Merkur
Merkur ist der Herr der Wege. Er hat Zugang zu allen Reichen – dem Himmel, der Erde und der Unterwelt. Vom Göttervater Jupiter selbst überbringt er die unfehlbaren Botschaften. Insofern kennt er den Unterschied zwischen wahr und unwahr. Er weiß, was wesentlich ist und worauf es ankommt. Wer auf seine Botschaften hört, findet stets einen Ausweg.
Mit der Wahrheit nimmt es Merkur nicht immer so genau. Er, der Gott der Händler und Diebe, nutzt bisweilen die Unwissenheit anderer zu seinem eigenen Vorteil. Doch keiner scheint ihm dafür böse zu sein. Er versprüht eine wunderbare Leichtigkeit. Mit neuen Gelegenheiten versucht er unsere Gewohnheiten aufzulockern und frischen Wind in unser Leben zu bringen. Dies war Plan, der Gott der Hirten. Mit Ziegenfüßen, dunkel bekaartem Körper und zwei Hörnern auf dem Kopf hat er alles Weibliche erschreckt einschließlich seine Mutter. Seinen Platz hatte er auf der Erde – er, der Gott der Natur, der unsere Natur repräsentiert. Merkur bringt unsere wahre Natur hervor, das Ungestüme, Ungebändigte und Ursprüngliche.
Die Hauptaufgabe Pans war es, den Mond in Form von Selene zum Morgenstern zu führen, zur Venus. Pan geht den Weg der Liebe. Er leitet den Wandel von Mögen zum Lieben ein, von der Bequemlichkeit zur Leidenschaft, von der Sicherheit zum Risiko. Im Mythos verkörpert Phosphoros den Morgenstern. Phosphoros hat die aufgehende Sonne zur Mutter. Sie entspricht dem Aszendenten, dem Weg der Seele. Pan, unsere wahre Natur, geht den Weg der Seele. Er will uns zur gebenden Sonnenkraft führen. Ganz in der Manier seines Vaters Merkur verwendet er dazu eine List. Er kleidet sich in weiße Schafspelze und bringt Selene, den Mond, dazu, sich von ihm führen zu lassen. Sie hätte sich ihm wohl sonst nicht anvertraut. Unsere Wunschnatur vermag die Kniffe unserer wahren Natur nicht zu durchschauen. Wir lassen uns locken und zum Wandel einladen. Dagegen wehren können wir uns nicht. Dafür ist diese Kraft viel zu geschickt. Merkurs Gelegenheiten dienen unserer wahren Natur, die alles aus Liebe tun will, freiwillig und aus ganzem Herzen. Was dabei in uns geschieht, ist eine Art Erlösung. Im Mythos wird dies als Befreiung aus der Gefangenschaft im Fass beschrieben.
Mondumlauf für Mondumlauf musste Ares/Mars angekettet an die feste Form Wünsche und Bedürfnisse erfüllen, in unseren Fall eben unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag, leiden wir auf Dauer darunter. Mars verlor beinahe all seine Kräfte. Er schrie und weinte. Da löste Merkur seine Ketten und Mars konnte endlich zu seiner Venus laufen. Merkur zeigt uns den Unterschied zwischen dem, was wir mögen und dem, was wir lieben.
Bis wir bedingungslos dem Weg der Liebe folgen, erleben wir in uns eine gewisse Zerrissenheit. Nur allzu gerne würden wir immer tun, was wir lieben. Aber sind wir bereit zu voller Offenheit und echtem Risiko? Das eine Mal lassen wir uns ein, das andere Mal bleiben wir lieber in den Ketten des Mondes, folgen der Gewohnheit und tun, was wir schon zur Genüge kennen und können.
Neugier im ursprünglichen Sinn ist eine Kraft des Merkur. Er lockt durch Abwechslung ein Geschäft, eine List oder was auch immer. Dahinter verbirgt sich ein Funke dessen, was wir noch nicht sind, aber unserer wahren Natur nach werden wollen. Springt dieser Funke zu uns über, wissen wir intuitiv, was zu tun ist und auch dass es das Richtige und für uns Wahre ist. Genau so zeigt sich Merkurs Kraft der Unterscheidung. Er kennt alle Seite, Blickwinkel und Wege. Wenn wir wollen und offen dafür sind, führt er uns auf den Weg, der unsere Natur vollkommen fördert.
Die körperliche Liebe ist ein herrlicher Lockstoff für uns. Wir suchen dabei im anderen stets das, was uns fehlt. Doch wenn Pan und damit auch Merkur die Venus erreichen, entsteht der Hermaphrodit – der Zwitter, der Weibliches und Männliches in sich vereint. Der Zauber des Hermaphroditen besteht darin, in anderen die Kräfte hervorzurufen, die ihnen zum Ausgleich fehlen. Ihm gehört der verwandelnde Teich, der jedem Menschen den fehlenden Teil in sich schenkt. Man braucht dort nur einzutauchen und wird vollständig. Die wenigsten von uns werden diesen zölibatären Zug eines Priesters in sich empfinden. So hatte auch Hermes/Merkur viele Liebschaften und Kinder. Er ging selbst zahlreichen Lockungen und Gelegenheiten des Lebens nach. Wieso sollten wir diese nicht auch tun? Bist du bereit, dich von deiner Intuition leiten zu lassen und voller Neugier zu erleben, wohin sie dich führt?
… wird fortgesetzt
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