Die Gabe und die Prüfung des Skorpions
Die Gabe der Nicht-Identifikation
Skorpion ist das Zeichen der Wandlung. Wenn ihn etwas reizt, ist das wie ein Funke, der zu seinem Inneren überspringt, ein Signal, das ihn bewegt. Ob dies ein Mensch ist, eine Gruppe, eine Idee oder was auch immer, er will damit eins werden und darin aufgehen. Als Teil dieses Verschmelzungsprozesses erlebt er sich als etwas, das mehr ist, als er selbst. Er spürt die Vibration des gemeinsamen Feldes, das ihn transzendiert. In gemeinsamen Ritualen versucht er dieses Gefühl immer wieder hervorzurufen. Es berührt seinen innersten Kern und bewegt ihn dazu, über seine Grenzen hinauszugehen. Er ist bereit, sich zu verausgaben, um am Energiestrom des Größeren teilzuhaben und diesen ganz in sich einfließen zu lassen.
Alles zu geben, bedeutet, an nichts festzuhalten. Persönliche Bedürfnisse werden gemeinschaftlichen untergeordnet. Der Skorpion kämpft für die gemeinsame Sache. Wenn er sich auf etwas einlässt, dann mit Haut und Haaren. Entweder ganz oder gar nicht. Er hat ein klares Bild davon, wie die gemeinsame Sache aussehen soll. Sobald er sich mit diesem Bild identifiziert, nimmt er das Steuer in die Hand und versucht das Bild zu verwirklichen.
Wenn sein Bild nicht mit dem der anderen übereinstimmt, kommt es zu Reibungen. Dies ist nicht weiter tragisch, es sei denn, er will von seiner Vorstellung, also seinem Bild der gemeinsamen Sache, nicht abrücken. Wenn er an persönlichen Absichten festhängt, sind Konflikte unvermeidlich. Würde er nämlich seine Absichten nur herunterschlucken, „explodiert“ er früher oder später. Beeinflusst er andere auf subtile Weise gegen ihren Willen in seine Richtung, merken sie das auf Dauer und gehen ihrerseits unter die Decke. Belügt er sich selbst oder andere, führt auch das zu keiner Lösung. Irgendwann kommt es also zur Auseinandersetzung…
Dieser Typus fühlt sich schnell angegriffen und ist bereit zu kämpfen. Im Eifer des Gefechts kann er sehr verletzend werden. Außerdem neigt er dazu, Schuld bei anderen zu suchen. Bei seiner Form der Auseinandersetzung kann einiges zu Bruch gehen: Vertrauen, Partnerschaften, Freundschaften. Wenn er sich mit anderen wirklich einig werden will, muss er Konflikte auf andere Weise lösen.
Es bedarf eines Motivs, ja eines gemeinsamen Bildes, dem alle zustimmen und folgen wollen. Zu den besonderen Fähigkeiten dieses Typus gehört sein Zugang zum kollektiven Unbewussten, den bewegenden Winden und verborgenen Strömungen der menschlichen Gemeinschaft. Er ahnt, was andere wollen. Er spürt ihre Regungen und Absichten, als könnte er sie mit Röntgenaugen durchschauen. Intuitiv erfasst er das Motiv, das alle Einzelströmungen zu einem großen Strom vereint. Dieser Fluss reißt alle mit und bewegt sie. Die Frage ist nur, ob er sich selbst mit diesem neuen Bild identifizieren kann.
Hierzu schenkt ihm der Göttliche Geist die magischste aller Gaben, die Gabe der Nicht-Identifikation. Sie lässt ihn das neue Bild wie ein unbeteiligter Beobachter betrachten. Dadurch kann er es auch dann als Lösung für den Konflikt empfinden, wenn es für ihn persönliche Abstriche bedeutet. Er selbst bleibt während dieses Vorgangs ganz bei sich. Er spürt die Kraft des neuen Motivs, identifiziert sich damit und vollzieht in sich eine Wandlung. Auf diese Weise steigt er eine Stufe empor -heraus aus den persönlichen Motiven hinein in den Geist der Gemeinschaft. Mit den Schwingen der Nicht-Identifikation erhebt er sich zu einer höheren Einsicht. Wie ein Adler erkennt er von hoch oben den Weg zur Lösung und erahnt auch dessen Gefahren.
Wenn dieser Typus sich zu einer gemeinschaftlichen Lösung durchringt, kann er mit dem Rückhalt der anderen rechnen. Dann hat er „kampflos“ gewonnen. Wie von selbst löst sich der Konflikt und alle folgen der Magie des neuen Bildes.
Die Prüfung der Verantwortlichkeit
Der Skorpion ist das Zeichen der Einigung durch Reibung. Wenn Menschen in Beziehung zueinander etwas Unterschiedliches wollen, kommt es meist zu Reibungen und Konflikten. Der Skorpion-Geborene hält dabei gern an seiner Position fest. Je mehr ihm jedoch an einer Einigung gelegen ist, desto nachgiebiger wird er. Nur so können sich die Kräfte aller in einer gemeinsamen Aktivität formieren, an der er anschließend teilhaben kann. Sobald die Einigung erreicht ist, fühlt er sich am wohlsten. Er identifiziert sich mit der Absicht der Gemeinschaft und kann die freiwerdende Energie im Sinn aller einsetzen.
