Pluto
Pluto, im griechischen Mythos der Hades, steht für die Kraft der Vollendung und Wandlung. Er räumt alles aus dem Weg, was uns daran hindert, ganz wir selbst zu sein. Pluto, der Herr des Todes, beendet Altes restlos. Er packt uns immer dann, wenn wir zu selbstverliebt sind. In solchen Phasen grenzen wir die Welt der anderen zu sehr aus. Die Ander- oder Unterwelt ist Plutos Reich. Dort sind alle Samen der Zukunft für uns aufgehoben. Alles Ungelebte, Verdrängte und Unterdrückte, aber auch all unsere verborgenen Gaben und Talente stehen uns dort zur Verfügung. Pluto wird deshalb der Reichtumspendende genannt. Wenn wir sein Reich betreten, haben wir Zugang zu einer ungeheuren Fülle.
Die wenigsten gehen jedoch freiwillig in Plutos Reich. Sie haben Angst, dem zu begegnen, was sie vermieden und unterdrückt haben. Doch Pluto lässt sich nicht verdrängen. Er bleibt wirksam, ob wir es wollen oder nicht. Sobald wir zu sehr in unserer eigenen Welt leben, kommt es unweigerlich zu einer wandelnden Lebenskrise. Dies wird im Persephone-Mythos beschrieben. Einst spielte das Mädchen Kore auf einer Wiese. Hades/Pluto fragte Zeus/Jupiter, ob er sie zur Frau haben dürfe. Der Göttervater verweigerte dies nicht. Da ließ Mutter Erde eine Narzisse wachsen, die Blume der Selbstverliebtheit. Betört vom Duft der Blume griff die Jungfrau Kore danach, um sie zu pflücken. Da öffnete sich in der Erde ein Loch und heraus kam Hades/Pluto mit seinem Pferdegespann. Er packte das schreiende Mädchen, riss es in die Unterwelt und nahm es zur Frau. So wurde aus Kore die Unterweltgöttin Persephone, “die das Getreide schlägt”. Wer Spreu von Weizen zu trennen weiß, weiß auch, was es zu beenden gilt.
Kores Mutter Demeter wollte ihre verlorene Tochter zurückhaben. Als ihr dies verweigert wurde, verbot sie den Pflanzen zu wachsen und den Tieren sich zu vermehren. Alles wurde unfruchtbar, wie auch bei uns alles unfruchtbar wird, wenn wir Altes nicht beenden und zu lange festhalten. Zeus/Jupiter hatte daraufhin ein Einsehen. Er schickte Hermes/Merkur zu Hades/Pluto, damit dieser Kore wieder zurück auf die Erde lasse. Der Unterweltgott willigte ein, verabreichte seiner Frau jedoch zuvor Granatapfelsamen – das Symbol für den ewigen Bund der Ehe. Kore war so für immer an das Reich der Unterwelt gebunden. Zwei Drittel des Jahres durfte sie auf und ein Drittel des Jahres unter der Erde leben.
Jedem Wandel folgt die Phase der Fruchtbarkeit, des Wachstums und der Ernte. Danach drischt Persephone wieder die Garben. Sie entscheidet, was fruchtbare Samen für die Zukunft sind und was nur Spreu ist, die enden darf. Dieser krisenhafte Prozess ist oft schmerzhaft. Zugleich leitet er eine Metamorphose ein und sorgt dafür, dass wir wieder mehr wir selbst sein können. Er integriert uns in die zuvor fremde Welt der anderen, die Anderwelt. Dadurch erkennen wir bislang ungesehene Teile von uns selbst und können diese leben.
Die zweite bekannte Pluto-Liebesgeschichte, wenn man die erste mit Persephone denn als solche bezeichnen darf, ist die von Orpheus und Eurydike. Sie zeigt Plutos Verbindung zum Herzen. Orpheus war ein begnadeter Sänger. Er verfügte über die Stimme des Herzens und konnte alles besänftigen – Götter, Menschen, selbst die Herzen der wildesten Tiere. Als seine Frau Eurydike eines Tages vor einem Verehrer floh, stieg diese versehentlich in ein Schlangennest und starb. In seiner Trauer folgte Orpheus dem Rat der Götter und Nymphen, in die Unterwelt hinabzusteigen. Dort spielte er auf seiner Lyra und sang. Sogar Hades/Pluto und Persephone schmolzen dahin. Sie erlaubten ihm, Eurydike, die weithin Gerechte, zurück ans Sonnenlicht zu bringen. Allerdings durfte er sich auf dem Weg nach oben nicht zu ihr umdrehen. Sobald Orpheus die Schritte seiner Frau nicht mehr hören konnte, missachtete er jedoch das Gebot der Unterwelt und seine Frau blieb für immer dort.
Wenn wir die Liebe verlieren, haben wir weggesehen und einen Nebenbuhler zugelassen. Wir können sie aber zurückgewinnen, wenn wir Verdrängtes und Unterdrücktes an uns heranlassen und ganz der Stimme des Herzens vertrauen. Dann gilt es, nur mehr der Stimme des Herzens zu folgen, immer weiterzugehen und darauf zu vertrauen, dass die Gerechtigkeit und damit das Rechte folgt und sichtbar wird.
Orpheus war ein Anhänger der Hekate, der Göttin der Verwandlung. Sie ist das Gewissen, das zu jeder Zeit weiß, was das Rechte ist. Sie war es auch, die Persephone mit erleuchtenden Fackeln im Reich der Unterwelt führte. Hekate Krataiis ist die Mächtige, die Herrin des Weltalls. Sie steht für den alten und erfahrenen Geist, der doch alles mit neuen Augen betrachtet – frei von Bewertung und Angst. Sie gilt auch als Mutter der Skylla. Skylla ist diejenige, die nimmt, was nicht zu einem gehört. Wer keine Angst vor notwendigen Verlusten hat und ganz seinem Gewissen vertraut, mit dem ist auch die Macht der Liebe. Gibt es etwas, dem du mit ganzem Herzen folgen wolltest, es aber in einem unachtsamen Moment fallen gelassen hast? Wenn du spürst, dass es das Rechte für dich ist, dann vertraue der Stimme deines Herzens, folge ihr und schaue nicht mehr zurück.
… wird fortgesetzt
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