dreht er sich gerade so um seine eigene Achse, dass wir von der Erde aus nur eine Seite von ihm sehen, und zwar stets dieselbe. Seine Rückseite bekommen wir so nicht zu Gesicht. Dem reflektierenden Denken bleibt immer etwas verborgen. Es erkennt die Dinge nicht wie sie sind, sondern nur wie sie ihm erscheinen.
Dort, wo unser Mond im Horoskop steht, dreht sich alles um uns selbst, um unsere Wünsche und Bedürfnisse. Unsere Gedanken kreisen um unsere eigenen Belange, wie der Mond um unseren Heimatplaneten. Was unseren Wünschen und Bedürfnissen entspricht, empfinden wird als angenehm. Was ihnen entgegensteht, erscheint uns unangenehm. Weil wir Angenehmes wieder erleben wollen, neigt der Mond instinktiv zur Wiederholung. Dadurch entsteht Einseitigkeit. Es ist eben immer dieselbe Seite, die uns der Mond zeigt.
Mit dem Mond ist auch die Täuschung verbunden. Sie wird gerne Neptun zugeordnet. Doch Neptun täuscht nicht, er enttäuscht. Und zwar das, was sich dem Mond und unserem Denken nicht erhellt hat. Eines Tages offenbart es Neptun. Er ist der Gott der Meere. Wenn er die Wasser zurückzieht, taucht der bislang verborgene Grund auf. Täuschungen beruhen auf zu viel Wasser – auf einem Übermaß emotionaler Wunschvorstellungen und Erwartungen. Wir sehen dann nicht, wie es dem Grunde nach ist, sondern wie wir es gerne hätten. Kommt es anders, werden wir enttäuscht.
Ginge es ausschließlich nach dem Mond, würde sich in unserem Leben alles wiederholen. Es gibt aber eine Kraft, die den Mond aus seinen gewohnten Kreisläufen herausbewegen will. Die Mythen erzählen von Pan, dem Gott der Natur. Er symbolisiert unsere wahre Natur. Gleich nach seiner Geburt hatte ihn die Mutter verlassen, ihn, das ziegenfüßige, dunkelbehaarte, bärtige Kind. Sein Vater Hermes/Merkur brachte ihn daraufhin zu den Göttern im Himmel. Alle freuten sich. Pan – eben das bedeutet sein Name – ist für “alle” da und nicht nur für sich selbst. Sein Platz ist aber nicht im Himmel oder in einem Wolkenkuckucksheim, sondern hier auf der Erde. Unsere wahre Natur will sich verwirklichen!
Bekannt ist der Naturgott für sein panisches Geschrei. Immer dann, wenn etwas gegen unsere wahre Natur verstößt, ruft Pan in uns oder im Außen einen unüberwindlichen Widerstand hervor. Niemand kann sich dagegen wehren. Unsere mondhaften Gefühle misstrauen dieser unberechenbaren Kraft. Niemals würden wir uns freiwillig von ihr bewegen lassen. Aus diesem Grund zog sich der Merkursprössling Pan weiße Schafspelze über, um den Mond zu verführen. Der Mond in Form der schönen Selene durchschaute diese List nicht und setzte sich auf Pans Rücken. Gemeinsam ritten sie so dem Morgenstern Phosphoros entgegen. Der Morgenstern ist nichts anderes als die Venus, das Symbol der Liebe. Unsere wahre Natur führt uns zur Liebe.
So romantisch dieser Ritt anmutet, er kann mitunter anstrengend und voller Wagnisse sein. Nach und nach gewinnt der Mond an merkurischer Sicht. Er lernt die Dinge nicht nur von seiner eigenen Seite aus zu betrachten, sondern von allen Seiten. Dabei offenbaren sich bislang ungelebte Seiten, die aber gelebt werden wollen. Sie machen unsere wahre Natur aus. Der Ritt des Monds Richtung Venus symbolisiert den Wandel vom Mögen zum Lieben. Es gilt dann, die Trägheit unserer Gewohnheiten abzulegen, unsere Ängste und auch unsere Scham, das zu leben, was wir wirklich sind und lieben. Wir lernen dabei auch uns selbst und das Dunkle an uns bedingungslos zu lieben.
Die mondhaften Wunschkräfte hoffen, dass es viel einfacher würde, wenn wir nur noch das tun, was wir lieben. Doch das ist mitnichten so. Die Notwendigkeiten und Pflichten des Lebens lösen sich nicht in Luft auf. Auf dem Weg der Liebe ist zusätzliche Energie nötig. Die Liebe fordert alles, aber sie gibt auch alles. Im Gegensatz zu unserer instinkthaften Mondnatur braucht sich unsere wahre Natur keine Sorgen zu machen. Merkur, der Vater von Pan, findet für alles einen Ausweg. Dafür ist mitunter voller Einsatz nötig. Bist du bereit, deine Bequemlichkeit aufzugeben und ganz deiner Neugier nachzugehen, um das zu leben, was du liebst?
… wird fortgesetzt
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