Die Gabe und die Prüfung des Krebses
Wissen, was zu einem gehört
Der Krebs hat eine ganz eigene innere Welt. Sie ist bunt und schillernd und voll von Musen. Er nimmt sich Zeit für seine Talente, lernt Instrumente oder malt Bilder, kocht köstliche Gerichte oder schmökert stundenlang in seinen Büchern. In diesen Momenten braucht er die anderen nicht. Er ist ganz für sich, in seiner inneren Welt, innig bei seinen Träumen, inneren Bildern, Wünschen und Musen.
Der Krebs steht auch für Mutter und Kind. In zehn Mondmonaten reift ein Kind im Bauch der Mutter heran. Es entwickelt alles, um leben und überleben zu können. Irgendwann trägt jeder Krebs ein „Kind“ in sich -also etwas, dem er seine ganze Aufmerksamkeit und den Großteil seiner fürsorglichen Energie widmet. Mit seinem Panzer schützt er es vor äußeren Einflüssen und entwickelt es in sich, um es eines Tages auf die Welt zu bringen. Mutter und Kind sind in dieser Zeit eins. Insofern nimmt der Krebs auch die Rolle des Kindes ein in einer Welt, die ihn wie eine Mutter umsorgen und seine Bedürfnisse erfüllen soll.
Mutter Erde versorgt jedes ihrer Kinder gerne, auch den Krebs. Der Vater in Form des Göttlichen Geistes schenkt dem Krebs dazu noch ein besonderes Talent. Doch die Mutter Erde will dafür etwas haben. Der Krebs soll sein Talent entdecken, es entwickeln, und es dann seiner großen Familie, der Menschheit zur Verfügung stellen. Das ist es, was Vater und Mutter von ihm erwarten. Die Erfüllung dieser Aufgabe bietet diesem Typus den größtmöglichen Gewinn: Er erkennt sich dabei selbst und kann ganz er selbst werden, anders, als alle anderen. Dies stillt sein eigentliches Urbedürfnis und macht ihn wunschlos glücklich.
Zuerst muss der Krebs jedoch sein spezielles Talent finden, das ihn zu etwas ganz Besonderem macht. Er kann danach suchen, alles Mögliche ausprobieren und viel Zeit damit verschwenden. Er kann aber auch eine weitere, zusätzliche Gabe empfangen, die ihm der Göttliche Geist hierfür anbietet: zu wissen, was zu einem gehört. Es ist das tiefe Wissen im Krebs, das ihm sagt, was zu ihm gehört. Es offenbart sich in Form innerer Resonanz. Das, was zu ihm gehört, rührt ihn tief im Inneren an und nimmt alle anderen Optionen mit einem Mal aus seinem Blickfeld. Es ist das Eine, das ganz zu ihm gehört: seine Gabe. Auf diese Weise spricht sein Inneres zu ihm –kraft der inneren Stimme.
Nun heißt es, seine Gabe zu entwickeln und unermüdlich dem Talent zu folgen. Das erfordert Üben, Ausprobieren und Nachspüren, ob es auch wirklich dem eigenen Wesen entspricht. Dabei kann der Krebs seiner inneren Stimme vertrauen. Sie führt ihn in unbekanntes Land. Wie sonst sollte er sich selbst je ganz erkennen?
Eines Tages hat er sein Talent entwickelt. Sein „Kind“ ist reif, um es zur Welt zu bringen. Dieser Geburtsprozess kann schmerzlich sein beispielsweise, wenn andere an ihm Kritik üben. Das trifft den Krebs empfindlich. Zieht er sich jedoch zurück, dann verweigert er nötige Entwicklungsschritte und „krebst“ herum. Zu sich zu finden in seine innere Heimat, bedeutet sich selbst zu wandeln. Jeder Wandel beginnt im Inneren und kostet große Überwindung. Wenn dieser Typus auf seinem Weg zu sich selbst nicht aufgibt, und die Fähigkeit dazu hat er, dann wird er die Welt der anderen erreichen und dort seinen Platz finden -seine Heimat. Sie war schon immer da und hat auf ihn gewartet. Keiner wird sie ihm je streitig machen.
Die Gabe des Göttlichen Geistes „das Wissen, was zu einem gehört“ hilft auch bei der Suche nach der Heimat in der äußeren Welt. Er kann dort spüren, was zu ihm gehört. Es gibt ein untrügliches äußeres Zeichen für das Finden der äußeren Heimat: dort nehmen einen die anderen wirklich an. Dann kann der Krebs seinen Beitrag für die Menschheit leisten.
Die Prüfung der Reife
Dem Krebs ist die Familie zugeordnet, vor allem das innige Verhältnis zwischen Mutter und Kind. Die Mutter ist der empfängliche Teil der Natur. Von Geburt an trägt sie unzählige potentielle Kinder in Form von Eiern in sich. Wird eines davon befruchtet, entwickelt sich im Inneren der Mutter ein Baby, das später oft unter großen Schmerzen geboren wird. Anschließend zieht sie ihr Kind mit Fürsorge groß, bis es ganz in der Welt “verankert” ist und sich selbst versorgen kann.