Energie ist Beziehung in Aktion. Fehlt es an Energie, droht der Zerfall der Beziehung. Oft mangelt es dann an Verantwortungsübernahme. Die Beteiligten, die sich zu einem Miteinander entschlossen und ja dazu gesagt haben, sind verantwortlich dafür, dass die Beziehung erhalten bleibt und die gemeinsame Absicht weiterverfolgt wird. Dies erfordert ständige Neubelebung durch Aktivität. Ein Haus, das nicht renoviert wird, verfällt. Das gleiche gilt auch für partnerschaftliche, geschäftliche und überhaupt für jegliche Form enger Beziehungen. Wenn im Miteinander Spannungen und Risse entstehen, muss die gemeinsame Tragfähigkeit durch erneute Einigung wiederhergestellt werden. Die Natur prüft, inwieweit dieser Typus hierfür alles tut und seiner Verantwortung für die Beziehung gerecht wird. Die Fähigkeit dazu hätte er.
Entzieht sich der Skorpion-Geborene seiner Verantwortung, sei es aus Unaufmerksamkeit oder Angst, ist dies ein negativer Umgang mit dieser Prüfung. Weder darf er vor Disharmonie zurückschrecken noch vor Konfrontation. Beides gehört zu einer Beziehung dazu. Disharmonie ist eine Reaktion der Natur auf Bewegungslosigkeit. Die Natur weist so auf Möglichkeiten zur Wandlung hin. Alles Leben ist Wandlung, und der Skorpion-Geborene ist derjenige im Tierkreis, der sich am meisten wandeln darf. Für ihn geht es nicht allein um Energieeinsatz, sondern auch um seine persönliche Veränderung. Jegliche Reibung mit seinen Mitmenschen ist eine Aufforderung an ihn, etwas loszulassen, das die Einigung verhindert.
Im Deutschen gibt es einen feinen Unterschied zwischen einer Einigung und einem Kompromiss. Letzterem haftet eher ein Verlust an. Obwohl eine Einigung erzielt wird, ist es am Ende nur ein Kompromiss geworden, eine Art Einigungsminimum. Zu Ciceros Zeiten war ein Kompromiss noch ein werthaltiges Versprechen, bei dem sich alle Beteiligten freiwillig dem Schiedsspruch eines Dritten unterwarfen. Wer den Schiedsspruch nicht anerkannte, verlor ein zuvor hinterlegtes Pfand. Allen Beteiligten war es also etwas wert, sich eine gemeinsame, neue Perspektive zu eröffnen. Zugleich verhinderte das objektive Urteil des Dritten Manipulation und Täuschung.
Objektivität ist für einen Skorpion-Geborenen außerordentlich hilfreich. Versucht er nämlich andere durch Druck oder Manipulation zu etwas zu bewegen, das sie nicht wirklich wollen, führt dies zu keiner echten Einigung. Dann braucht er sich nicht zu wundern, wenn sich Konflikte fortsetzen. Umgekehrt hat es aber auch keinen Sinn, eigene Bedürfnisse zu unterdrücken. Verantwortung für eine Beziehung zu übernehmen, bedeutet, alle Karten offen auf den Tisch zu legen und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen, zu der alle aus freien Stücken ja sagen können. Sonst ist Einigung nur eine Illusion, die von unterdrückten Gegenkräften untergraben wird und die gemeinsame Beziehung anspannt.
Jede Beziehung polarisiert. Polarisierung ermöglicht Transformation, Wandlung und Fortschritt. Dieser Typus sollte sich nicht gegen die Einflüsse anderer wehren. Stattdessen sollte er sich fragen: “Bin ich bereit, von eigenen Wünschen loszulassen, um so den Reichtum des Miteinanders besser ausschöpfen zu können?”
Polarisierung sorgt für eine notwendige Mischung der Kräfte. Die innere Natur wirkt nicht durch Gleichheit und Wiederholung, sondern durch Veränderung, Erneuerung und durch den Reiz des Unbekannten. Sie will Wandlung und aus der Gemeinschaft etwas gänzlich Neues kreieren. Schöpfung ist die Frucht der Beziehung. Verweigert sich der Skorpion-Geborene dieser schöpferischen Aktivität, blockiert er die gemeinsame Energie.
Verantwortung erfordert es, die Last der Neugeburt auf sich zu nehmen. Oft ist es gerade der Skorpion-Geborene, der den Stein gemeinsamer Aktivität ins Rollen bringt. Verfolgt er dabei die Interessen der Gemeinschaft, nimmt diese seinen Impuls gerne als Lösung für einen neuen, gemeinsamen Weg auf.
Die Synthese von Gabe und Prüfung
Das Leben will dich wandeln und herausfordern. Lass dich auf die Reize des Lebens ein. Vor allem in engen Beziehungen lernst Du, mehr zu geben. Wenn du dich in Konflikten aufreibst, verlierst du das Spiel des Miteinanders. Einigst du dich aber und lässt von Unvereinbarem los, schaffst du den Wandel. Dann wirst du ein Anderer und mehr der sein, der du tief im Inneren bist.
…wird fortgesetzt
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