In einem Punkt gleicht ein jeder Krebs-Geborene einer biologischen Mutter. Auch in ihm stecken von Geburt an alle Gaben und Talente, die nur befruchtet zu werden brauchen. Er kann zahlreiche “Früchte” hervorbringen: Kunstwerke, Bilder, Gedichte, musische Kompositionen, Firmen, Software oder was auch immer. Was er ganz als “das Seine” betrachtet, ist “sein Baby”, seine “Frucht”, die er der Welt darreicht. Doch nur reife beziehungsweise genießbare Früchte werden von anderen wirklich angenommen. Ansonsten werden sie von der Welt zurecht verschmäht und verfehlen damit ihren eigentlichen Sinn, nämlich eine angenommene Gabe zu sein. Die “Früchte” eines Krebs-Geborenen bedürfen daher der nötigen Reife. Mutter Natur erlegt dem Krebs diese Prüfung zwar auf, stellt ihm aber alles dafür Notwendige bereit. Insbesondere schenkt sie ihm die Fähigkeit, etwas zur Reife bringen zu können.
Für alle Naturgeschöpfe gelten dieselben Entwicklungsgesetze, ob diese nun biologische Kinder sind, Gedichte oder Software. “Frühgeburten” aller Art haben aufgrund mangelnder Reife geringere Chancen. Ideen, mit denen man zu lange “schwanger geht”, laufen Gefahr, nie geboren zu werden. “Überbehütete” Produkte, die nicht schrittweise in die Welt entlassen werden, sind den üblichen Anforderungen oft nicht gewachsen. Und solche, um die man sich zu wenig kümmert, entwickeln sich nur unzureichend. Kontinuierliche und ausreichende Fürsorge ist für eine optimale Entwicklung der eigenen “Frucht” ebenso unerlässlich wie das rechtzeitige Heranführen an natürliche Anforderungen. Andernfalls kann die Prüfung nicht bestanden werden.
Reifung findet stets von innen nach außen statt. Das entspricht dem Wesen der Natur. Entwicklung selbst beginnt im Inneren. Was ein Krebs-Geborener zu “seinem Baby” macht, muss ihn im Innersten berühren, seinen Urgrund treffen, sich tief in ihm verankern und in ihm frei von jeglichem Zweifel das Gefühl auslösen “ja, das ist meins”. Sonst wird er die mühevolle Entfaltung seiner Gabe nicht durchhalten. Sobald er jedoch das Gefühl tiefer Resonanz in seinem Herzen verspürt, kann der Prozess beginnen. Die Gelegenheit dazu wird der Krebs-Geborene bekommen.
Jede Entwicklung bedarf naturgemäß zunächst eines geschützten Raums, in dem sie stattfinden kann. Deshalb haben Eier eine Schale, Mütter eine Fruchtblase und Krebse einen festen Panzer. Kein anderes Zeichen hat solch starke Abgrenzungskräfte wie der Krebs. Das Innere bleibt dadurch vor störenden Außeneinflüssen geschützt. Im Inneren fängt die Auseinandersetzung mit dem Stoff an, den man als den seinen erkannt hat: durch Üben, Studieren, fortwährendes Versuchen, Scheitern und Verbessern, bis eine gewisse Meisterschaft erreicht ist. Oft zeichnet sich dieser Prozess durch Rückzug aus. Was immer auch ein Krebs-Geborener tut, er sollte es mit Muße tun.
Irgendwann wird der Krebs-Geborene die Geburt seiner Gabe in die reale Welt einleiten, um andere damit zu erreichen. Verweigert er die Geburt, dann hat er Angst, die Reifeprüfung nicht zu bestehen -oft zurecht. Die ersten Kritiken können sehr schmerzhaft sein, eine Qual am eigenen Werk, und doch bitter nötig, um die nötige Reife zu erlangen. Dieses Leid muss er ebenso ertragen wie die anschließende Mühe zur fortwährenden Verbesserung.
Der Krebs-Geborene kann nur das zur vollen Reife bringen, was er selbst ist. Nicht-Eigenes bleibt, was es ist, nämlich nicht sein Baby. Deshalb braucht er Mut, alles Fremde, Angenommene und Nicht-Eigene abzulegen und sich voller Vertrauen seinen inneren Kräften zuzuwenden. Diese werden stets das zutiefst Eigene hervorbringen. Das Innere dringt allmählich nach außen und wird dann in gut entwickelter Form sichtbar. Reife geht aus vom Zentrum, durch und durch. Was von Herzen und in voller Reife gegeben wird, wird von anderen mit vollem Genuss als hervorragender menschlicher Beitrag angenommen. Dann ist die Gabe weitergegeben und die innere Natur des Krebs-Geborenen erfüllt.
Die Synthese von Gabe und Prüfung
Erkenne, was dich im Innersten berührt und wozu du Talent hast. Entwickle deine Gaben mit Sorgfalt und Muße zur größtmöglichen Reife. Spüre, wann es an der Zeit ist, deine Gaben der Welt zur Verfügung zu stellen. Nimm Kritik anderer an, um dich zu verbessern. So wirst du zu dir selbst und auch deinen Platz in der Welt finden.
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